Mittwoch, 8. Juli 2015
Von Konzepten, Methoden und Theorien
Es erstaunt mich längst nicht mehr, wie sehr diese Welt von Konzepten, Theorien und Methoden bestimmt ist und es erstaunt mich längst nicht mehr, wie viele Menschen sich an Konzepte, Theorien und Methoden halten und darin sogar ihr Heil suchen. Es erstaunt mich daher auch nicht, wie wenige Menschen ich treffe, die selber denken. Die meisten werden gedacht und viele halten Denken sogar für anstrengend und nicht erholsam.
Trotzdem denken sie den ganzen Tag, aber eben nicht selbst, sondern wiederkäuend das, was man ihnen zum Denken als Futter vorwirft, vorzugsweise durch die Medien. Was die Medien vordenken und mit bunten Bildern bestücken wird von den Meisten als das empfunden, was sie ihre Wirklichkeit nennen und danach wird gedacht und gelebt. Je mehr aber unser Denken von Konzepten, Methoden und Theorien anderer gefüttert und beherrscht wird, desto geringer ist der Zugang zu den eigenen Gedanken und vor allem - zu den eigenen Gefühlen.
Konzepte, Therorien und Methoden sind vor allem dazu gut, dass die Leute nicht selber denken und fühlen. Sie dienen der Verdrängung und Abspaltung vor allem jener Gedanken und Gefühle, die man nicht haben will. Sie sind wie eine Glasglocke unter die man sich stellen kann, will man sich abschneiden von dem, was wirklich ist. Wirklich aber ist allein was wir fühlen.
Wer sich auf Konzepte, Theorien und Methoden einlässt, blockiert den Zugang zu seiner Lebensenergie, wer sich gedanklich im Raum einer vorgezeichneten Wirklichkeit aufhält, passt sich ihr an und verliert sein Eigenes - er lässt sich führen, ent-führen aus dem Raum seiner Gefühlswelt in den Raum einer Theorie wie Mensch zu sein hat.
Gefühle sind ungut, wird uns beigebracht, besonders die schmerzhaften wie Wut, Hilflosigkeit, Angst, Ohnmacht, Trauer, Verzweiflung und Schwäche, denn sie führen zu nichts, außer dass Mensch nicht mehr funktioniert - im Sinne der Wirklichkeit, die man ihm vorgaukelt. Schmerzhafte Gefühle müssen abgestellt werden und dazu gibt es jede Menge Konzepte, Theorien und Methoden. Sie alle haben eins gemeinsam: sie dienen der Verdrängung und der Abspaltung. Unsere Welt ist voll von Verdrängern und Abspaltern, voll von Lüge und Selbstlüge und voll von Unlebendigen, die taub sind für sich selbst und das Leben. Sie funktionieren wie Maschinen, die man eingestellt hat und immer wieder mit dem gleichen Schrott programmiert und der Schrott heißt: Wirklichkeit wie man sie uns in den Medien serviert, sauber aufgeteilt in Gut und Böse, nahezu ohne Zwischentöne und ziemlich gefühllos.
Und wie es da drinnen aussieht geht niemand was an, suggeriert der Zeitgeist und den kann man auch in Facebook gut verfolgen. So posten die, die dem folgen, auch wenn es ihnen drinnen so gar nicht gut geht, schöne Bilder vom Feiern und Urlaub und Hunden und Katzen und bunten Blumen und lachende Profilfotos und die strahlenden Sprößlinge (meist ungefragt, weil noch zu klein), und alles ist gut und das ist Lebendigkeit wie sie zu sein hat, damit man ja nicht ins schiefe Licht geraten kann und keiner merkt, was gerade wirklich drinnen los ist, denn das würde ja das Konzept vom Menschen, der sein Leben im Griff hat, ganz schön ankratzen. Und wenn du am Morgen draußen auf der Straße die Nachbarin triffst und ihre verweinten Augen siehst und sie fragst: Wie geht es ihnen?, kommt wie aus der Pistole geschossen: Alles gut.
Alles gut! Auch so ein Konzept um das Fühlen abzuspalten, nur, dass sich damit nichts an dem Gefühl ändert, das sie zum Weinen gebracht hat, sondern nur das Bild, das sie nach Außen abgeben will, nämlich - ich habs im Griff.
Nichts scheint dem Menschen schwieriger als seine Hilflosigkeit zuzugeben, die das Leben eben auch mit sich bringt und eigentlich will das auch keiner wissen. Denn würde es einer wissen, müsste er sich dann vielleicht gar mit seiner eigenen Hilflosigeit auseinandersetzen, die in ab und an überfällt, wenn die Methode der Verdrängung und das Konzept "ich habs im Griff", kurzzeitig mal nicht funktionieren.
Wer sich auf Konzepte, Methoden und Theorien einlässt vergisst eines: Er blockiert den Zugang zu seiner Lebendigkeit. Er wird taub gegen sich selbst, er entflieht seiner Menschlichkeit. Und damit entflieht er dem Leben selbst um dort zu landen, wo man ihm Wirklichkeit, wie sie die Norm zu sein hat, suggeriert. Scheinbar ist das leichter als sich der eigenen Wirklichkeit zu stellen, egal wie sie sich gerade anfühlt, aber das fühlen soll den Menschen ja vergehen, ebenso wie die Emapthie mit sich selbst und mit anderen, so sind sie einfacher mainpulierbar. Ach, ich vergaß, fürs Fühlen haben wir ja die Methode der süßen Katzenfotos.
Wie sagt Arno Gruen so treffend:
Es geht darum, den Kampf um unsere eigene Realität angesichts des allgemeinen Drucks, uns einer verzerrten Realität und reduzierten Wirklichkeit zu fügen, durchzustehen.
Nur dass damit eben einhergeht, sich der eigenen Wirklchkeit erst einmal zu stellen, auch wenn sie gerade mal nicht ins Kozept des funktionierenden Menschen passt.
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