Montag, 29. Februar 2016

Neue Köpfe, ich liebe Köpfe ...


O.T. AW 2016




O.T. AW 2016



O.T. AW 2016 


caput ist das lateinische wort für kopf. find ich gut :-)

Vom Umgang mit der Schlechtigkeit

Ich werde traurig und wütend, wenn ich sehe, dass Menschen anderen Menschen bewusst Schlechtes tun. Und damit meine ich nicht nur die großen Schlechtigkeiten, die Menschen Menschen antun, ich meine auch die kleinen miesen Schlechtigkeiten, die Menschen Menschen antun. Diese kleinen fiesen boshaften Machtdemonstrationen zum Beispiel, die still und leise vor sich gehen, mit der Absicht einem anderen zu zeigen, wer das Sagen hat oder wer der Herr im Haus ist. Diese miesen kleinen Dinge, die getan werden, um den anderen zu verletzten oder leiden zu lassen.

Ich wünsche mir dann oft ich wäre ein Samurai und könnte mein Schwert ziehen und dem Schechten eins überziehen auf dass es begreift, wie es sich anfühlt, anderen Leid oder Schmerz zuzufügen.
Ich muss gestehen, dass ich in Gelassenheit, ob solcher Schlechtigkeiten, noch nicht gut bin.

Oh oh, das sind keine guten Gedanken und wenn ich solche unguten Gedanken denke, sage ich auch sofort innerlich Stop zu mir, denn ich will so nicht sein und ich weiß mittlerweile sehr gut, dass das, was ich denke, mein Sein ziemlich beeinflusst.

Was also, wenn ich erfahre, dass einem Menschen, noch dazu einem, den ich liebe, Schlechtes getan wurde ? Ihn rächen? Mit bösen Worten auf den einreden, der ihm das Schlechte angetan hat? Aus Erfahrung weiß ich, es ist sinnlos. Menschen, die anderen bewusst schaden haben keine Einsicht, im besten Fall leugenen sie, was sie getan haben oder behaupten, es sei ihnen gar nicht bewusst gewesen, was sie getan haben oder sie hätten es nicht mit Absicht getan. Menschen, die anderen Schlechtes tun lügen, und sie lügen dazu auch noch schlecht. Und meistens sind sie auch noch feige und würden um nichts in der Welt zugeben Schlechtes getan zu haben.

Diese Menschen zur Rede stellen: ganz schlecht. Es bringt nichts, außer dass man sich selbst noch wütender und ohnmächtiger fühlt und die Schlechtigekit des Anderen so auch noch Macht über uns gewinnt, weil wir diese Gefühle haben.

Was also macht Sinn, wenn nicht das Samurai Schwert oder die bösen Worte?

Nichts davon macht Sinn, weil wir damit diesen Menschen Macht über uns geben. Wir geben ihrer Schlechtigkeit Macht über uns, indem wir gegen sie angehen. Der Einzige den wir verletzen sind wir selbst, denn der Andere wird weder annehmen was wir sagen, noch Einsicht haben, noch sich wandeln. Er ist was er ist und wir prallen an der glatten Wand der Ignoranz ab und und rutschen tief in schlechte Gefühle und damit schaden wir allein uns selbst. Wir machen weder das geschehene Schlechte ungeschehen, noch können wir Weiteres verhindern. Wir haben keinen Einfluss auf Andere.

Aber wir haben Einfluss auf uns selbst, auf unsere Gedanken und damit auf unsere Gefühle.
Ich werde das Samuraischwert also stecken lassen.Ich werde das tun, was das einzig Hilfreiche ist und zwar: Das Schlechte beim anderen lassen. Wie das geht?

Ein Freund hat mir kürzlich einen wunderbaren Text geschickt. Ich möchte ihn mit Euch teilen: 
"Tatsächlich können uns Menschen sehr Vieles beibringen. Indem sie etwas Schlechtes tun, können sie uns beispielsweise lehren, nicht so zu handeln." 
Alexander Berzin aus: Selbst-Transformation durch Training der Geisteshaltung


Das heißt nicht, dass wir uns alles gefallen lassen. Es heißt aber, dass wir lernen können, unsere Gedanken sauber halten von der Schlechtigkeit der anderen, es heißt: Gutes aus dem Unguten zu lernen und es zu tun, uns und anderen, wann immer wir können. 
Ich werde mein Samuraischwert entsorgen.

 








Sonntag, 28. Februar 2016

Die Grenze ist der Anfang



Malerei: AW

Als Kind habe ich versucht aus einem schwachen Vater einen starken Vater zu machen.
Ich habe versucht aus einem Mann, der sich selbst nicht liebt, einen Menschen zu machen, der mich liebt. Später habe ich mein halbes Leben damit verbracht aus schwachen Männern starke Männer zu machen, die mich lieben. Ich habe mein halbes Leben damit verbracht, Menschen, die sich selbst nicht achten und lieben, dazu zu bringen, sich zu achten und zu lieben, um von ihnen geliebt zu werden. Ich habe mein halbes Leben damit verbracht meine Familie glücklich machen zu wollen, um selbst glücklich werden zu dürfen.

Ich bin ein halbes Leben in Bäckereien gegangen um Rosen zu bekommen.
Bis ich begriff: Beim Bäcker gibt es keine Rosen.
Ich bin nicht die Einzige, die das versucht hat.

Viele von uns gehen über Jahrzehnte tagtäglich in Bäckereien um dort Rosen zu bekommen, immer und immer wieder. Sie hören nicht auf, auf ein Wunder zu hoffen, immer und immer wieder.
Sie würden die Hoffnung, die sie für andere haben, die Fähigkeit für andere zu sorgen, die Kraft, die sie haben um andere zu retten und sie aus dem Sumpf zu ziehen, niemals anzweifeln. Aber sie bezweifeln ihre Kraft und ihre Fähigkeit für sich selbst sorgen zu können.

Unsere Erfahrungen in der Kindheit haben dazu geführt, dass wir glauben uns um andere sorgen zu müssen, für andere da sein zu müssen, für andere Probeme lösen zu müssen, andere stark machen zu müssen, andere retten zu müssen um Liebe zu bekommen.

Viele von uns haben ein halbes Leben lang ihre Kraft und ihre Sorge in die Vergeblichkeit investiert um am Ende festzustellen: Wir haben uns selbst die Kraft geraubt, die wir für unsere eigene Lebendigkeit brauchen und die anderen sind genau das geblieben was sie sind und waren.
Aber wir sind nicht mehr der, der wir sind, wir sind ein Schatten unserer Selbst, wir haben uns im Sorgen für andere selbst verloren.
Wir sind an unserer Grenze angelangt.

Diese Grenze ist die Rettung.
Sie ist der Nullpunkt um da zu beginnen, wo wir als Kind aufgehört haben wir selbst zu sein, um für andere zu sein.
Sie ist der Nullpunkt um das verlorene Selbst suchen zu gehen, in uns selbst.
Sie ist der Punkt, an dem wir begreifen: Es ist nicht nur in Ordnung gut für uns selbst zu sorgen, es ist lebenswichtig.


...


Heilung geschieht langsam und still. 
Und es geschieht viel mehr, als wir ahnen. 
Und es geschieht auch dann viel, wenn wir denken, es geschieht wenig. 
Und manchmal geschieht dann alles, gerade dann, wenn wir meinen, es geschähe nichts. 
Denn Heilung geschieht langsam und still und in ihrer Zeit.



Meditationstext von Werner Sprenger
DURCH FREMDEN MUND SATT WERDEN?

Samstag, 27. Februar 2016

Aus der Praxis - Die Bedürftigkeit narzisstischer Menschen

Ein Mensch, der als Kind nicht bekommen hat, was er brauchte - nämlich gesehen, beachtet, ernst genommen und geliebt werden - ist narzisstisch bedürftig. Er sucht sein Leben lang, was ihm als Kind von den Eltern verwehrt wurde: Jemanden, der ihn beachtet, ernst nimmt und bewundert.

Diese Suche kann jedoch niemals gelingen, denn sie bezieht sich auf den erfahrenen Mangel in der Kindheit, der nachträglich im Erwachsenenleben nicht mehr befriedigt werden kann. Dennoch ist dieser Mensch stets dem Zwang unterworfen die kindlichen Bedürfnisse befriedigen zu wollen. Das Spüren seiner Existenz hängt davon ab Aufmerksamkeit und Zuwendung zu bekommen. Bekommt er sie nicht, fühlt er sich innerlich leer und emotional taub.

Die innere Leere und die Taubheit der Gefühlswelt beherrschen ihn so lange, bis er sich aufmacht, den Weg nach Innen zu gehen, um zu lernen es mit sich selbst auszuhalten, um in der Leere zu finden, was er in seiner äußeren Suche, aus Angst in sich selbst nichts zu finden, immer wieder vermeidet: Die Welt seiner echten Gefühle.

Auch wenn diese Welt zunächst einmal sehr schmerzhaft sein wird - sie ist die einzige Welt, in der der narzisstische Mensch findet, was notwendig ist um zur eigenen Lebendigkeit und Erlebnisfähigkeit zu gelangen.

Die ewige Suche nach Aufmerksamkeit, Wertschätzung, Liebe - oder warum sie kein Ende finden kann




Schon immer suchen die Menschen nach Glück.
Und die meisten suchen es schon immer im anderen.

Kaum ist eine Beziehung zu Ende, wird von den meisten Verlassenen verzweifelt Ersatz gesucht. Es muss doch jemanden geben, der mir all das gibt, was mir mein (e) Ex nicht geben konnte. Es muss Trost geben für meine Verletzungen, die mir mein(e) Ex zugefügt hat. Es muss doch jemand geben, der mich sieht, wo ich nicht gesehen wurde, es muss doch jemand geben, der mir die Aufmerksamkeit schenkt, die mir nicht geschenkt wurde, es muss doch jemand geben, der mich schätzt, wo ich doch alles getan habe, aus Liebe.

Solche und ähnliche Gedanken spuken in den Köpfen Verlassener herum. Der Gedanke, der all dem folgt ist: Ich brauche eine neue Liebe, einen Jemand, der mir schnell ein Pflaster auf meine Wunden klebt, damit ich sie nicht spüren muss.

Aber was da denkt, ich brauche eine neue Liebe, ist nichts weiter als die Angst vor Beziehungslosigkeit, die Angst allein zu sein mit sich selbst, die Angst nicht geliebt zu werden, nie mehr geliebt zu werden. Also muss der Gedanke: Ich brauche eine neue Liebe, die mir all das gibt, was mir in meiner alten Beziehung nicht gegeben wurde, sich erfüllen, bevor sich gar die Verzweiflung breit macht allein im eigenen Haus leben zu müssen und als halber Mensch durchs Leben gehen zu müssen und der nächste potentielle Partner wird angesteuert. Und ja, diese Angst ist berechtigt bei diesen Menschen, denn das, worüber sie wirklich verzweifeln könnten, das wovor sie wirklich Angst haben könnten, blendet ihr schlafender Geist aus.

Diese Menschen schlafen in der Tat. Sie leben in einem Bewusstsein des nicht-Erwachen-könnens. Sie sehen nicht was wirklich ist. Sie sind eingeschläfert von ihrem bedürftigen Ego, das etwas von anderen will, was es sich selbst nicht geben kann. Es ist nicht wach genug um zu begreifen, dass es nur das geschenkt bekommt, was es in sich selbst trägt, was es absichtslos und ohne Erwartungen gibt, weil es nichts mehr braucht, weil es in sich selbst trägt was es braucht. Es sieht nicht, dass es in jeder Beziehung genau das nicht bekommt, was es sich selbst nicht zu geben fähig ist: Aufmerksamkeit, Wertschätzung und Liebe.

Und so wird Ersatz gesucht im Außen, im nächsten anderen, in einem Jemand, der scheinbar all das gibt, was dem Selbst fehlt und wonach seine Bedürftigkeit schreit wie ein verlassenes, hilfloses Kind. Die nächste Runde außerhalb seiner Selbst kann beginnen. Am Anfang wird der Mangel, die innere Not gestillt. Und der lange Schlaf setzt sich fort. Wieder eine Runde, ein neuer Mensch, der gebraucht und verbraucht wird für das, was eigentlich entwickelt werden will - im Eigenen.

Wieder dreht sich das Karussell der vermeintlichen Liebe bis einer der Mitfahrer aussteigt, weil er meint all das, was er so nötig braucht, nicht zu bekommen. Manche Menschen fahren ein Leben lang in diesem Karussell, sie steigen ein und steigen aus. Sie wechseln schlaftrunken und schwindelig vom ewigen Drehen, vom Pferdchen zum Engelswagen, vom Tiger zum Einhorn, vom Glücksschwein zur Prinzessin. Und niemals finden sie, was sie wirklich suchen: Aufmerkamkeit für sich selbst, Wertschätzung für sich selbst, Liebe in sich selbst.

Freitag, 26. Februar 2016

Das Angstkind in uns



Foto: AW

Das Angstkind in uns kann jeden Tag neu lernen, mutig zu sein.
Das Angstkind in uns kann lernen, dass es heute nicht mehr abhängig von anderen ist, sondern Automie besitzt.
Das Angstkind in uns kann lernen, dass es seine inneren und äußeren Grenzen schützen kann.
Das Angstkind in uns kann lernen, dass es nicht immer so geht wie es will, sondern das wird, was sein soll um daran zu wachsen.

Das Angstkind in uns kann lernen, dass es nicht dazu verpflichtet ist, anderen zu Gefallen zu leben.
Das Angstkind in uns kann lernen, dass es Nein sagen darf.
Das Angstkind in uns kann lernen, dass es nicht von der Liebe und Aufmerksamkeit anderer abhängig ist, um zu überleben.
Das Angstkind in uns kann lernen, sich nicht von den Bewertungen und den Urteilen anderer,  beängstigen, beeindrucken und manipulieren zu lassen.

Das Angstkind in uns kann lernen, dass Probleme und Niederlagen zum Leben gehören und es die Fähigkeit hat, damit umzugehen.
Das Angstkind in uns kann lernen, dass es sich selbst beruhigen kann.
Das Angstkind in uns kann lernen, dass es sich nicht mehr selbst klein macht, abwertet und selbst verurteilt.
Das Angstkind in uns kann lernen, dass es gut für sich selbst sorgt, bevor es sich um andere sorgt.

Das Angstkind in uns kann lernen, dass die Sucht nach Leid, nicht Leben bedeutet, nur weil es sich im Leid auskennt.

Das Ansgtkind in uns kann lernen, dass es Heimat in ihm selbst gibt.
Das Angstkind in uns kann lernen, dass es sich nicht um einer Beziehung willen, missbrauchen lässt.
Das Angstkind in uns kann lernen, dass es auch ohne in Beziehung zu sein, überleben kann.
Das Angstkind in uns kann lernen, dass Alleinsein nicht existentielle Verlassenheit bedeutet.
Das Angstkind in uns kann lernen, dass es kostbar und liebenswert ist und Liebe verdient.

Das Angstkind in uns kann lernen, dass es ein starkes Kerlchen ist, um weiter machen zu können, auch wo es Angst hat, es nicht zu schaffen oder zu versagen.

Das Angstkind in uns kann lernen, was das Wesentliche im Leben ist: In sich selbst zuhause zu sein und sich dort wohl zu fühlen.
Das Angstkind in uns braucht, um all das zu lernen, einen Erwachsenen, der es liebevoll und schützend durch das Leben führt: Uns selbst.

Mittwoch, 24. Februar 2016

Gedankensplitter




Ich habe keinen Einfluss darauf, welche Erwartungen andere an mich haben. 
Ich kann nicht darüber bestimmen, was sie wünschen und was ich ihrer Meinung nach tun und lassen soll, was ihnen gut tut und was sie nicht mögen. 

Ich habe keinen Einfluss auf die Gefühle und ich habe keinen Einfluss auf die Gedanken anderer. 
Wir alle sind erwachsene Menschen und für uns selbst, unsere Gedanken und Gefühle, verantwortlich. 

Ich biete an, was ich anzubieten habe, in der Hoffnung, dass es angenommen wird.

Dienstag, 23. Februar 2016

Schluss




und dann
irgendwann
ist schluss
mit dem, was du nicht vermitteln kannst
dem, was du nicht begreiflich machen kannst
dem, was du nicht verständlich machen kannst
weil du begreifst: 
wer deine sprache nicht spricht, versteht dich nicht.

Montag, 22. Februar 2016

Wenn das Vertrauen gebrochen ist ...


Foto: AW

Gegenseitiges Vertrauen verbindet und hält Menschen zusammen. Das gilt in jeder Art von Beziehung, besonders aber in Partnerschaften. Wären wir nicht zu der Annahme fähig, dass uns ein vertrauter Mensch wohlgesonnen ist und uns nichts Ungutes zufügen will, wären wir nicht fähig überhaupt zu lieben. Vertrauen ist die Basis jeder Liebe. Wird dieses Vertrauen, wodurch auch immer, missbraucht oder verletzt, empfinden wir das als sehr schmerzhaft. Nicht nur unser Glaube an den anderen wird zerstört, auch der Glaube an die Beziehung selbst und was sie einmal für uns war, ist zerstört. Es ist als würde ein Haus, das unser Zuhause war, von Innen heraus in sich zusammenfallen.

Eine Studie hat gezeigt, dass die Folgen eines als massiv empfundenen Vertrauensbruchs ähnliche Ausmaße annehmen können wie eine posttraumatische Belastungsstörung. Besonders trifft das Menschen, deren Urvertrauen schon in der Kindheit erschüttert oder missbraucht wurde.

Was nach einem Vertrauensbruch bleibt sind nicht allein Wut, Schmerz und Enttäuschung,
Es bleiben oft auch Selbstzweifel, das Gefühl nichts wert zu sein und ein generell zerstörtes Vertrauen in andere Menschen. Wer in einer ihm wertvollen Beziehung einen Vertrauensbruch erfahren hat, kann unter Umständen sehr lange, vielleicht sogar für den Rest des Lebens unter diesem Vertrauensbruch leiden. Er ist nicht mehr in der Lage anderen, z.B. zukünftigen Partnern, uneingeschränkt Glauben zu schenken. Er verschließt sein Herz um nicht mehr verletzt zu werden.

Um über einen erlittenen Vertrauensmissbrauch hinweg zu kommen, braucht jeder Mensch Zeit. Je senisbler er ist, desto länger wird er brauchen.

Aber was hilft, was ist der Weg aus der Enttäuschung?
Die Erfahrung sagt, es hilft nicht sich zu sagen: Enttäuschung ist das Ende der Täuschung. Die Erkenntnis, dass man sich im Anderen getäuscht hat, verschlimmert das Ganze oft noch. Es ist erschütternd für einen Menschen, wenn er glauben muss, dass er sich über Jahre hinweg hat täuschen lassen. Das führt zu noch mehr Selbstzweifeln oder sogar zu Selbstverurteilung.

Es ist aber hilfreich sich zu sagen: Ich habe vertraut.
Die Tatsache, dass der Andere dieses Vertrauen missbraucht, liegt nicht in unserer Verantwortung und nicht in unserer Macht. Damit lassen wir den Missbrauch beim Anderen und verlassen die Rolle des Opfers.

Dennoch es gibt kein Rezept, das hilft diese Verletzung zu heilen. Einigen Menschen hilft es unter Menschen zu gehen oder sich abzulenken. Andere wiederum brauchen eine Zeit des Rückzugs um den Schmerz zu überwinden. Aber was auch immer wir tun um einen Vertrauensbruch zu verarbeiten, wir sollten dennoch nicht vergessen gut für uns selbst zu sorgen und uns nicht noch selbst zusätzlich zu schaden, nur weil ein anderer Mensch uns Schaden zugefügt hat. Und wir sollten darauf Acht geben, dass am Ende nicht die Einsamkeit unser einziger Bergleiter wird.


Verborgene Gefühle
hinter einer Mauer aus Schweigen
Angst vor Verletzung
darum kein Wort zu viel
nicht glücklich
aber scheinbar unverletzt
doch der Schein trügt
du verletzt dich selbst
und die Wunde heißt 
Einsamkeit.

(Autor unbekannt)

 

Zwischen zwei Menschen, die sich lieben sollte es keine Geheimnisse geben,
sonst ist Liebe unmöglich.
Heimlichtuerei ist ein Machtspiel, es hat in der Liebe nichts zu suchen.
Ihr solltet für einander völlig transparent sein. Dann werdet ihr mit der Zeit sehen, wie ihr gemeinsam in ein größeres Einssein hineinwachst.
Osho

Freitag, 19. Februar 2016

Scham und Würde




Malerei: AW

Missbrauch durch körperliche Gewalt, durch seelische Gewalt, Herabsetzungen und Demütigungen, zerbrechen die Identität eines Menschen. 
Demütigende Erfahrungen, je früher ein Mensch sie machen muss, beschämen. 
Vorgeführt werden, bloßgestellt werden, verlacht zu werden, fallengelassen werden, bestraft, betrogen und belogen zu werden, beschämt.

Scham ist das Gefühl schlecht zu sein.

Scham ist das Gefühl schuldig zu sein.

Scham sagt: Du bist falsch!

Das Ich beginnt sich selbst abzulehnen.

Um zu überleben spaltet es diesen „falschen“ Teil ab.

Aber dieser Teil, der sich falsch und schuldig fühlt, bleibt im Innersten und führt ein Eigenleben. 
Wir sind gespalten.
Nicht eins mit uns selbst.
Zerrissen zwischen sein wollen und nicht sein sollen.

Diese Spaltung bleibt solange bis wir diesen "falschen Teil" anschauen.
Ihn bedauern, betrauern und ihn dahin geben, wo er hingehört:

Zurück zu denen, die uns beschämt haben.

Das ist notwendig, um die wahre Identität zu finden und wieder herzustellen.
Das ist nicht leicht, denn dieser fasche Teil wird uns immer wieder sagen: Du bist falsch!
Er wird uns zweifeln lassen, immer wieder.
Wir werden uns über ihn erheben müssen, immer wieder.
Wir werden kämpfen müssen, immer wieder.
Wir werden Zeit brauchen, um uns das zurückzuholen, was man in uns zerstört hat: Würde.


Mittwoch, 17. Februar 2016

Aus der Praxis – Dem kindlichen Missbrauch folgt nicht selten der Selbstmissbrauch


Viele emotional und/oder körperlich missbrauchte Kinder behandeln sich als erwachsene Menschen genauso wie man sie als Kind behandelt hat. Sie missbrauchen und misshandeln sich selbst. Meist sind sie sich dessen nicht einmal bewusst. In einer Art Wiederholungszwang üben sie an sich selbst das aus, was ihnen als Kind angetan wurde. Selbstmissbrauch führt diese Menschen immer wieder in die gleiche Art von  missachtenden, missbrauchenden und co-abhängigen Beziehungen. Dazu neigen besonders Frauen. 

Sie glauben geliebt zu werden, wo man sie benutzt, sie glauben zu lieben, wo sie helfen können, sie bleiben in Beziehungen, obwohl sie ihnen nicht gut tun, sie kümmern sich um andere bis zur totalen seelischen und/oder körperlichen Erschöpfung, sie schlucken Demütigungen, sie verzeihen immer wieder, wo es längst unverzeihlich ist, was man ihnen antut, sie verstehen und verzeihen alles und sie leben damit, selbst weder verstanden noch geachtet, noch für das, was sie sind, geliebt zu werden. Manche dieser Frauen stecken sogar Schläge ein und „lieben“ weiter. 

Sie halten für Liebe, was man ihnen als Kind beigebracht hat. Sie haben verinnerlicht, Liebe muss weh tun oder seelische Schmerzen verursachen. Sie sind der Überzeugung, Liebe muss verdient oder erkämpft werden, sie glauben Liebe fordert ihr Opfer. Aber sie lieben nicht, sie haben lieben nicht gelernt und meist treffen sie auf Partner, die ebenso wenig lieben können wie sie selbst. Was diese Menschen für Liebe halten ist Bedürftigkeit, die Bedürftigkeit des verletzten Kindes, das sich nichts so sehr wünscht als endlich gesehen, gehalten und geliebt zu sein. Diese Bedürftigkeit ist geboren aus dem Mangel des ungeliebten Kindes. 

Das Minderwertigkeitsgefühl und das geringes Selbstwertgefühl dieser Menschen schreien nach Anerkennung. Die Angst wieder vom Partner, wie einst von den Eltern, zurückgewiesen zu werden, ist größer als der Schmerz und die Demütigungen, die sie tagtäglich in ihrer (selbst)missbrauchenden Beziehung erfahren. Sie schlucken alles um nicht wieder das Gefühl der existentiell bedrohlichen Verlassenheit zu erleben, das sie als Kind in Todesangst versetzt hat. 

Diese unbewusste, tief im System verankerte Angst, die Sucht nach Anerkennung und Zuwendung, führen dazu, dass diese Menschen „gebraucht“ werden müssen oder gar vom Wunsch getrieben sind andere zu retten um eine Existenzberechtigung zu spüren: Die Berechtigung auf Leben, die man ihnen als Kind nicht zugestanden hat und die durch Missbrauch zerstört wurde. Missbrauch zerstört die nicht nur die Seele, er zerstört das Gefühl, das Recht auf Leben zu haben. 

All das, was sie sich für sich selbst wünschen, tun diese verletzten Kinder für andere. Selbstmissbrauch führt immer in die Falle der Co-abhängigkeit. Co-abhängige halten Selbstmissbrauch unbewusst für „normal“. Sie haben es nicht anders gelernt. All das, was sie sich nicht selbst geben können, wird anderen gegeben, die sie benutzen und für ihre Bedürfnisse missbrauchen.

Ein Mensch, der sich selbst wertschätzt, lässt sich nicht missbrauchen und er missbraucht sich selbst nicht. Ein Mensch missbraucht sich selbst aufgrund fehlender Selbstachtung und Selbstliebe. Wenn das einmal erkannt wird ist es für die Betroffenen zutiefst erschütternd. Die meisten von ihnen wollen es nicht einmal wahrhaben. Das ist verständlich, denn zu erkennen, dass man sich selbst missbraucht und damit auf lange Sicht zerstört, ist erschütternd. Viele der Betroffenen geben daher ihr selbstmissbrauchendes Verhalten erst dann auf, wenn sie sich nicht nur seelisch, sondern auch körperlich zerstört haben. Wenn überhaupt.




Dienstag, 16. Februar 2016

Heute habe ich ein wunderschönes Zitat gefunden, das ich Euch nicht vorenthalten möchte


"Wenn ich eine Sehnsucht in mir spüre, die durch nichts und niemanden in dieser Welt gestillt werden kann, dann ist die wahrscheinlichste Erklärung dafür die, dass ich für eine andere Welt geschaffen wurde."


C. S. Lewis

Autoportrait: AW

Über Liebe





Liebe 
klagt nicht an
mahnt nicht
verurteilt nicht
macht keine Vorwürfe
verlangt nicht
erwartet nicht
fordert nicht
straft nicht

Liebe 
versteht

Montag, 15. Februar 2016

Es braucht Zeit ...



Aber wie schaffen wir loszulassen, was nicht mehr ist?
Wir schaffen es, wenn wir unserer Seele einen Winterschlaf gönnen, wenn wir uns selbst erlauben einmal nicht zu funktionieren, wenn wir nicht mehr über unsere längst aufgebrauchten Kräfte hinauszugehen versuchen, wenn wir akzeptieren: Ja, ich bin jetzt müde und ich brauche eine Auszeit.
Und das bedeutet nicht in Lähmung verharren, denn in dieser Auszeit werden die richtigen Fragen schon auftauchen. Fragen wie: Was will das Leben jetzt von mir? Wozu ist das gut, was da gerade geschieht? Was daran ist sinnvoll und richtig für mein weiteres Leben? Was ist die Chance, die in dieser Situation verborgen liegt? Was sind die Möglichkeiten, die der Verlust des Gewesenen mit sich bringt? Was ist der erste wichtige Schritt um mein Leben neu zu gestalten?

So bitter Verluste sind, das Leben straft uns nicht ab, weil wir etwas versäumt haben, es nimmt uns nichts, was wir uns nicht schon längst selbst genommen haben. Jedem Abschied, jedem Verlust, der uns wie von Außen auferzwungen scheint ist längst ein innerer Abschied vorausgegangen, wenn auch unbewusst. Eine Ausnahme ist der Tod eines geliebten Menschen.

Auch wenn es sich anders anfühlt - das Leben will, dass wir das alte Überholte verlassen um der Mensch zu werden, der über das Alte hinaus in uns angelegt ist und sich weiter entfalten will.
Loslassen tut weh. Es ist für uns alle eine schwere Aufgabe. Loslassen heißt: Etwas sein lassen wie es nun mal ist.

Das tut weh. Die Franzosen haben wunderbare Worte dafür: partir c ´est toujours un peu mourir. Jeder Abschied ist ein kleiner Tod im Leben, aber er ist zugleich eine Neugeburt, solange wir leben. Es braucht Zeit ihn zu betrauern.

Mittwoch, 10. Februar 2016

Aus der Praxis – Es ist heilsam sich Gefühlen zu öffnen




Ungelöste Probleme aus der Vergangenheit verschwinden nicht. Sie wiederholen sich in Variationen so lange bis wir ihnen Aufmerksamkeit schenken. Die in der Vergangenheit nicht bewältigte Wut, Angst oder Trauer kann verhindern, dass wir Freude oder Liebe empfinden. Sie kann uns schwächen und uns unsere Lebensenergie rauben. Viele von uns reden sich ein: Das ist nicht so schlimm. Das tut nicht so weh. Es gibt Schlimmeres.

Aber das ist nicht wahr. Das ist Verdrängung. Verdrängung ist nicht heilsam. Es ist heilsam sich unseren Gefühlen zu öffnen, allen Gefühlen, auch den schmerzlichen. 

Viele Menschen haben Angst davor. Sie haben Angst die Kontrolle zu verlieren, wenn sie endlich fühlen was ist. Sie haben Angst zu erkennen, dass sie über Jahrzehnte ein Leben gelebt haben, das sie nicht zufrieden gemacht hat, sie haben Angst ihre Selbstlüge zu entlarven, sie haben Angst, dass ihr Lebenskonstrukt ins Wanken gerät, sie haben Angst, dass Beziehungen zerbrechen können.

Das ist verständlich. Keiner von uns mag eine Wahrheit über sich selbst herausfinden, die ihn erschreckt. Aber das Leiden hört dann auf, wenn wir beginnen ehrlich zu uns selbst zu sein. Es hört dann auf, wenn wir uns erlauben zu fühlen, was wir lange verdrängt haben. Nicht um uns anzuklagen, oder uns zu schämen, sondern um uns von dem zu entlasten, was wir schon so lange angestaut haben. Leiden hört auf, wenn wir unseren verdrängten Gefühlen den Raum geben, den sie schon so lange beanspruchen. Gefühle, die sein dürfen, spüren, dass wir uns mit ihnen befassen. Dann können sie sich wandeln und dann können wir langsam über sie hinwegkommen.

Alles was fließen darf
 kann sich verändern.
Was nicht fließen darf 
staut sich an.
Was sich anstaut 
versumpft.
Was versumpft 
wird starr.
Was starr ist 
wird leblos.
Wie viele Leblose leben unter uns?
Zu viele.

Sonntag, 7. Februar 2016

Warum ich Sonntage liebe






Heute ist Sonntag, mein Lieblingstag. Der Tag, an dem mich die Welt da draußen mal gern haben kann, der Tag, an dem ich nur das mache, was ich will und an dem alles so ist, wie ich es mir mache. Sonntage sind für mich ein Geschenk. Alle sieben Tage wieder. Sie schenken mir freien Raum, Zeit ohne Pflichten, ohne Termine, Stunden ohne raus zu müssen, egal ob die Sonne vom Himmel lacht oder nicht. Der Sonntag ist mir heilig, wie er dem lieben Gott heilig ist. An den Sonntagen genieße ich meine heilige Ruhe.

Manche Menschen fürchten sich vor dem Sonntag, vor allem Singles mögen ihn nicht sonderlich gern. Das Alleinsein an Sonntagen fällt nicht jedem leicht. Irgendwie sitzt in den Hinterköpfen so mancher Alleinlebender ein Gedanke wie: Boah, keiner da mit dem ich etwas Schönes machen kann, keiner da, der mit mir die vielen freien Stunden verbringt, keiner da, der sich freut wenn ich etwas Leckeres koche oder der mir etwas Leckeres kocht und vor allem - keiner da mit dem ich reden kann. "Irgendwie sind diese Sonntage mir unheimlich, die ziehen mich total runter", sagte kürzlich eine Bekannte zu mir. Sonntage sind also nicht jedermanns Lieblingstag. Bisweilen wecken sie Sehnsüchte nach Etwas was gerade im Leben nicht ist, was Mensch schmerzlich vermisst oder gerne hätte. Meist ist das ein Jemand, der Sonntagsfreude bereiten soll, die man sich selbst nicht bereiten kann. Sehnsucht, natürlich kenne ich die auch und ich mag sie, weil sie mir sagt, was mir fehlt und ich dann überlegen kann, wie ich das bekomme, was mir fehlt.

Die Sehnsucht wird immer dann laut, wenn die Stille in die Räume kriecht und anfängt zu uns zu sprechen. Die Stille, die in der Hektik des Alltags schweigt, weil sie da gar nicht zu Wort kommen kann, inmitten der Betriebsamkeit des täglichen Hamsterrades. Wenn die Stille spricht kann das mitunter schon unheimlich werden, denn dann wird plötzlichall das Gedankengerümpel laut, das wir unter der Woche so schön verdrängen können. Das ist nicht angenehm, aber es ist notwendig. Es ist notwendig um herauszufinden was es in unserem Leben so alles an innerem und äußeren Gerümpel gibt, das danach schreit endlich aussortiert zu werden um Platz zu schaffen für Neues.

Sich vom Gerümpel befreien ist eine wunderbare Beschäftigung für all jene, die nicht wissen was sie an so einem Sonntag mit sich allein anstellen könnten. Gerümpel wegschaffen, genau das mache ich heute. Das ist für mich eine Kunst - die Kunst des Klärens, genauer gesagt. Und es ist die Kunst des Wiederbelebens all dessen, was wir vor lauter Gerümpel nicht mehr sehen können.

Gerümpel wegschaffen kann man Innen und Außen. Egal wo, Hauptsache man fängt erst einmal irgendwo damit an. Außen zum Beispiel, in den eigenen Räumen. Space Cleaning nennt das die Feng Shui Expertin Karen Kingston, die ein wunderbar hilfreiches Buch geschrieben hat, wie man sich vom äußeren Gerümpel befreit um beim Wesentlichen anzukommen. Das geht so: Alles raus aus den Schränken und Kramecken was belastet, alles weg was den äußeren Raum blockiert weil er zugestopft ist mit sinnlosen oder sinnlos gewordenen Dingen, die uns zu nichts mehr nütze sind, außer dass sie uns belasten. Das ist ein herrliches Gefühl, wenn nach so einer äußeren Entrümpelung plötzlich Raum frei wird für Dinge, die wir vor lauter Gerümpel nicht mehr sehen konnten, für Energie, die wieder frei durch den Raum fließen kann und durch unsere Seele.

Übrigens, wer nicht Außen mit dem Entrümpeln anfangen mag, der kann auch Innen anfangen und sich an so einem Sonntag mit sich allein einmal alles aufschreiben, was seinen inneren Raum belastet und seine Lebensenergie blockiert. Space Claening von Innen kann ein kleines Wunder bewirken.
In diesem Sinne: Genießt Euren Sonntag, genießt Euch, genießt, dass es Euch gibt. Vielleicht ist mein Sonntagstipp ja eine gute Alternative um die geschenkte freie Lebenszeit sinnvoller zu nutzen als zu bedauern, was es im Leben gerade nicht gibt.

Herzlich,
Angelika

Samstag, 6. Februar 2016

Aus der Praxis: Aushalten, was wir nicht ändern können



Zeichnung: AW

Kein Mensch ist immer nur stark. In jedem von uns ist Stärke angelegt und jeder von uns kennt auch Machtlosigkeit. Stärke sehen wir als etwas Gutes, wir und die Anderen. Ein starker Mensch ist sogar bewunderswert, sagt man, denkt man. Aber auch ein starker Mensch kennt das Gefühl von Machtlosigkeit. Gerade für starke Menschen ist es oft schwer dieses Gefühl zu akzeptieren. Aber nur indem wir unsere Machtlosigkeit akzeptieren machen wir einen Schritt auf unser wahres Selbst zu. Denn dieses Selbst beinhaltet alles was uns ausmacht, es ist nicht nur der Teil, den wir an uns mögen und den andere an uns mögen. Es ist heilsam die eigene Machtlosigkeit anzuerkennen, denn es bedeutet auch, das Leben anzuerkennen wie es ist. Es gibt Vieles, was wir nicht beeinflussen können, ganz gleich wie sehr oder wie lange wir uns abmühen. Dazu gehört vor allem: Die Veränderung anderer Menschen, das Lösen der Probleme anderer Menschen und die Kontrolle über andere Menschen.

Auch wenn es dabei um einen  Menschen geht, der uns viel bedeutet, wir müssen uns unsere Machtlosigkeit eingestehen, wir müssen anerkennen: Wir sind nicht fähig für ihn zu tun, was er für sich selbst zu tun hat. Ich kenne Menschen, die verzweifelt sind, weil ein ihnen nahestehender Mensch sich selbst erheblich schadet. Ich kenne es selbst. Ich kenne die schmerzhaften, verzweifelten, ohnmächtigen, wütenden, lähmenden Gefühle, wenn trotz allen Redens, aller Appelle, aller Bitten, aller Hilfsangebote, ein Mensch, der uns viel bedeutet, sein Leben zum Unguten hin lebt und alles tut um sich selbst zu schädigen. Das kann der trinkende Partner sein, das kann das kiffende Kind sein, das kann die Mutter sein, die in einem Messiehaushalt lebt und vieles mehr. All diese Menschen übergeben sich ihrer Schwäche und sie verharren darin, weil sie, wie sie behaupten, nicht anders können. Wir aber glauben zu wissen wie sie anders könnten und können nicht begreifen, dass sie keinen Schritt in eine Veränderung machen, die zu ihrem Besten wäre. Sie tun es einfach nicht, sie tun es über Jahre hinweg nicht oder sie beginnen damit es zu tun und hören nach kurzer Zeit wieder damit auf. Und wir stehen ihnen dabei immer zur Seite, wie bringen ein hohes Maß an Mitgefühl und Verständnis auf, wir unterstützen sie emotional, mit Handlungen oder sogar finanziell um am Leben zu halten was sie leben. Wir geben unsere Stärke dem Anderen, der in sich selbst keinen Halt findet und seine innere Stärke sogar abtötet, indem er sich der Schwäche übergibt.

Jeder hat das Recht sein Leben zu leben, wie er will. Das wissen wir und das möchten wir auch. 

Aber wenn jemand sein Leben zum Unguten hin lebt vergessen wir dieses Recht und versuchen alles um ihm das Leben schmackhaft zu machen, das wir für gut und richtig halten. Wir tun das, weil wir es nicht ertragen dabei zuzusehen wie ein Mensch sich selbst nach und nach ins Unglück treibt. Und wir tun es vor allem, weil wir es nicht ertragen ihm dabei zuzusehen, weil es uns schwächt, weil es uns die Lebensfreude nimmt, weil es uns zornig macht und derart frustriert, dass wir unser eigenes Leben langsam aber sicher aus den Augen verlieren.

Die Erfahrung von Machtlosigkeit macht uns zu Opfern. Da nützt irgendwann keine Stärke mehr. Sie verbraucht sich und damit verbrauchen wir unsere Lebensenergie. Wir pumpen sie in die Vergeblichkeit. Im Spiegel sehen wir nurmehr Tag für Tag das bittere Gesicht, das sein Lächeln verloren hat, aus dessen Augen die Angst blickt: Die Angst den Anderen an seine Selbstzerstörung zu verlieren. Ich kenne es. Ich weiß wie schwer es ist, sich aus der Opferrolle zu befreien. Es ist so schwer, weil wir denken: Der Andere gibt mir das ohnmächtige Gefühl, der Andere bestimmt mit seinem Verhalten über mein Glück und über mein Unglück, der Andere zerstört mit seiner Selbstzerstörung mein Leben.
Ist das wahr?
Es ist nicht wahr!

Der Andere lebt sein Leben, wie er es leben will. Wir werden zum Opfer, weil wir nicht zulassen können, wie er es lebt.

Wir selbst machen uns zum Opfer, nicht der Andere uns. Und nicht der Andere kann uns aus der Opferrolle befreien, das können nur wir selbst. Der Andere ist nicht dafür verantwortlich wie wir uns fühlen, wir selbst haben die Verantwortung dafür wie es uns geht. Opfern geht es schlecht, sie sind nicht nur machtlos, sie sind Abhängige. Sie sind Abhängige von Abhängigen, sie sind co-abhängig. Das ist eine Sucht wie die Sucht des Süchtigen. Jede Sucht ist heilbar, wenn man das will. Aber wie wollen, wenn das Herz schmerzt, weil der Mensch, der uns viel bedeutet, sich selbst schadet, wie das Mitgefühl einfach sein lassen, wenn wir es doch fühlen, wie den Schmerz ignorieren, wenn er in der Seele brennt?

Der erste Schritt um aus der Opferrolle herauszutreten ist zu akzeptieren: Wir haben keine Macht über andere und deren Verhalten.

Wir können uns aber unsere eigene Stärke bewusst machen, um nicht mehr Opfer zu sein. Wir können wieder die Verantwortung für uns selbst übernehmen. Wir können uns und dem Anderen klar machen, dass wir uns nicht mehr zum Opfer machen lassen. Wir können uns und ihm klar machen, dass wie es nicht verdient haben zum Opfer gemacht zu werden. Wir können uns und ihm ihm klar machen, dass wir nicht mehr alles für ihn tun werden, dass wir uns nicht mehr alles bieten lassen, dass wir es leid sind Dinge zu tun, die sein selbstschädigendes Verhalten nur unterstützen und nicht ändern. Wir können uns selbst und dem Anderen unsere Machtlosigkeit eingestehen. Und wir können ihm sagen, dass wir ihm das Recht lassen aus seinem Leben zu machen, was er will, egal was es ist. Auch wenn wir im Tiefsten Angst davor haben, all das auszusprechen um dann auch danach zu handeln: Es gibt keinen anderen Weg um aus der Falle herauszukommen. Der andere Weg ist Fallen - mit dem Anderen, der nicht bereit ist seinen Fall aufzugeben.

Damit ist unser Schmerz nicht vorbei, aber damit beginnt der Weg zurück in die eigene Stärke. Stark sein bedeutet manchmal auch: Aushalten was wir nicht ändern können und uns dabei trotzdem gut um uns selbst zu kümmern.


Mittwoch, 3. Februar 2016

Dieses stark sein ...



"Ich fühle mich wie ein alter Ackergaul, ausgelaugt, krumm und buckelig, schwer und müde, sagte sie. Ich bin so unendlich müde vom Kämpfen, ich will mich ausruhen, aber es geht nicht, ich darf mich nicht ausruhen. Wenn ich mich ausruhe bricht alles zusammen. Ich muss für uns sorgen, für mich und mein Kind. Ich bin allein, ich war immer allein mit dem Kind. Der Vater hat sich nicht gekümmert, er hat uns allein gelassen, alles mir überlassen. Jetzt auch. Jetzt wo ich so müde bin, sind wir wieder allein und ich weiß nicht mehr wie ich weiter machen soll. Ich bin so müde. Ich kann nicht mehr!"

Ich hätte ihr sagen können wie stark sie ist, ihr sagen können wie stark sie all die Jahre gewesen war und dass sie da hinschauen soll, auf das, was sie schon alles geschafft hat und auf ihre Kraft und daraus neue Kraft schöpfen könne. Ich hätte ihr Mut machen können, ihr sagen können, dass Aufgeben keine Option ist, dass sie sich nicht aufgeben sollte, sich nicht in diesen müden Gedanken verfangen durfte, die müde Gefühle machen und dass es nur eine vorrübergehenede Schwäche war, gegen die wir gemeinsam etwas tun konnten.

Ich tat es nicht, weil es eine Lüge gewesen wäre. Ich tat es nicht, weil ich ihre Wahrheit sah. Die Frau war müde. So müde, dass jede Intervention nur einen weiteren Kraftakt für sie bedeutet hätte. Sie war so müde, dass sie kurz vor dem Umfallen stand. Sie war so unsagbar müde, dass ihr nur noch ein Wunder helfen konnte.

Ich war ratlos. Ich wusste nicht wie ich ihr helfen konnte. Ich wusste, jedes aufmunternde Wort wäre blanker Hohn gegenüber ihre müden Seele und ihren müden Körper gewesen. Ich sah ihr in die blassen Augen: "Ja, sie sind müde. Ich sehe es, ich fühle es und es tut mir leid." Ich nahm sie in die Arme. Die Frau ließ sich halten wie ein erschöpftes Kind. In jeder Faser meines Körpers spürte ich ihre Schwäche zu mir hin kriechen: "Wissen Sie, sagte sie unter Tränen: "Am meisten schwächt dieses stark sein."



Dienstag, 2. Februar 2016

Das Böse - oder von der Gefährlichkeit des Menschen für den Menschen



Malerei: AW

Vom Bösen sprechen bedeutet von der Gefährlichkeit des Menschen für den Menschen sprechen. Wenn wir verstehen wollen, warum Menschen anderen Menschen "Böses" antun, müssen wir uns mit dem auseinandersetzen, was wir in uns selbst verabscheuen. Diesen Teil von uns wollen wir nicht sehen. Wir neigen dazu ihn zum Schweigen zu bringen, indem wir den bösen Fremden "vernichten", weil er uns ähnlich ist. Die Neigung zum Bösen entspricht der Natur des Menschen. Sie ist eine Empfindung wie das Gute. Das Böse ist das, was uns nicht lieb ist. Und das spalten wir ab.

Ob Völkermorde, Gewaltverbrechen, Fremdenhass, die Demütigung von Menschen durch Menschen - und das sind nur Beispiele für Hass und Gewalt - alle haben eine Gemeinsamkeit: Das Gefühl, das sie erzeugen: das Gefühl der Abscheu vor dem anderen, dem Fremden, der Böses tut. Die mit dem Finger auf das Böse zeigen, sehen sich selbst als "gute" Menschen. Das böse Gegenüber verdient ihres Erachtens die Bezeichnung Mensch nicht. Der andere wird zum Unmenschen degradiert, zum wertlosen, schlechten Subjekt, das nichts Gutes mehr verdient, nicht einmal eine Chance es zu versuchen. Es ist als würde man sich durch diese Anklage selbst reinigen.

Indem man andere als böse bezeichnet, befreit man sich vom Verdacht des eigenen Schmutzigseins.

Das Sauber sein, das Gutsein wird auf diese Weise zum Unterscheidungsmerkmal vom "Nichtmenschen". Dieser wird nicht einmal mehr in seiner individuellen Menschlichkeit wahrgenommen. Er wird verteufelt. Er gehört nicht mehr zur Gruppe Mensch. Er wird zum Subjekt des Hasses. "Am besten aufhängen!" Wie oft hören wir das, wenn ein Täter nicht die von der Gruppe Mensch als gewünscht gerechte Strafe bekommt. Die Gruppe der "Guten" solidarisiert sich. Im Kollektiv verschwinden die konkreten Gefühle des Einzelnen, seine Einstellungen, Moral und Ethik aus dem Blickfeld. Die Persönlichkeit wird auf eine einzige Eigenschaft reduziert: die Zugehörigkeit zur Gruppe und ihren Zielen. Besonnenheit und Empathie verschwinden. Besonnenenheit, die Fähigkeit zu reflektieren, die Fähigkeit zur Empathie sind Grundanlagen des Menschseins. Letztere ist abhängig von den Spiegelneuronen im menschlichen Gehirn. Frauen haben mehr als Männer, Gewalttäter, nach einer Untersuchung des Hirnforschers Gerhard Roth, weniger davon. Das nur nebenbei.

Empathielosigkeit ist die Schranke zur Unmenschlichkeit. Diese zu übertreten ist in der Gruppe leichter.

In der Gruppe verliert der Mensch seine moralischen Hemmungen. Die Gruppe, stets angeführt von einem Ersten, der Impulse setzt, der agiert, baut sich ein Feindbild auf. Gerichtet auf das Fremde, auf dessen Unreinheit, dessen Böses, verfällt der Mensch in die Projektion. Er hat endlich ein Außen, in das er das eigene Fremde, das eigene Böse und die Wut auf die eigene Unreinheit ergießen kann. Carl Gustav Jung nannte das: Die Projektion des Schattens auf das Gegenüber mit dem Ziel das eigene verdrängte Dunkle, Böse nicht sehen zu müssen.

Hitler war ein Meister der Instrumentalisierung diese Phänomens der menschlichen Unterbewussten. Er machte die Juden zum bösen Fremden, das sein Volk zersetzen würde. Er schuf ein kollektives Feindbild um ein Kollektiv zu beherrschen. Die Masse der Deutschen wurde zu Mittätern. Und wie die Gegenwart zeigt - sie ist noch heute zu dazu fähig es wieder zu werden. Heute ist es die Masse derer, die lauthals "Lasst sie alle rein" geschrieen haben und jetzt genau jene zum Feindbild erhebt, denen sie die Grenzen geöffnet haben, weil mit all diesen Fremden eben nicht nur Gutes ins Land getragen wird. Heute wie damals sind es Gruppenzusammenläufe, die sich einen Feind aussuchen, um all das eigene Abgespaltene unreflektiert und voller Hass abzugeben. In der Gestalt des vermeintlichen Feindes kann man den eigenen abgewiesenen Teil des Selbst, das eben nicht rein und gut ist, habhaft werden. Um sich auf diesem Weg vom eigenen Bösen zu befreien beschwören solche Menschen Ungeheuerliches herauf. Sie beurteilen, sie verurteilen, sie klagen an, machen alle gleich und alle zu potentiellen Tätern, die ihr beschauliches braves Leben attackieren wollen. Eine teuflische kollektive Psychose, die zum Selbstverrat des Menschlichen führt und zur inneren Entfremdung des Individuums.

Fremdenhass hat auch immer mit Selbsthass zu tun. Indem wir den anderen "töten" töten wir die Menschlichkeit in uns selbst.

Unter dem Deckmantel einer Law and Order Gesellschaft, die Gehorsam, Moral und Macht glorifiziert, wird der unreflektierte Mensch zum freiwilligen Knecht, im Zweifel zum Schergen einer faschistischen Ideologie. Das beschrieb schon der Philosoph Ètienne de la Boétie im Jahr 1550. Zitat:" Sie leiden darunter Knecht zu sein, aber diese Verlorenen, diese von Gott und den Menschen Verlassenen lassen sich das Unrecht gefallen und geben es nicht dem zurück, er es ihnen antut, nein, sie geben es an die weiter, die darunter leiden, wie sie und sich nicht helfen können."

Auf diese Weise funktioniert die Identifikation mit dem Agrressor, der das Feindbild aufbaut. Mit dieser Identifikation fällt der Mensch jedoch nicht nur auf seine eigenes inneres Nichtgutsein zurück, sondern auch auf die Wunden, die Verletzungen, die Demütigungen, die ihm im Laufe seines Lebens individuell und kollektiv zugefügt wurden. Verletzungen, die er vermeidet wahrzunehmen, vermeidet zu fühlen, denn die Ohnmacht auszuhalten ist unerträglich. Also spaltet er all das was er nicht ertragen will ab ab und übt den Gehorsam, den ihm die Idealisierung der Macht auferlegt, aus dem einen Grunde - um seine scheinbare Integrität zu sichern. Er baut sich ein Feindbild auf an dem er alles was er an sich selbst verachtet, festmachen kann. 

Wer will schon hinschauen auf das eigene Schlechte?

Es schmerzt. Zudem wäre es ein Verstoß gegen das Gebot des Gehorsams, das die Idealisierung der Macht ihm auferlegt.

Der lebenslange Versuch, das eigene Böse zu verdrängen, den eigenen Schmerz nicht zulassen zu wollen, macht den Menschen zum Opfer, das sich immer wieder Täter sucht, um sich selbst nicht in Verantwortung nehmen zu müssen. Und so werden Opfer wiederum zu Tätern.

Die Unvernunft, die Blindheit sich selbst im Ganzen erkennen und begreifen zu wollen, das mangelnde Bewusstsein über die Komplexität des Menschseins mit all seinen Defekten - darin besteht das Prinzip des Bösen. Und es besteht in der Dummheit, der Gefühllosigkeit Gedankenlosigkeit und der Kulturlosigkeit von Menschen. Wenn die Menschen zugrunde gehen, gehen sie an ihrer Dummheit zugrunde. Und wie heißt es so schön: Gegen die Dummheit kämpfen selbst die Götter vergebens.