Donnerstag, 24. Dezember 2015

Stille Nacht, unheilige Nacht

 



das ist für alle, denen weihnachten kein fest der freude ist. für alle, die sich nichts sehnlicher wünschen, als dass die besinnlichen tage schnell und möglichst unmerklich an ihnen vorüberziehen.
stille nacht, heilige nacht ... dudelt es schon wochen vor der heiligen nacht über die lautsprecher der kaufhäuser und ich frage mich: was ist uns noch heilig in dieser welt? 

da draußen weht ein eiskalter wind, den nicht einmal der stern von bethlehem erwärmen könnte und mir ist als warteten wir noch immer auf den heiland, der aber nie mehr kommen wird um hier unten wieder heil zu machen, was wir menschen zerstört haben im laufe der geschichte. die unschuld, welcher es bedarf um mir diese hoffnung weiter zu bewahren ist mir längst verloren gegangen. ich habe zu viel gesehen, zu viel erlebt, ich sehe tag für tag all die schicksale um mich herum, die mich zum weinen bringen. weltschmerz? nein. menschenschmerz ist es, der mich traurig macht und meine zuversicht schrumpfen lässt.  

warum lässt gott all das leiden in der welt zu?, fragte mich neulich eine klientin, der schlimmes widerfahren ist. ich antwortete ihr, dass es nicht gott ist, der für das leiden verantwortlich ist, sondern der mensch selbst. für mich ist gott der vater, der seinen kindern das leben schenkt und ihnen mitgibt, was sie brauchen um ein menschenwürdiges leben zu führen, aber seine kinder schaffen das nun einmal nicht, manche weil sie es nicht wollen und manche weil sie es nicht können. da ist jeder vater machtlos, auch der im himmel. gott ist der schöpfer und nicht der macher unseres lebens. das machen wir schon selbst und nicht immer zu seinem und unserem wohlgefallen. wir selbst sind es, die sich ein gutes leben oder eben ein ungutes leben schaffen, letztlich auch durch die fehler die wir machen. aber wir machen sie aufgrund dessen, dass wir menschen sind und damit sind wir eben auch fehlbar. manche von uns machen mehr, manche weniger fehler und mir scheint, die mit den wenigen fehlern sind die glücklicheren unter uns. der, der ohne fehler ist, ist mir noch nicht begegnet.

fehler, ganz gleich ob wir sie bewusst oder absichtlos machen, haben immer auswirkungen. manche dieser auswirkungen sind nicht korrigierbar. solche auswirkungen gibt es in zerbrochenen familien und es sind vor allem die kinder, die darunter leiden. es ist sicher kein fehler wenn sich menschen trennen, deren zusammenleben nur noch eine qual ist, aber es ist ein fehler, wenn zwei erwachsene nach der trennung zu feinden werden und kein gutes haar am anderen lassen. damit lassen sie ihre kinder mit absicht leiden. es sind viele kinder, die dieses weihnachten und schon viele andere weihnachten in der zerrissenheit zwischen mutter und vater erleben -  immer ist da einer, der fehlt, wie sollen sie sich da ganz fühlen? dieser schmerz lässt sich nicht wegfeiern, er lässt sich nicht wegschenken, er liegt wie eine schwere kratzige decke über unzähligen kinderherzen, egal wie alt sie sind. das sind fehler, die vermeidbar sind und werden sie nicht vermieden, sind sie nicht mehr gut zu machen. 

es ist all das nicht mehr gut zu machende das schmerzt. es sind die verluste im leben, die wir erleiden, die schmerzen, die wir uns gegenseitig zufügen und das schmerzt, besonders an weihnachten. warum ist das so? weil wir da besinnlicher werden, weil wir langsamer unterwegs sind, wenn nach der ablenkung des einkaufsrauschs und der festlichen vorbereitungen die stille um sich greift, der sich die meisten so gern entziehen durch ihre rege geschäftigkeit. in der stillen nacht klappt es nicht mehr mit dem davonlaufen und mit dem beschäftigt sein. in der stille werden sie laut, all die unschönen, schmerzhaften dinge, die wir im glitzerlicht der geschmückten einkaufsstraßen in einkaufstüten verpacken. ihr könnt euch nicht freikaufen!, schreien sie uns an.
nein, in den seelen vieler menschen und in den seitenstraßen des lebens glitzert es nicht. da ist es dunkel, beängstigend dunkel, so dunkel, dass es den stern von bethlehem bräuchte um das licht wieder leuchten zu lassen, aber wie gesagt, der ist schon lange nicht mehr am himmel erschienen.
die, die für die weihnachten kein fest der freude ist - davon gibt es so viele. der großvater im pflegeheim, der seine frau verloren hat und jetzt selbst krank und hilfsbedürftig ist und umsonst auf den besuch der kinder wartet, die junge frau, die von der mutter verstoßen wurde, weil sie so, wie sie sie gern gehabt hätte, nicht ist, da ist der junge mann, der seinem vater nicht verzeihen kann, dass er nicht der vater ist, den er sich gewünscht hat, da ist die mutter, die ihrem sohn helfen will, und erleben muss, dass der sohn das nicht will, das sind all die gebrochenen herzen, die ihren glauben an die liebe verloren haben, all die belogenen und betrogenen, deren werte zerbrochen sind,  da sind all die menschen, die im gefängnis sitzen, da sind die unzähligen menschen, die kein dach über dem kopf haben, an weihnachten nicht und das ganze jahr nicht, das ist der mann, der seinen job verloren hat und nicht weiß, wie er die familie ernähren soll, da ist die frau, die schon lange keinen job mehr hat und jeden tag alleine da sitzt in ihrer ärmlichen wohnung und resigniert wartet, dass zeit vergeht, da ist die junge mutter, die die diagnose krebs hat und vielleicht ihr letztes weihnachten erlebt. und da sind all die wohlhabendenden leute, die sich immer mehr vom immer gleichen kaufen und nie satt werden während andere verhungern und da sind all die, die an den bettelern am straßenrand vorbeigehen und sie keines euros würdigen, ganz zu schweigen von all den geprügelten, hungernden, verwahrlosten kindern in der ganzen welt für die weihnachten nichts, aber auch nichts bedeutet.

das ist doch jeden tag so, das sehen wir doch jeden tag um uns herum und im glotzkasten. also - warum fällt manchen von uns all das an weihnachten so besonders schwer in die seele? vielleicht, weil uns mit der geburt des heilands ein versprechen gemacht wurde, ein versprechen, das nicht eingelöst wurde. welch ein fataler nicht korrigierbarer fehler der menschen, die es zu verhindern wussten, damals als einer kam und uns zeigte, was ein mensch sein könnte. 

versuchen wir es, tun wie es -  fangen wir bei uns selbst an, jeden einzelnen tag, nicht nur an weihnachten - besinnen wir uns.

euch allen schöne weihnachten.




2 Kommentare:

  1. Liebe Angelika,
    ja, wer all das nicht sieht, muss mit perfekten Scheuklappen durchs Leben gehen.... Bei Manchem ist der fast schon exzessive Weihnachtsstress bestimmt ein Versuch, die geborgenen, sorglosen, warmen Gefühle der Kindheit wieder aufleben zu lassen. Mir gelingt das nicht. Ich versuche es für meine Kinder, die ja nun auch schon groß sind, aber eigentlich bräuchte ich Weihnachten dafür nicht.

    Aber wenn diese Tage dafür gut sind, dass Menschen wieder weicher werden, sich neu besinnen, wieder mehr füreinander da sind, dann bin ich dafür.
    Ganz liebe (Weihnachts)grüße
    Gabi

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