Sonntag, 2. März 2014

Lieben




Der Vater wollte sie brechen, so hat er es genannt. Sie war ein schwieriges Kind mit einem Dickkopf, sie wollte mit dem Kopf durch die Wand. Die Wand war der Vater. Seine Sicht der Dinge, die er niemals revidierte, seine Strenge, seine Unbeugsamkeit, seine Verbote, seine Wut, die Schläge,wenn sie ungehorsam war, an all das erinnerte sie sich, wenn das Leben etwas von ihr forderte, und wie sehr sie darunter gelitten hatte, dass er sie hatte fügsam machen wollen, damit sie in seine Vorstellung einer anständigen Tochter passte.

Jetzt war sie eine erwachsene Frau und er hatte aufgegeben, er hatte sie verstoßen. Er hatte ihr ihr Andersein nicht verziehen. Sie sei ein wertloser Mensch, hatte er gesagt und dass er keine Tochter mehr habe. Sie hatte sich einen gutmütigen, verständnisvollen Vater gewünscht, einen, der ihr Raum gibt, die zu sein, die sie war und sein wollte. Nicht, dass er ihre Natur nicht erkannt hatte, ihren Hang zur Melancholie, ihre Liebe zu den schöngeistigen Dingen, er hatte sie nicht geachtet, sie kleingemacht und verurteilt. Er hatte sie für lebensunfähig und schlecht erklärt. Eine wie du, hatte er gesagt, findet niemals einen, der sie lieben kann. Für den Vater war sie eine verrückte Träumerin, die irgendwann aufwachen und ihr Scheitern erleben würde.

Sie sah mich an: Sagen sie mir, dass er nicht Recht hat, sagen sie es mir, bitte.
Sagen Sie es mir, antwortete ich.
Ich bin meinen Weg gegangen, ich bin gefallen und ich bin aufgestanden, ich war müde vom Fallen und vom Aufstehen, aber ich bin weiter gegangen, immer weiter. Ich bin noch da. Ich lebe.
Was wollen Sie vom Leben?, fragte ich sie.
Ich will lieben.
Ich sah sie lange an: Wen wollen sie lieben?
Sie lächelte: Mich selbst, mich selbst will ich lieben.

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