Samstag, 3. August 2013
zwei mal loslassen
anna versuchte es, sie versuchte es mit einem solchen kraftaufwand, dass ich das gefühl nicht los wurde, sie brauchte neunzig prozent dieser kraft um sich selbst zusammenzuhalten. ihr kampf mit der vergangenheit beherrschte ihr leben. ja so könnte man sagen. ich versuchte mir vorzustellen, wie sich das anfühlte, dieser kraftaufwand, dieser innere kampf gegen etwas, das so machtvoll zu sein schien, dass es alles andere in den hintergrund drängte. das andere - das leben jetzt mit mir, mit sich selbst und den anforderungen, die dieses leben an sie stellte.
in der grauen stunde zwischen nacht und tag, in der ich sie, wie so oft, am fenster sitzend fand, versunken in eine welt, deren bilder ich nicht kannte, fragte ich sie, warum sie nicht loslassen konnte, oder wollte. ein wollen musste doch ein können bewirken, dachte ich.
anna antwortete, dass sie wolle, ihr das wollen aber rein gar nichts nütze, weil es nicht ihre alleinige vergangenheit war, weil ihre vergangenheit eng verknüpft war mit der eines anderen. der andere, der gelitten hatte, wie sie, durch sie, wie anna glaubte. dieser unverrückbare glaube verantwortlich zu sein für eine andere vergangenheit, das würde zwei mal loslassen bedeuten und das sei noch viel schwerer als das einmal loslassen. wenn es nur ihre vergangenheit gewesen wäre, hätte sie frieden schließen können. aber so sei es nicht und deshalb sei es, wie es sei.
ihre worte trafen mich ins herz. ich wusste, wie es war, wenn man sich das glück für einen anderen wünschte und freiheit und vergessen. ich wünschte es mir für anna und ich wünschte es mir für die, die ich verletzt hatte.
hilflos, müde und erschöpft von den schweren gedanken in unseren köpfen und der traurigkeit in unseren herzen saßen wir da. ich sah in das aufreissende blau des morgenhimmels, das mit aller kraft graue wolken vor sich her schob.
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