Sonntag, 30. März 2014

AUS DER PRAXIS - Vom Verabschieden alter Gefühle





Unverarbeitete Gefühle wie Trauer, Wut, Schuldgefühle und Hass tragen zur Unversöhnlichkeit mit der Vergangenheit bei. Wir halten fest was war, wir lassen es in uns weiterleben und verdammen die Zeit, die die Wunden nicht heilen kann. Die Zeit heilt auch keine Wunden, das ist unsere Aufgabe. Es liegt an uns, das Pflaster behutsam auf die Wunde zu legen und sie zu versorgen, solange bis da nur noch eine gut verheilte Narbe ist.

Narben bleiben ein Leben lang, wer etwas anderes glaubt, hat das Leben nicht verstanden. Wir alle tragen Narben. Diese Narben können hin und wieder weh tun, aber das Weh wird kleiner, wenn es uns gelingt, die alten Gefühle nicht ständig heraufzubeschwören. Indem wir sie immer wieder heraufbeschwören geschieht es nämlich, dass wir immer wieder ähnliche Situationen in unser Leben einladen, obwohl diese Gefühle in der Vergangenheit liegen. Durch unsere unverarbeiteten Gefühle wiederholen wir unbewusst frühere Szenarien, die dann in neuer Gestalt und in ähnlicher Qualität in unser Leben treten.

Unsere Gefühle bestimmen unser In-der-Welt-Sein weitaus mehr als unsere Gedanken.

Wenn ich beispielsweise mit Wutgefühlen in der Welt bin werde ich mich wütend verhalten und damit erhalte ich einen Zustand aufrecht, der mir schadet und ich ziehe ähnliche Energien an. Das entspricht dem Prinzip von Aktion und Reaktion. Wenn wir uns darüber bewusst werden, dass unsere Wut ein altes Gefühl ist, eine alte Wut, dann können wir uns dafür entscheiden, sie gehen zu lassen. Nun geht das aber nicht einfach so. Alte Gefühle sind hartnäckig und lassen sich mit einem: Geh jetzt endlich!, nicht verjagen. Was wir aber tun können ist – sie in ein helleres Licht zu tauchen.

Es ist möglich und zwar indem wir anerkennen, dass selbst Erfahrungen und Geschehnisse, die uns verletzt haben und schmerzhaft waren, uns geholfen haben etwas Wertvolles über uns selbst zu lernen. Jede Erfahrung ist eine Lektion, jede Verletzung lehrt uns, dass wir das, was uns verletzt hat, nicht mehr in unser Leben lassen dürfen, seien es Menschen, die uns gedemütigt, benutzt, belogen und betrogen haben oder Situationen, in denen wir gegen uns selbst gehandelt haben.

Wir werden nicht geprüft, wir werden unterrichtet und unser Lehrer ist das Leben selbst.

Selbst wenn wir als Kind Schlimmes erlebt haben, wir sind noch da, wir haben es überlebt und zwar weil wir stark genug waren es zu überleben, weil wir stärker waren als das, was uns brechen wollte. Wenn wir nun aber weiter auf das Schlimme schauen und den alten Gefühlen immer wieder nachspüren, werden wir uns heute genauso fühlen wie damals als Kind. Wir fühlen die alte Angst, den alten Schmerz, die alte Enttäuschung. Wir schüren sie, indem wir die kratzen die Wunde immer wieder aufkratzen und dann fühlen sie im Jetzt genauso wie damals, in der gleichen Intensität, obwohl wir heute erwachsen sind und wissen - das wird uns keiner mehr antun, denn heute können wir uns schützen und uns wehren.

Wenn wir die Wiederholung früherer Szenarien vermeiden wollen können wir diese Wunde in ein helles Licht tauchen.

Es ist möglich und zwar indem wir uns klar machen, wie stark wir damals waren, wie viel Mut, Willen und Kraft wir aufwenden konnten um zu überleben. Dann finden wir ein neues Gefühl im Schmerz: Das Gefühl von Selbstwirksamkeit. Wenn wir uns auf dieses Gefühl einlassen, empfinden wir Liebe und Wertschätzung für dieses verletzte Kind in uns, dass, so klein und ohnmächtig es war, Mittel gefunden hat um zu überleben. Damit lassen wir ihn gehen, den negativen Aspekt unserer Geschichte. Wir erkennen uns selbst an und vielleicht empfinden wir sogar Liebe für dieses kleine starke Kerlchen in uns selbst, das all dieses Verletzungen so gut ertragen und gemeistert hat, wie es das eben damals eben konnte. Das geht auch mit den Verletzungen in unserem Erwachsenenleben.

Wir haben die Macht abzuschließen, wir besitzen die Fähigkeit zu erkennen – die Lektion von damals ist gelernt. Wir haben durch genau diese Lektion erfahren wie wie wertvoll, wie groß, wie liebevoll oder was auch immer wir sind. Wir können das Alte abschließen, wir haben das Potential, wir müssen es nur benutzen.

Um ein friedvolleres Leben im Jetzt zu führen ist es wichtig jedes schmerzhafte alte Gefühl anzuschauen. Nur indem wir unsere Gefühle anschauen kommen sie in Bewegung und können sich damit verändern und wenn sie das tun können wir anders fühlen und damit die Dinge anders sehen.  Und dann legen wir das Alte behuntsam an den Platz an den es gehört und dort lassen wir es ruhen, in uns selbst, als Teil des Menschen der wir sind - in Dankbarkeit und mit Achtung diesem Gefühl und dieser Erfahrung gegenüber. Wenn uns das gelingt, haben wir es integriert. Integration ist der heilsamste Weg um nicht mehr abzuspalten. Solange wir abspalten und unsere Biografie in gute und schlechte Erfahrungen einteilen, sind wir nicht einverstanden mit all unseren Anteilen und all unseren Erfahrungen, wir sind nicht einverstanden mit dem, was unser Leben ist, wir jammern und klagen und fühlen uns ungerecht behandelt und tragen dem Leben oder anderen Menschen etwas nach. Wir werden verbittert und unversöhnlich mit uns selbst und unserer Geschichte.

Wie fühlt es sich an, sich zersplittert und gespalten, unversöhnlich und verbittert zu fühlen? Es fühlt sich nicht gut an.

Der große Rahmen, der tiefere Grund warum uns Dinge widerfahren ist viel größer als wir es uns vorstellen können. Es gibt Dinge, die wir nie verstehen werden. Aber müssen wir alles verstehen? Wer sagt das? Unser Kopf sagt das, unsere Seele weiß, das wir es nicht müssen. Unsere Seele wartet nicht auf Wiedergutmachung von Außen, sie hat das Potential die Dinge sein zu lassen wie sie sind und sie kann verzeihen, denn sie ist Liebe und Liebe verzeiht.

Wenn wir uns mit dem was uns verletzt hat versöhnen und das heißt nicht es gut zu heißen, verzeihen wir im Bewusstsein, dass alles Vergangene einen Sinn hat, auch wenn wir nicht fähig sin ihn zu erfassen, dann werden wir frei von altem Gefühlsballast, wie leben ohne lebensbehinderne Resentiments und ohne den alten Groll im Jetzt und sind dankbar zu sein.

Dankbarkeit ist der Schlüssel. Dankbarkeit für unser Leben in seiner ganzen Fülle, im Guten wie im Unguten.




Freitag, 28. März 2014

AUS DER PRAXIS - ASAP ! (as soon as possible) - so geht Veränderung nicht





Beginnen wir ein Coaching oder eine Therapie ist der Grund dafür, dass es Etwas in unserem Leben gibt, das wir es,  so wie es ist, nicht mehr aushalten. Bei den meisten Menschen muss der Leidensdruck allerdings sehr hoch sein, bevor sie sich dafür entscheiden, sich Zeit für den wichtigsten Menschen in ihrem Leben, nämlich sich selbst zu nehmen, um ihm ein besseres Leben zu erschaffen.

Veränderung ist ein Prozess. Er erfordert Zeit und den Willen genau hinzuschauen.  Er erfordert Mut  uns selbst nichts mehr vorzumachen und die Kraft und die Klarheit, die Verantwortung für das eigene Leben in die Hand zu nehmen. Im Grunde geht es darum die eigene Wahrheit zu suchen und wenn man sie entdeckt hat, sie mit neuen Werkzeugen umzusetzen, um ihr gemäß zu leben.

Die Suche nach der eigenen Wahrheit ist eines der schwersten Unterfangen, die wir beginnen können. Sie zu finden ist alles andere als einfach. Wir sind zu voll mit Glaubensmustern, die wir längst für unsere Wahrheit halten, zu voll mit Überzeugungen und Gewohnheiten, die wir so tief und so lange verinnerlicht haben, dass sie uns als wahr erscheinen.

Der Prozess der Veränderung ist schwer und er fällt uns schwer. Ohne den festen Willen stetig bei der Sache zu bleiben, macht es keinen Sinn ihn überhaupt zu beginnen.

Ich erlebe oft, dass Menschen zu mir kommen und den Willen bekunden sich auf sich selbst einzulassen und ihr Leben zu ihrem eigenen Besten neu zu gestalten. Dann dauert es nicht allzu lange und der Wille wird zur Last und die Gestaltung zur Mühsal, denn sie merken, dass der Weg zu sich selbst Arbeit ist und zwar manchmal auch eine Unangenehme. Denn was sich mit der Zeit zeigt, ist eine Schieflage im eigenen Selbstbild. Das führt zu einer gefühlten Erschütterung desselben. Es erfordert menschliche Größe sich selbst einzugestehen, dass vieles, woran man glaubt und vieles von dem wie man agiert, selbstschädigend ist.

Das ist der Moment wo es sich entscheidet wie ernst es jemand mit sich selbst meint. Der Moment wo die Bequemlichkeiten alter Gewohnheiten und automatisierter Verhaltensweisen siegen oder verlieren. Viele brechen hier ab. Sie gehen dorthin zurück, wo sie standen als der Ruf der inneren Stimme oder die Unerträglichkeit des alten Zustandes, oder ein Weckruf von Außen so massiv waren, dass sie den Weg zu beschreiten bereit waren. Sie gegen zurück und verlieren und zwar wieder sich selbst.

Aber der Ruf wird wieder kommen und wenn er wieder kommt, wird er lauter und massiver sein als der erste und im Zweifel ein wenig schmerzhafter. Er kommt wieder, solange bis wir ihm folgen und dem inneren Schwellenhüter namens Selbstsabotage, mit einem mutigen: "Ich will und ich tue es, auch wenn es eine Zeitlang anstrengend wird",  in sein fieses Gesicht schauen.

Veränderung geht nicht von heute auf morgen. Wie können wir glauben verändern zu können, was wir über Jahrzehnte genauso so machen wie wir es machen? Weil wir schnelle Ergebnisse wollen.  ASAP! as soon as possible! lautet der Ruf des Zeitgeistes der Menschen antreibt und wegtreibt von sich selbst und dem inneren Frieden, den sie sich ersehnen. Ersehnen, aber nichts dafür tun wollen, denn das ist eben ASAP unmöglich, es braucht Zeit, Geduld und Durchhaltevermögen.

Nur wenn wir uns dafür entscheiden kann der Prozess beginnen. Er beginnt mit dem Aufdecken alter schädigender Muster und mit dem Bewusstmachen derselben. Dann folgt die Selbstbeobachtung: Wann und wie, in welcher Situation, in welchem Kontext, durch welche Auslöser zeigen sie sich? Der nächste Schritt ist das Finden und Erlernen neuer fördernder Handlungsweisen. Es folgt weiter die Selbstbeobachtung und das kontinuierliche Anwenden der neuen fördernden Handlungsmuster. Das Mittel heißt dann schlicht und gar nicht einfach: Üben, üben, üben. Das ist eine schwere Übung, ASAP geht das nicht.

Was an diesem Punkt in den meisten Fällen eintritt ist die Phase der Verunsicherung. Wir sind uns zwar jetzt der destruktiven Muster bewusst und werden uns ihrer im Laufe des Prozesses immer bewusster, aber wir haben die fördernden Handlungsmuster noch nicht verinnerlicht. Sie kämpfen in den zugemüllten Speichern mit den alten Mustern, um ans Licht zu kommen.

Das ist anstrengend. Das fühlt sich an als stehe man plötzlich in einem Niemandsland, in dem das Alte nicht mehr sein soll und das Neue noch nicht ist – sprich: Es ist noch nicht in Fleisch und Blut übergegangen. Die alten Muster sind zwar identifiziert aber die Macht der Gewohnheit, die neuronalen Verknüpfungen, die altes Denken, Fühlen und Handeln als Programm gespeichert haben, sind damit nicht gelöscht. Wir versuchen zwar das alte Muster zu vermeiden, können es aber nicht automatisch, also nicht ohne bewusst zu reflektieren abschalten und daher die neuen Handlungsoptionen nicht ohne willentlichen Kraftaufwand abrufen.

Das bedeutet - im Moment wo es ums Handeln geht wissen wir nicht mehr was wir machen sollen – wir sind verunsichert und das macht uns Angst. Das ist der Punkt an dem bei vielen Menschen letztere siegen. Sie erkennen – es wird schwierig. Willkommen Schwellenhüter! Und sie denken: Schwierigkeiten gab es doch vorher schon genug. Dass es sich dabei um ganz andere Schwierigkeiten handelt wird dabei übersehen. Schwer ist schwer und das will ich doch eigentlich nicht mehr, darum bin ich doch in die Therapie gegangen. Welch ein Trugschluss, denn die Überwindung genau dieser Schwierigkeit ist notwendig um die alten, wirklichen Schwierigkeiten aufzulösen.

Üben, üben, üben und wieder üben. Das ist der Weg der uns dahin führt wo wir sein wollen. Ein langer Weg dessen Ziel wir selbst sind - und zwar der, der sich wohlfühlt in seiner Haut.

Innere Arbeit ist anstrengend aber sie macht Sinn. Wenn wir uns das jeden einzelnen Tag bewusst machen, verinnerlichen wir diesen Gedanken und handeln danach, auch wenn es Zeit braucht. Es ist anstrengend wenn wir im Alten gefangen sind und es braucht Geduld und Mitgefühl mit uns selbst uns daraus zu befreien. Es ist ein langer Weg mit Höhen und Tiefen, mit immer wieder neuen Versuchen und Rückfällen, aber auch mit erstaunlichen Erfolgen.

Es hilft also nicht aufzugeben, weil es mühsam ist oder uns dafür zu verurteilen, dass es nicht ASAP geht, dass es nicht so schnell klappt, wie wir es gern hätten. Wir dürfen uns nicht dafür verurteilen, dass uns trotz des neuen Wissens das Alte im Griff hat, denn uns selbst verurteilen und uns klein machen - das haben wir lange genug getan. Das ist eines der alten Muster, eines von vielen, die uns geschadet haben und uns schließlich dahin geführt haben, wo wir jetzt sind: Auf dem Weg uns ein guter Freund zu werden. Gute Freunde haben eine Engelsgeduld, sie geben uns Zeit, alle Zeit der Welt, wenn wir sie darum bitten.

Geben wir uns Zeit. Zeit hat die Qualität eines Heilers bei allen Qualitäten, die sie sonst hat und diese Qualität ist bei weitem ihre Kostbarste. Wir können sie nutzen, wenn wir uns ihrer bewusst sind. Es braucht Zeit um zu lernen den Rest unseres Lebens gut für uns zu sorgen, Zeit zum Umsetzen und Zeit es zu leben. Für die Zeit des Wandlungsprozesses ist es wichtig Mitgefühl mit uns selbst zu üben, um das zu lösen und zum Guten zu wenden, was nicht gut für uns ist.

Die alten Muster werden sich wehren, sie werden um ihr Überleben kämpfen, sie waren doch so lange die Nummer Eins in unserem Unterbewusstsein. Sie werden mit Macht versuchen uns wieder einzunorden um ihre Existenz zu erhalten. Bei der überwiegenden Zahl der Menschen gewinnen sie.
Bei jenen, die sich ihnen wissend, mutig und empathisch zuwenden, werden sie am Ende zu Freunden, die uns den Teil von sich schenken, der fördernd für uns ist.

ASAP geht das nicht. 



von der beschämung ...

scham ist ein bedrängendes gefühl
scham wühlt uns innerlich auf
scham weckt in uns den wunsch in den boden versinken zu wollen
scham ist das grausame gefühl des vernichtet werdens
scham verschägt uns die sprache

scham ist eine wunde am selbst























scham entspringt der interaktion zwischen einem ich und einem du
scham entspringt einer bewertung mit dem ziel der wertminderung
verbunden mit negativen urteilen über das fremde sein
jemanden mit absicht beschämen heißt: den anderen im innersten kern demütigen um ihm die würde zu nehmen

beschämung ist das mittel des schamlosen um den anderen herabzudrücken ins bodenlose
jemanden beschämen heißt immer: macht über den anderen haben wollen

ein kind beschämen ist seelische grausamkeit





Dienstag, 25. März 2014

crisis - what crisis?





die krise der gegenwart liegt unter anderem darin begründet, dass die verschiedenen milieus sich nicht mehr zu einem sozialen gefüge verbinden, das zwar ungleichgewichte, beschädigte teile und pathologische störungen kennt, sich aber als ein einander bedingendes und von einander abhängendes ganzes begreift.

die zunehmend radikale trennung der milieus führt zu einer abspaltung in "funktionieren" und nicht "funktionieren", in "wertvoll" und "wertlos" - was nichts anderes bedeutet als - wir entkoppeln damit menschen von menschen.
moral beruht nicht auf bloßem pflichtgefühl.  
moral fordert uns auf unseren eigennutz zu begrenzen 
und über uns selbst hinauszublicken - zum wohl anderer.

Montag, 24. März 2014

ich bin für euch da ...






                                                   www.wende-praxis.de



AUS DER PRAXIS - Wann es Zeit ist ins Leere zu springen





Wir alle kennen das, auch wenn äußerlich alles zu funktionieren scheint, in unserem Innersten meldet sich ein Gefühl, als würden wir in einem Labyrinth feststecken und den Ausgang nicht finden. Alles fühlt sich bedrückend und freudlos an, unsere Kraft lässt nach, wir sind ständig erschöpft und spüren keine Lebensfreude mehr. Wir können nicht genau sagen, wann und wo wir uns verlaufen haben, aber wir spüren – wir sind auf dem falschen Weg.

Das Leben verläuft nicht episch. Wir alle kommen immer wieder vom Weg ab, auch das ist Leben. Wenn wir das spüren, bekommen wir es mit der Angst zu tun. Dann neigen wir dazu uns selbst etwas vorzumachen und alles zu beschönigen: “So schlimm ist es nicht, ich muss nur weitergehen und nicht nach links und rechts schauen, das wird schon wieder wenn ich mich noch mehr anstrenge, es wird alles gut, wenn ich nur noch ein bisschen weiter aushalte.“

Auf diese Weise treten unsere Abwehrmechanismen in Aktion, wir verdrängen, dass wir korrigieren müssen oder den Weg sogar verlassen müssen, wenn alle Korrekturversuche immer wieder gescheitert sind. Wenn sich eine Situation lange Zeit ungut anfühlt und alle Versuche sie zu verbessern nichts helfen, können wir sicher sein – sie ist ungut, egal ob wir das nun wollen oder nicht. Aber trotzdem kämpfen wir tapfer weiter am selben Ort mit den gleichen Umständen oder mit den gleichen Menschen. Wir möchten nichts mehr verlieren, weder Umstände noch Menschen, wir haben genug von den ewigen Veränderungen, den ewigen Enden und Neuanfängen. Wir wollen nicht mehr von Vorne beginnen, wir sind ihn leid, den ewigen Wandel.

Es fällt uns schwer uns einzugestehen, dass wir am Ende eines Weges angelangt sind. Doch das Gefühl des Feststeckens lässt sich nicht wegdenken, weder durch unsere Angst, noch durch unsere Hoffnung, dass es doch noch gut werden wird. Das Gefühl entspringt der Stimme unseres Herzens, die sich durch nichts wegdrücken oder täuschen lässt – sie ist so hartnäckig, dass sie sich nicht ignorieren lässt.

Wenn wir diese Stimme hören sollten wir inne halten, eine Pause einlegen, unseren ganzen Mut zusammennehmen und ehrlich uns selbst gegenüber unser Leben betrachten. Wir sollten uns fragen, ob wir auf dem Holzweg sind, wo wir uns selbst etwas vormachen, damit wir nichts ändern müssen.   

Wenn wir ehrlich zu uns selbst sind spüren wir ob unsere Lebensenergie zum Stillstand gekommen ist, ob wir uns zu Dingen zwingen müssen, die uns einmal leicht gefallen sind, ob wir nur noch reagieren, anstatt zu agieren. Wir erkennen wo wir nur noch mechanisch handeln, ohne Freude und ohne Lust an dem, was wir tun.

Vielleicht stellen wir fest, dass wir uns selbst verloren haben, dass eine Sache oder ein anderer Mensch unser Leben beherrscht und, dass wir nicht mehr über Herr im eigenen Haus sind. Vielleicht gibt es etwas, dass wir mit immer größerem Kraftaufwand in Ordnung bringen möchten, obwohl es uns umso mehr Probleme macht. Vielleicht wissen wir auch schon längst nicht mehr was unser Leben ist, was uns wirklich wichtig ist und wofür sich unser Einsatz an Gefühlen, Gedanken, Zeit und Energie lohnt. Wir fühlen uns in der Defensive, wir sind geschwächt, unser Verstand ist wie betäubt und unsere  Gefühle sind mit so viel Fremdem überladen, dass wir nicht mehr wissen, was wir selbst fühlen.Wir stecken in einer Sackgasse und es ist kein Wunder, dass wir den Ausgang aus dem Labyrinth nicht finden. Die einfache Wahrheit ist – wir sind am falschen Platz oder mit den falschen Menschen zusammen. Das ist zunächst eine erschreckende Erkenntnis, wie jede Wahrheit, die uns die (Selbst)Lüge erkennen lässt. Diese Wahrheit ist hart, sie ist erbarmungslos, sie stürzt uns noch tiefer in die Angst. Aber die Angst hat einen Sinn. Durch die Angst begreifen wir –  wenn wir nicht emotional zugrunde gehe wollen, müssen wir handeln.

Handeln im Angesicht des Unbekannten ist eine der schwersten Herausforderungen im Leben, die wir nur widerwillig und nur dann, wenn es unaushaltbar geworden ist, bereit sind anzunehmen. Wenn wir allein sind und keine Unterstützung haben ist es um ein Vielfaches schwerer.

Was dann?
Geben wir unserer Seele Zeit und die Chance uns zu sagen, was sie braucht. Machen wir uns bewusst, dass wir hier stehen wo wir stehen, weil das Universum uns sagen will: "Pass auf dich auf, so kannst du nicht weitermachen!" Nehmen wir es als ein wohlmeinendes Zeichen, das uns hilft zu vertrauen und uns Mut macht zu verändern, was zu verändern ist. Und – bitten wir das Universum: "Zeig mir den nächsten Schritt."

Auch wenn uns der nächste Schritt dadurch nicht sofort klar ist und Veränderungen nicht von heute auf Morgen geschehen, es macht keinen Sinn auf einen Weg zurückzugehen und uns von Neuem mit etwas zu konfrontieren, dass uns nicht gut tut. Durchtrennen wir die Fesseln, die uns binden, damit wir wieder unseren eigenen Rhythmus finden, damit wir auf unseren eigenen Weg zurückfinden, trotz der Angst. Es sollte uns viel mehr Angst machen etwas fortzusetzen, dass uns schwer macht, als den Sprung ins Ungewisse zu wagen, der etwas Neues in unser Leben bringt, etwas, das uns weiterbringt, auch wenn wir es noch nicht erkennen können. Manchmal müssen wir einfach ins Leere springen im Vertrauen, dass sich das Netz unter uns auftut. Das ist Gottvertrauen.Wir können nicht tiefer fallen, als in seine Hand.





Sonntag, 23. März 2014

das gesicht spricht, auch wenn wir schweigen. 
es erzählt uns etwas über die persönlichkeit des menschen und je älter wir werden, 
desto tiefer ist die persönlichkeit in es eingegraben.


was so alles als Liebe gilt ...




Was gemeinhin unter "Liebe" verstanden wird, sind oftmals nur projizierte Mängel, namenlose Sehnsüchte, Bedürftigkeit, Erwartungen, Ängste, Anziehung, Faszination, Erwartungen, Kontrolle, Besitzansprüche und Brauchen.

Wenn diese „Liebe“ zurückgewiesen wird, endet sie schlagartig in einem narzistisch gekränkten „nicht mehr Brauchen“.

Wahre Liebe ist von all dem unabhängig – sie ist. Nicht mehr und nicht weniger. 

AUS DER PRAXIS – Über die therapeutische Dimension des Tagebuchschreibens oder vom Sinn der autobiografischen Selbstreflexion




Heute Morgen stand ich mit einer Mischung aus Zweifeln und Neugier vor den letzten ungeöffneten Umzugskartons, prall voll mit einer Unzahl an Tagebüchern, in meiner neuen Behausung.
Ich habe lange überlegt, ob ich die Kartons samt Inhalt einfach in die Tonne werfen soll. Ich bin im Reduzierungsmodus und das, dachte ich, ist doch eine gute Gelegenheit mich von  Ballast zu befreien, der mir Platz nimmt für das Neue, das in mein Leben treten soll. Reduzieren heißt nichts anderes, als Platz schaffen, für die Dinge, die wir wirklich brauchen. Also, habe ich mich gefragt: Hand aufs Herz, brauchst du die alten Tagebücher wirklich?  
Die Neugier war stärker als der Wunsch nach Reduktion. Also habe ich einen Karton geöffnet, eins meiner alten Tagebücher herausgenommen, mich in den Sessel in meinem Arbeitsraum gekuschelt und die erste Seite aufgeschlagen. Eine Stunde später hatte ich es ausgelesen. Es war erstaunlich zu erfahren wie ich vor noch nicht allzu langer Zeit gefühlt und gedacht habe, über die Dinge wie sie sind und wie sie nicht sind und ich stellte fest, es hat sich eine Menge verändert in meinem Denken und Fühlen seit damals. Ich war zufrieden mit dieser Erkenntnis und dachte: „Wow, du hast eine erstaunliche Entwicklung gemacht.“ Zur Belohnung gab es einen zweiten Milchkaffee und ein „Danke!“ ans Universum.
Schreiben ist autobiografische Selbstreflexion. Das kann jeder bestätigen, der Tagebuch führt. Wenn wir unsere Erlebnisse und Erfahrungen schreibend aufgreifen und niederschreiben tun wir Zweierlei: Wir gestalten, Wort für Wort, in geschriebener Sprache, und damit sind wir schöpferisch tätig. Tagebuch schreiben ist viel mehr als uns Worte gefügig zu machen um unser Innerstes auf weiße Seiten zu bannen, es ist ein Tauchgang in die eigene Tiefe. 
Wenn wir über das schreiben, was uns bewegt, halten wir nicht nur fest, was uns im Leben begegnet, wir holen quasi absichtslos unser Unbewusstes nach oben, wir entdecken unsere unbewussten Neigungen und Wünsche. Der kontinuierliche Schreibprozess führt uns immer wieder zu ähnlichen Themen, die in unserem Leben eine wichtige Rolle spielen. Wir erkennen zum Beispiel, was uns fehlt und was wir wirklich wollen.
Tagebuch schreiben erweitert und öffnet die Sicht auf die Anteile unseres Wesens, die im Alltagstrott untergehen. Es ist nicht neu, dass sich dieses Phänomen therapeutisch nutzen lässt. Ähnlich wie das Gespräch in der Therapiestunde ist Schreiben eine Form des Selbstausdrucks. Wir drücken aus was sich im Laufe des Tages in uns eindrückt und durch den Akt des Niederschreibens entlasten wir uns von Bedrückendem. Wir kommen ins Handeln, indem wir aufschreiben was in uns vorgeht, und das Wunderbare ist – wir fühlen und sehen das Ergebnis unseres Handelns unmittelbar. Wir geben unserer Kreativität Raum während die Hand mit dem Stift über das Papier gleitet und wir verwandeln uns gleichzeitig in den Beobachter unserer eigenen kleinen Welt, innen wie außen, wir bekommen nicht nur Einsichten in das Beobachtete, wir kommen uns selbst näher – unseren wahren Gefühlen und Gedanken, unseren Hoffnungen und Wünschen, unseren Freuden und unseren Ängsten und auch den Dingen, von denen wir mehr machen und jenen, die wir lassen sollten.
Einem guten Freund hat das Schreiben sogar zu einem Wunder verholfen. Er hat es geschafft mit Hilfe des Tagebuchschreibens sein Alkoholproblem in den Griff zu bekommen, weil er es nicht mehr ertragen konnte, dass er jeden Morgen nach einem versoffenen Abend hineinschrieb wie mies er sich nach dem Aufwachen fühlt und wie ungut das Gift für seinen Körper, seine Seele und seine Beziehungen ist. Bis heute ist er trocken.
Das Wunder beim Schreiben ist – wir sind ehrlich zu uns selbst, wir müssen uns nicht verstellen, nichts verschweigen, was nicht sein darf oder von anderen nicht gehört werden darf, wir kommen zu unserer eigenen Wahrheit und sie liegt vor uns, schwarz auf weiß. So klar, dass wir die Augen nicht mehr davor verschließen können und irgendwann ändern, was zu ändern ist und tun, was zu tun ist.
Worte sind eine Form des Handelns und sie sind fähig Veränderungen zu bewirken.
Das Tagebuchschreiben ist eine Kraftquelle und zugleich eine wirksame Methode unsere Kreativität zu pflegen oder wenn sie blockiert ist, wiederzuerwecken. Ich schreibe Tagebuch seit ich denken kann und ich schlage jedem meiner Klienten vor es zu tun. Es ist ungeheuer befreiend all das Zeug niederzuschreiben, das zwischen uns und unserem Leben steht, dem Leben, das wir uns wünschen und das wir verdient haben, weil wir wertvoll sind. All das Wertlose ist das kleinliche, sinnlose, ärgerliche, Wut und Frust machende Zeug, das wir zulassen, weil wir es im täglichen Hamsterrad gar nicht mehr bewusst wahrnehmen. 

Tagebuchschreiben fördert die Wahrnehmung und zwar auf das Unwesentliche und auf das Wesentliche.
Nun meint so mancher: "Ich kann nicht schreiben, ich habe es nicht mit den Worten, oder: "Das muss doch gut klingen, was ich da rein schreibe und außerdem, für so was habe ich keine Zeit."
Ist das wirklich wahr?
Nein.
1. Jeder kann schreiben. Es ist das Erste, das wir lernen, wenn wir in die Schule gehen.
2. Wir alle haben es mit den Worten, sie sind das Mittel, das wir jeden Tag benutzen um in dieser Welt zu kommunizieren, meist mit anderen. Also warum nicht mit dem wichtigsten Menschen in unserem Leben kommunizieren?
3. Wir haben Zeit! Ziehen wir die Zeit ab, die wir an Unwesentliches verschwenden, haben wir unendlich viel Zeit und damit auch Zeit für uns selbst.
Tagebuchschreiben ist Nahrung für die Seele, allein dadurch, dass wir sie hören und dadurch, dass sie gehört werden darf, endlich und zwar mit Allem was sie beschäftigt, im Guten wie im Unguten. Das Tagebuch ist kein Zensor, es ist ein geschützter Raum in dem alles, aber auch alles, seinen Platz haben darf, es ist ein Ort, an dem wir unser reizüberflutetes Gehirn entmüllen dürfen und zwar ohne Wertung von Außen und von Innen, sprich – durch uns selbst. Es geht nicht darum uns wieder einen Platz zu suchen, an dem wir uns selbst beurteilen oder verurteilen für das, was nicht ist und was wir nicht sind, oder für das, wie wir es gern hätten und wie wir gerne wären – es geht darum einen sicheren inneren Ort zu besitzen, der uns als der Mensch aufnimmt, der wir zu diesem Zeitpunkt, an dem wir schreiben, sind. 

Das Tagebuch ist ein Ort, an dem wir mit uns selbst in Verbindung treten.
Aus all diesen Gründen ist das Führen eines Tagebuchs eine der hilfreichsten Methoden um Ordnung in unser Innenleben zu bringen. Indem wir schreibend über uns selbst nachdenken gegen wir einen kreativen Weg der uns hilft unsere eigene Identität fassbar zu machen. Und das Beste an allem: Schreiben hat etwas zutiefst Meditatives und führt zur Stressreduzierung.

Ach, fast hätte ich es beim Schreiben vergessen – ich habe die Kartons in aller Muße ausgeräumt und mein in Worte gefasstes bisheriges Leben mit Achtung und Dankbarkeit behutsam ins Bücherregal gelegt.



LEBEN




Es war ein eiskalter Morgen im März. Ich stand auf dem Münchner Hauptfriedhof am Grab meiner Mutter und fühlte nichts. Ich stand da, wie festgeklebt auf dem gefrorenen Boden und starrte abwechselnd in das schwarze Loch in das sie gleich den Sarg hinunterlassen würden und auf die viel zu großen schwarzen Schuhe an meinen Füßen, die meinem Vater gehörten. Er hatte sie mir geliehen, weil ich vergessen hatte, meine einzupacken. Während ich so da stand, überrollte mich ein Gefühl, das mir die Luft abschnürte. Nach Atem ringend, dachte ich: Das ist dein Leben Paul, du gehst in Schuhen, die dir nicht passen.

Das war der Moment in dem ich beschloss aus diesem Leben auszusteigen. Aber mir war klar, so einfach würde ich den Ausstieg nicht schaffen. Man geht nicht so einfach, man streift Menschen, die einen lieben und an die man gewöhnt ist, nicht ab wie ein Paar zu große Schuhe. Da sind Erinnerungen, die dich fest halten, da ist das Versprechen, das du gegeben hast, da sind die Verpflichtungen, die du eingegangen bist und da ist das Schuldgefühl, das hochkriecht bei dem Gedanken, diese Menschen alleine zu lassen, sie zu verlassen. Und warum? Weil man selbst es nicht mehr aushält wie es ist.

Ich war im Begriff ein Verräter zu werden. Ich war bereit gegen die Moral der Spießerwelt in der ich dahinvegetierte, zu verstoßen, bereit mich selbst auszustoßen, ohne zu wissen, wohin das führen würde. Das Gefühl von Leere in diesen zu großen Schuhen an meinen Füßen war so unerträglich wie mein Leben. Ich musste da raus, sonst würde ich vor die Hunde gehen und dort landen wo jetzt gleich meine tote Mutter landen würde – in einem schwarzen Loch. Ich musste leben bevor ich sterben musste. Ich spürte wie mir plötzlich die Tränen in die Augen schossen, ja, ich wollte leben. Das Bittere war, ich wusste nicht einmal mehr, was das bedeutete.