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Malerei: AW |
Vom
Bösen sprechen bedeutet von der Gefährlichkeit des Menschen für den
Menschen sprechen. Wenn wir verstehen wollen, warum Menschen anderen
Menschen "Böses" antun, müssen wir uns mit dem auseinandersetzen, was
wir in uns selbst verabscheuen. Diesen Teil von uns wollen wir nicht
sehen. Wir neigen dazu ihn zum Schweigen zu bringen, indem wir den bösen
Fremden "vernichten", weil er uns ähnlich ist. Die Neigung zum Bösen entspricht der Natur des Menschen. Sie ist eine
Empfindung wie das Gute. Das Böse ist das, was uns nicht lieb ist. Und das spalten wir ab.
Ob
Völkermorde, Gewaltverbrechen, Fremdenhass, die Demütigung von Menschen durch Menschen - und das sind nur Beispiele
für Hass und Gewalt - alle haben eine Gemeinsamkeit: Das Gefühl, das sie
erzeugen: das Gefühl der Abscheu vor dem anderen, dem Fremden, der
Böses tut. Die
mit dem Finger auf das Böse zeigen, sehen sich selbst als "gute"
Menschen. Das böse Gegenüber verdient ihres Erachtens die Bezeichnung
Mensch nicht. Der andere wird zum Unmenschen degradiert, zum wertlosen,
schlechten Subjekt, das nichts Gutes mehr verdient, nicht einmal eine
Chance es zu versuchen. Es ist als würde man sich durch diese Anklage
selbst reinigen.
Indem man andere als böse bezeichnet, befreit man sich vom Verdacht des eigenen Schmutzigseins.
Das
Sauber sein, das Gutsein wird auf diese Weise zum
Unterscheidungsmerkmal vom "Nichtmenschen". Dieser wird nicht einmal
mehr in seiner individuellen Menschlichkeit wahrgenommen. Er wird verteufelt. Er gehört nicht mehr zur
Gruppe Mensch. Er wird zum Subjekt des Hasses. "Am besten aufhängen!" Wie oft hören wir das, wenn ein Täter nicht die von der
Gruppe Mensch als gewünscht gerechte Strafe bekommt. Die
Gruppe der "Guten" solidarisiert
sich. Im Kollektiv verschwinden die konkreten Gefühle des Einzelnen,
seine Einstellungen, Moral und Ethik aus dem Blickfeld. Die
Persönlichkeit wird auf eine einzige Eigenschaft reduziert: die
Zugehörigkeit zur Gruppe und ihren Zielen. Besonnenheit und Empathie
verschwinden. Besonnenenheit,
die Fähigkeit zu reflektieren, die Fähigkeit zur Empathie sind Grundanlagen des Menschseins. Letztere ist abhängig von den
Spiegelneuronen im menschlichen Gehirn. Frauen haben mehr als Männer,
Gewalttäter, nach einer Untersuchung des Hirnforschers Gerhard Roth,
weniger davon. Das nur nebenbei.
Empathielosigkeit ist die Schranke zur Unmenschlichkeit. Diese zu übertreten ist in der Gruppe leichter.
In
der Gruppe verliert der Mensch seine moralischen Hemmungen. Die Gruppe,
stets angeführt von einem Ersten, der Impulse setzt, der agiert, baut
sich ein Feindbild auf. Gerichtet auf das Fremde, auf dessen
Unreinheit, dessen Böses, verfällt der Mensch in die Projektion. Er hat
endlich ein Außen, in das er das eigene Fremde, das eigene Böse und
die Wut auf die eigene Unreinheit ergießen kann. Carl Gustav Jung
nannte das: Die Projektion des Schattens auf das Gegenüber mit dem Ziel
das eigene verdrängte Dunkle, Böse nicht sehen zu müssen.
Hitler
war ein Meister der Instrumentalisierung diese Phänomens der
menschlichen Unterbewussten. Er machte die Juden zum bösen Fremden, das
sein Volk zersetzen würde. Er schuf ein kollektives Feindbild um ein
Kollektiv zu beherrschen. Die Masse der Deutschen wurde zu Mittätern. Und wie die Gegenwart zeigt - sie ist noch heute zu dazu fähig es wieder zu werden. Heute ist es die Masse derer, die lauthals "Lasst sie alle rein" geschrieen haben und jetzt genau jene zum Feindbild erhebt, denen sie die Grenzen geöffnet haben, weil mit all diesen Fremden eben nicht nur Gutes ins Land getragen wird. Heute wie damals sind es
Gruppenzusammenläufe, die sich einen Feind aussuchen, um all das eigene
Abgespaltene unreflektiert und voller Hass abzugeben. In der Gestalt des vermeintlichen Feindes kann man
den eigenen abgewiesenen Teil des Selbst, das eben nicht rein und gut
ist, habhaft werden. Um
sich auf diesem Weg vom eigenen Bösen zu befreien beschwören
solche Menschen Ungeheuerliches herauf. Sie beurteilen, sie verurteilen, sie klagen an, machen alle gleich und alle zu potentiellen Tätern, die ihr beschauliches braves Leben attackieren wollen. Eine teuflische kollektive Psychose, die
zum Selbstverrat des Menschlichen führt und zur inneren Entfremdung des
Individuums.
Fremdenhass hat auch immer mit Selbsthass zu tun. Indem wir den anderen "töten" töten wir die Menschlichkeit in uns selbst.
Unter
dem Deckmantel einer Law and Order Gesellschaft, die Gehorsam, Moral
und Macht glorifiziert, wird der unreflektierte Mensch zum freiwilligen Knecht, im
Zweifel zum Schergen einer faschistischen Ideologie. Das beschrieb schon
der Philosoph Ètienne de la Boétie im Jahr 1550. Zitat:" Sie leiden
darunter Knecht zu sein, aber diese Verlorenen, diese von Gott und den
Menschen Verlassenen lassen sich das Unrecht gefallen und geben es nicht
dem zurück, er es ihnen antut, nein, sie geben es an die weiter, die
darunter leiden, wie sie und sich nicht helfen können."
Auf
diese Weise funktioniert die Identifikation mit dem Agrressor, der
das Feindbild aufbaut. Mit dieser Identifikation fällt der Mensch
jedoch nicht nur auf seine eigenes inneres Nichtgutsein zurück, sondern
auch auf die Wunden, die Verletzungen, die Demütigungen, die ihm im
Laufe seines Lebens individuell und kollektiv zugefügt wurden. Verletzungen, die er vermeidet
wahrzunehmen, vermeidet zu fühlen, denn die Ohnmacht auszuhalten ist
unerträglich. Also spaltet er all das was er nicht ertragen will ab ab und übt den Gehorsam, den ihm die
Idealisierung der Macht auferlegt, aus dem einen Grunde - um seine
scheinbare Integrität zu sichern. Er baut sich ein Feindbild auf an dem er alles was er an sich selbst verachtet, festmachen kann.
Wer will schon hinschauen auf das eigene Schlechte?
Es schmerzt. Zudem wäre es ein Verstoß gegen das Gebot des Gehorsams, das die Idealisierung der Macht ihm auferlegt.
Der
lebenslange Versuch, das eigene Böse zu verdrängen, den eigenen Schmerz
nicht zulassen zu wollen, macht den Menschen zum Opfer, das sich immer
wieder Täter sucht, um sich selbst nicht in Verantwortung nehmen zu müssen. Und so werden Opfer wiederum zu Tätern.
Die
Unvernunft, die Blindheit sich selbst im Ganzen erkennen und begreifen
zu wollen, das mangelnde Bewusstsein über die Komplexität des
Menschseins mit all seinen Defekten - darin besteht das Prinzip des
Bösen. Und
es besteht in der Dummheit, der Gefühllosigkeit Gedankenlosigkeit und der
Kulturlosigkeit von Menschen. Wenn die Menschen zugrunde gehen, gehen
sie an ihrer Dummheit zugrunde. Und wie heißt es so schön: Gegen die
Dummheit kämpfen selbst die Götter vergebens.