Donnerstag, 22. November 2012

so einfach ...


anna saß am frühstückstisch und rührte in ihrem milchkaffee. ich versuchte sie anzusehen ohne, dass sie es bemerkte. früher, ganz am anfang, hatte ich sie angesehen und meinen blick nicht verborgen. bis sie mir sagte, es mache sie unsicher angesehen zu werden und dass sie sie sich dann beobachtet fühlte. ich musste sie ansehen, ich konnte nicht anders, tat es weiter, unbemerkt, wie ich glaubte. sie bemerkte es doch. auch an diesem morgen bemerkte sie es.

hör auf mich anzustarren, paul, du weißt wie ich das hasse, schnauzte sie mich an, mit ihrer üblen morgenlaune, aus der sie der kaffee nicht retten konnte. ich brauche menschenleeren raum, setzte sie nach, sonst ersticke ich. ich sollte gehen, hieß das. paul musste gehen, weil anna menschenleeren raum zum atmen brauchte. was ich dabei fühlte schien ihr egal zu sein.

ich nahm meine tasse, ging ins andere zimmer und öffnete das fenster um eine zigarette zu rauchen. gut, ich würde gehen, sie allein lassen mit ihrer schlechten laune. ihre laune würde sich bessern, ich kannte auch das. wenn anna eine zeit lang alleine war ging es ihr besser. es war als würde sie dabei auftanken, kraft sammeln. ich fragte mich, wieso sie ihre kraft nicht spüren konnte, wenn ich bei ihr war? ich atmete den rauch der zigartte aus und blies graue wölckchen gegen das grau des novembermorgens.

sie war eben anders als ich, der die nähe liebte, dem es gefiel am morgen in ein gesicht zu blicken, zu lächeln, dankbar dafür, dass da dieses andere gesicht war,  ich nicht allein war. ich war nicht gern allein, etwas anderes zu behaupten wäre gelogen. ich konnte zwar gut alleine sein, aber immer war da die sehnsucht, die dinge und die gedanken teilen zu wollen. für anna war alleinsein ein grundbedürfnis wie essen, trinken, schlafen oder atmen, eben. ich dachte, man hätte sie eher in eine einzelzelle stecken können, als in einen vergnügungspark einschließen, das wäre für sie die härteste strafe. wir stritten immer dann, wenn wir viel zeit miteinander verbracht hatten. sie hielt meine nähe höchstens drei tage hintereinander aus, dann kam der moment, in dem sie unruhig wurde. es war eine aggressive unruhe, die sich im raum ausbreitete wie ein giftiger nebel. darin verschwand sie langsam, bis sie unsichtbar zu werden schien.

ich ärgerte mich, dass ich den moment wieder einmal verpasst hatte. ich hätte weg sein müssen an diesem morgen und war geblieben. sie machte es mir nicht leicht, weil sie schwer war und ich wurde schwer, weil ich es ihr nicht leichter machen konnte. dabei wäre es so einfach, dachte ich, wenn ich mit leichtigkeit früher gegangen wäre, an diesem morgen.


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