Manchmal wird alles
zu viel, wir fühlen uns ständig unruhig, gereizt und kraftlos. Wir haben unsere
innere Balance verloren. Unsere Seele und unser Körper stehen auf Daueralarm.
Unsere Welt ist nicht mehr in Ordnung. Wir stecken in einer inneren Krise. Spätestens
jetzt realisieren wir - wenn wir so weitermachen wie bisher verlieren wir uns,
wir erkennen - der ganz normale Wahnsinn lässt sich nicht mehr aufrecht
erhalten, weil unsere Kraft nicht mehr ausreicht unsere Gefühle zu unterdrücken
und gleichzeitig so weiter zu machen wie bisher.
Aber anstatt zu
sagen, wie es uns geht und aufzuhören zu tun, was schon lange nicht mehr geht,
versuchen wir durchzuhalten. Wir funktionieren, wir unterwerfen uns
Sachzwängen, wir
beschweren unseren Kopf mit Unerfreulichem, das nicht das Unsere ist, wir
beschäftigen uns mit Sorgen und Problemen, die nicht unsere sind, wir helfen
da, wo andere nach Hilfe schreien, anstatt uns endlich selbst zu helfen - wir
verschenken unsere Zeit und unsere Kraft, anstatt uns selbst Zeit und Kraft zu
schenken.
Wir
ahnen, dass das nicht mehr lange gut geht und machen weiter, in altbekannter Manier, all das, was von uns erwartet wird und am Ende sind wir vor lauter Sorgen um und für das Wohl anderer so weit, dass wir unsere persönlichen
Bedürfnisse nicht einmal mehr wahrnehmen. Wir sind nah an den Dingen im Außen,
die zu tun sind, so nah an den gefühlten oder echten Erwartungen anderer und
so weit weg von uns selbst, dass wir nicht einmal mehr wissen, wer wir
eigentlich sind, wir sind fremdgesteuert wie ein Roboter, der nur einen Zweck zu
erfüllen hat – er muss funktionieren.
Das kostet immense
Kraft. Und es kostet noch viel mehr Kraft, die wir aufwenden müssen um uns
zusammenzureißen, um nicht zu sagen, was mit uns los ist, uns nicht einfach
gehen zu lassen und das zu tun, was unsere Seele und unser Körper uns sagt – nämlich aufzustehen und uns selbst und den Anderen
zu sagen: So nicht mehr!
Wer seine ganze
Kraft ins Außen gießt ist irgendwann Innen leer. So leer, dass das Leben alle
Freude verloren hat. Wenn wir in diesem Zustand sind ist eins passiert: Wir
haben unser Herz an andere verfüttert und wir selbst haben keins mehr – wir
haben kein Herz mehr für uns.
Wenn wir das
erkennen stecken wir längst in einer persönlichen Krise. Und das ist gut so – denn
in Wahrheit stehen wir vor einer Chance. Im Chinesischen
bedeutet das Wort Krise nämlich nicht nur „schwierige Situation“ sondern Wende und Chance.
In der Tat ist die
Krise die Chance den Teil in unserem Leben in Ordnung zu bringen, der nicht
mehr gut ist, nicht mehr stimmig ist, mit dem, was wir uns vom Leben wünschen. Was
das ist können wir aber erst dann herausfinden, wenn wir uns Zeit nehmen diesen
Teil oder diesen Umstand zu suchen. Das bedeutet zunächst einmal: anstatt anderen unsere Zeit zu
schenken, uns selbst Zeit zu schenken. Wir
müssen uns Zeit schenken um uns anzuschauen was uns in die Krise geführt hat,
erst dann können wir beginnen unseren inneren Wertekatalog zu überprüfen und zu
entrümpeln.
Wir wissen das im
Grunde – aber unser Gewissen steht uns dabei im Wege, wenn es um die Umsetzung
geht. Das sagt nämlich: Das darfst du nicht, das ist egoistisch, du kannst dich
nicht aus deiner Verantwortung ziehen. Und immer dann, wenn das Wort Verantwortung auftaucht, geht es unserem Gewissen um die Verantwortung anderen gegenüber.
Und was, könnten
wir unser Gewissen fragen, ist mit der Verantwortung für mich selbst und mein Leben?
Von Kind an wird
uns Verantwortung beigebracht und sie hat immer mit dem Wohlergehen derer zu
tun, die sie uns beibringen: „Wenn du wütend bist macht das die Mama traurig“, „wenn
du schlechte Noten heimbringst ist der Papa enttäuscht“, „wenn du zu wild und
zu wagemutig bist, hat die Mama Angst“, „wenn du nicht brav bist, ist der
Lehrer böse“, „wenn du nicht mit zu Omas Geburtstag fährst ist die Oma
traurig“, „wenn du keinen ordentlichen Schulabschluss machst, liegst du uns auf
der Tasche“, und, und, und.
Das sind alles
Verantwortungen, die uns überantwortet werden und jede davon ist gut für die Erwartungen,
Wünsche und Befindlichkeiten der Anderen. Niemals wird uns das Wesentliche
beigebracht – die Verantwortung für uns selbst und unsere Erwartungen, Wünsche und
Befindlichkeiten. Kein Wunder, dass wir gegen dieses konditionierte Gewissen
nicht so einfach ankommen.
Irgendwann
sollte es reichen.
Es reicht aber
nicht, die Meisten von uns haben einen ziemlich breiten Buckel auf den diese
Konditionierungen immer wieder ungehemmt reintreten können, sobald wir uns erheben wollen. Bis es wirklich
reicht, bis es nur noch weh tut, bis die gesunde Wut hochkommt, denn leider
muss es oft so weit kommen, bis wir etwas verändern, was uns schadet. Der
Emotionszustand Wut ist ein wunderbarer Antreiber, der dann auftaucht, wenn
alle anderen inneren Warnungen ungehört blieben, er setzt Kräfte frei und damit
kann er einen Veränderungsprozess ins Rollen bringen. Mit der Wut durchbrechen
wir das Muster der Zurückhaltung und werden endlich aktiv. Wir nutzen ihre Kraft um uns die Kraft
zurückzuholen, die wir verschwendet haben mit unserem ewigen
Verantwortungsdenken- und fühlen. Die Wut sagt: Genug ist genug. Und sie sagt:
Du hast genug geschluckt. Es ist Zeit das auszuspucken, was dein Leben
vergiftet. Darüber hinaus kann die Wut kreative Ideen bringen. Sie zwingt uns
nämlich dazu, nach Lösungen für ein Problem zu suchen, die wir vorher nicht
gesehen haben. „Das Gleiche lässt uns in Ruhe, aber der Widerspruch ist es, der
uns produktiv macht“, wusste schon Goethe.
Die
Wut sagt: Zeit für eine Wende. Schluss mit der Selbstunterdrückung. Drück dich
aus! Und
das heißt nichts anderes als das in unserer Welt in Ordnung zu bringen, was wir
verändern können und das sind nicht die anderen, das sind einzig und allein wir
selbst.
Es bedeutet aufzuhören die anderen zu bekehren zu versuchen, aufzuhören
nach Verständnis zu suchen, aufzuhören auf Ratschläge zu hören, die von anderen
kommen und aufzuhören auf die Einsicht anderer zu hoffen. All das wird nicht
passieren, denn wir haben keine Macht über das Verhalten, das Denken oder das
Fühlen anderer. Das Einzige was wir verändern können sind wir selbst. Wir
können uns erheben, aufstehen und auferstehen wie Jesus nach der tiefen Nacht der Seele, ja sagen zu uns selbst und endlich anfangen es für uns
stimmig zu machen – und das heißt herauszufinden und zu tun, was wir wirklich
wollen.
Das
Herausfinden wird dauern. Es dauert bis wir all den Ballast aus unserem
Inneren entfernt haben, den wir aufgenommen haben, von anderen und aus unserer
Biografie heraus. Das ist kein leichtes Werk. Aber es ist ein kreatives Werk,
das mit der Zerstörung beginnt, nämlich mit der Zerstörung alles Alten,
Überholten, Schädigenden, das uns in die Krise geritten hat.
Wenn
wir das getan haben, bleibt vielleicht erst einmal ein tiefes Loch.
Wenn alles
abfällt was wir für unser Leben hielten ist da erst mal offensichtlich nichts
mehr, außer Leere. Aber genau dazu ist diese Leere da – um sie zu füllen, um
etwas zu erschaffen, was sie füllt und zwar aus uns selbst heraus.
Der Rückzug auf den Punkt unserer inneren Ruhe
bewahrt uns vor den unnötigen Problemen im Außen und lässt das wachsen, was wir
zur Bewältigung der Krise brauchen: Selbstvertrauen.
Es wird eine Weile still werden um uns herum, es
wird vielleicht eine große Angst hochsteigen, aber es wird auch etwas sehr
Nützliches geschehen – wir beginnen in dieser Stille zu horchen, auf alles, was
es da unten in diesem Loch gibt und das wird uns erst einmal sagen: Lass dir
einfach mal Zeit zu suchen. Lass dir Zeit, den eigenen
Weg zu entdecken und herauszufinden, was du wirklich brauchst, lass dir Zeit zu
erforschen, welche Dinge und Gefühle in deinem Leben fehlen und was dich
glücklich machen würde.
Dabei ist
es ganz wichtig, dass wir uns nicht selbst täuschen, dass wir überlegen, ob es
wirklich realistische Wünsche sind, die wir haben, oder ob wir uns von einem Bild
blenden lassen, das vielleicht gar nicht mit unserer eigenen Realität
übereinstimmt. Erst wenn wir das
wirklich wissen, macht es Sinn Neues zu beginnen und konkret zu überlegen
wie wir uns unsere Wünsche erfüllen können.
Der
Schlüssel liegt in unseren Fähigkeiten und Möglichkeiten.
Er liegt da, wo
wir uns den Raum geben, uns mit unserer Freude zu verbinden, der Freude an den
Dingen, die wir lieben. Man lebt gut, wenn man tut, was man tun will. Man lebt
gut, wenn man liebt was man tut. Und was wir lieben ist meistens genau das,
wofür wir begabt sind. Nur die Liebe gibt uns den Antrieb eine Sache zu
verfolgen, um diese Begabung zu entwickeln – das ist so in der Kunst und das
ist so in der Lebenskunst. Erst wenn aller fremde
Ballast abgefallen ist, wissen wir was wir wollen, wenn die Fremdbestimmung
aufhört, fangen wir an selbst zu bestimmen. Ich bin mir sicher, wir wissen alle
was wir wollen, wir haben nur Angst es zu wollen.
Aber was für einen
Sinn macht es, sein Leben nicht zu leben zu versuchen, aus Angst es könnte doch
schief gehen und statt dessen in einer selbstschädigenden Schieflage liegen
zu bleiben, nur weil sie vertraut ist? Es macht keinen Sinn. Es führt in die
Sinnkrise.
Nachtrag
Eine
psychologische Studie an der Harvard University ergab:
Was
Menschen glücklich macht ist nicht Geld, Erfolg oder Beziehungen.
Was
glückliche Menschen ausmacht sind zwei Dinge: Sie wissen was sie wollen und
sind dabei es zu verwirklichen.
Das macht
das Leben stimmig – wenn wir genau auf das ausgerichtet sind, was wir lieben.