Dienstag, 18. November 2014
Vom Schuster mit den schlechtesten Schuhen
ihr alle kennt ihn, diesen spruch vom schuster, der selbst die schlechtesten schuhe trägt. aber, habt ihr euch mal gefragt, warum der schuster selbst die schlechtesten schuhe trägt? die einfachste aller antworten könnte lauten: weil er so sehr damit beschäftigt ist, gute schuhe für andere zu schustern, dass ihm für das fabrizieren der eigenen gar keine zeit bleibt. gut, dann zieht er eben die alten, ausgelatschten an. wenn er in der werkstatt steht ist das auch nicht schlimm, vielleicht sogar sehr bequem, denn, das wissen wir doch, die bequemsten schuhe sind die schön ausgelatschten. damit ist alles erklärt, oder?
vielleicht ist es aber ganz anders. der schuster kümmert sich um die schuhe der anderen und nicht um die seinen, weil er sich so nicht mit den seinen beschäftigen muss. er kann sich wunderbar ablenken von dem, was er für sich selbst nicht machen will, denn, würde er sich gute schuhe machen wollen, müsste er darüber nachdenken, wie die schuhe aussehen sollen, die er für sich haben will. er müsste über die form nachdenken, den stil, die farbe, das leder, die absatzhöhe usw. das heißt, er bräuchte zeit um sich mit seinen eigenen schuhen zu beschäftigen. zeit, die ihm dann fehlen würde für die schuhe anderer. zeit, in der er vielleicht sogar seinen laden vorrübergehend schließen müsste, oder zeit, in der er überstunden machen müsste. egal wie, er müsste zeit für sich selbst einplanen und sie sich nehmen.
na, so schwer ist das doch nicht, könnte man jetzt denken, also warum nimmt der schuster sich diese zeit nicht? nun, vielleicht ist es ihm nicht wichtig, was er an den füßen trägt, vielleicht ist er sich selbst nicht wichtig genug, um sich ein paar schöne schuhe zu schustern, vielleicht aber ist er so sehr getrieben davon die schönsten schuhe für andere menschen zu schustern, dass er sich selbst gar nicht mehr wahrnimmt, sondern nur noch seine arbeit. die bringt ihm ja auch etwas – anerkennung zum beispiel und die freude derer, die seine schuhe mögen und gerne tragen und sein brot verdient er sich damit schließlich auch. also ist doch alles wunderbar, dem schuster geht es doch gut, auch ohne gute schuhe an den eigenen füßen.
geht es ihm wirklich gut? ich tippe mal: nein, es geht dem schuster nicht wirklich gut. denn, wenn es ihm wirklich gut ginge, würde er gut für sich selbst sorgen und sich selbst gute schuhe machen, bevor er sie für andere macht.
kennt ihr das?
ich kenne das. auch ich habe schlechte schuhe an und allmählich stelle ich fest, sie sind dermaßen ausgelatscht, dass sie nicht einmal mehr bequem sind. ich habe das eine lange zeit lang nicht bemerkt, aber plötzlich fing es an, dass ich beim gehen spürte, dass meine schuhe meine füße nicht mehr festen schrittes über den boden tragen. sie haben eine sehr dünne sohle bekommen, so dünn, dass das gehen in ihnen meine füße sogar ein bisschen wund werden lies. höchste zeit dir neue schuhe zu schustern, mahnten mich meine malträtierten füße und ich dachte, kommt zeit, kommen schuhe, ihr haltet das schon noch eine weile aus. pustekuchen, meine füße quälen mich weiter beharrlich mit schmerzen. und mir wurde klar, sie werden das solange tun, bis ich an einem schönen morgen gar nicht mehr gehen kann. dann muss ich endlich auf das hören, was meine füße fühlen: ich mache den laden eine weile dicht und fange an mir gute schuhe zu machen. ich weiß schon jetzt: wenn ich das tue, werde ich mich besser fühlen, viel besser als die ganze zeit davor. was sich besser anfühlten wird sind nicht nur meine füße, die sich endlich ausruhen dürfen, es wird mein herz sein, das sich freut, dass ich mir endlich zeit nehme für den wichtigsten menschen in meinem leben, mich selbst nämlich.
ich mache das JETZT, weil ich weiß, es geht sich besser in guten schuhen.
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