Sonntag, 25. März 2012

REFLEXION und DIALOG - über das Werk des Bildhauers ANDREAS KORIDASS

auf Wunsch einiger Menschen, die gestern bei der Vernissage dabei waren ... die Rede zum Lesen!


REFLEXION und DIALOG

„Der wahre Sinn der Kunst liegt nicht darin, schöne Objekte zu schaffen. Es ist vielmehr eine Methode, um zu verstehen. Ein Weg, die Welt zu durchdringen und den eigenen Platz zu finden“, schreibt der Schriftsteller Paul Auster

Kunst, ganz gleich ob die des Schreibens, des Malens oder die des Bildhauens, ist darüber hinaus eine Methode zur Persönlichkeitsentwicklung, eine Methode auf dem Weg der Suche nach dem Wesentlichen, was Menschsein ausmacht.  Und sie ist der Antrieb dieses Wesentliche auszudrücken und ihm Gestalt zu geben um - wie es Auster so treffend formuliert - die Welt zu durchdringen.

„Kunst“, sagte Andreas zu mir, „ist auch ein Stück Eigentherapie.“ Auster würde ihm Recht geben und auch ich sage: Ja.

Ja, im Sinne der griechischen Bedeutung des Wortes Therapie, nämlich: Dienen.

Kunst dient dem, der sie macht und denen, die sich damit auseinandersetzen – den Rezipienten.

Kunst ist Reflexion und Dialog - der Titel der Ausstellung.

Reflexion, ein prüfendes und vergleichendes Nachdenken, um in einen Dialog zu treten. So dialogisiert der Künstler Koridass mit dem Material und wiederum das Material mit dem Künstler und schließlich das fertige Werk mit dem Rezipienten.

Kunst dient dazu, Inneres ins Außen zu bringen und das Außen und seine Reaktionen ins Innere zu lassen.

Ein Eingehendes und ein Ausgehendes im Wechselspiel.
Der Eintritt einem Tor gleich, das sich öffnet und sich wieder schließt und immer - die Möglichkeit sich wieder zu öffnen.

Andreas Koridass hat eine starke Affinität zu Toren, sie üben eine magische Anziehungskraft auf den Künstler aus.  Sie beschäftigen den Bildhauer, den Zeichner, den Grafiker, den Fotografen, den Menschen seit über einem Jahrzehnt.

Tore, Türen und Portale, formal stark reduziert und in die Abstraktion getrieben, sind ein großes, immer neu variiertes Thema seines künstlerischen Schaffens ... und Wächter.

Türen, die sich durchschreiten lassen, hinter denen sich  Geheimnisse verbergen und ergründen lassen, Portale, die zum Betreten einer unbekannten Welt einladen, eine Welt voller Unwägbarkeiten, eine Welt des Fremden, des Numinosen - auch das.  Davor oder korrespondierend – Wächter als Hüter und Bewahrer und als Erinnerung an die Kultur unserer Ahnen.

Wir Menschen treten irgendwann, in einem Moment in der Zeit, in die Welt ein und irgendwann schließt sich diese Tür, die uns den Eintritt bot, wieder. Anfang und Ende. Geburt und Tod. Das ist Leben.
Das Thema Tod beschäftigt den Künstler ebenso sehr wie das Leben. „ Leben und Tod gehören für mich zusammen“, sagt er, „auch wenn wir da nicht gern hin schauen, weil uns unsere Sterblichkeit Angst macht.“

Der Bildhauer schaut hin und er macht uns sehen. Sehen was da ist, auch da ist. Eben auch die Angst als Teil des Menschseins. Schatten ist da wo Licht ist. Auch da, wo die Liebe ist, ist die Angst. Und sie ist nicht das Gegenteil, denn wer liebt hat Angst um den geliebten Menschen. Unsere Ängste abzuspalten und in das dunkle Schattenreich der Seele zu verbannen macht sie nicht kleiner.

Andreas Koridass weiß, durch beständige Reflexion, dass das Abspalten, das Trennen der Dinge kein Weg ist um Leben zu verstehen und es zu leben.

Er weiß ...
die gegensätze sind es, die leben ausmachen
die gegensätze sind es, die das ganze bilden
in uns
im aussen

wir sind welt
die welt ist in uns

jeder von uns ist ein mikrokosmos, der den makrokosmos reflektiert
spiegeln gleich
die gegensätze zeigen uns das ganze
in der welt
in uns

nur durch die gegensätze erkennen wir das eine und das andere
sie bedingen welt und uns
der makrokosmos trennt nicht
der mensch trennt

mit jedem trennen
trennen wir uns von uns
mit jedem abspalten spalten wir uns
mit jedem nein zu einem teil in uns verneinen wir das ganze
und damit uns

was wir abspalten geht ins außen
und kommt auf uns zurück vom außen
weil es wieder nach innen will
da hin wo sein platz ist

je mehr wir dem trennen macht geben
desto zerrissener fühlen wir uns
alles ist, alles darf sein
verbinden wir uns
sind wir eins mit uns und der welt

Verbinden wir uns mit dem, was in uns ist und mit dem anderen, unserem Nächsten, achten wir das Menschliche und das menschliche Miteinander und die Geschichte der Menschheit - das ist die wesentliche Botschaft, die uns in diesem Werk begegnet. Das ist die Philosophie, die Koridass bildhauerisches Werk kennzeichnet. In allem, was er schafft, findet sich die Polarität des Seins, finden wir das eine und das andere, das ohne einander nicht sein kann. Das duale Prinzip. Daran liegt ihm.

Da ist Die Liegende, die sich spannungsgeladen und aufstrebend nach oben reckt, harmonisch und geschmeidig in der Bewegung - scheinbar in sich ruhend. Aber da ist auch dieser Dorn, der spitz aus dem geölten Holz des Apfelbaumes ins Außen ragt.

„Ying und Yang“, sagt Koridass.
Hier sind das Weiche und das Harte, ja sogar das Aggressive  vereint in einer Figur. Der Dorn im eigenen Fleisch? Der Dorn, der nach außen dringt - um was zu tun? Im Zweifel um zu verletzen, achten wir nicht auf seine harte Spitze.

Das eine, durch ein anderes Element ergänzt, erzielt eine beeindruckende Wirkung. Ein Baumstamm, der durch schneiden und hauen zu einer ausdrucksstarken Skulptur geformt wird. Jeder Stamm, jedes Holzstück ist immer eine Herausforderung für den Bildhauer. Es bedarf Erfahrung im Umgang mit dem Naturmaterial und dem zur Bearbeitung notwendigen Werkzeug wie Kettensäge, Flex und Stemmbeitel.
Und es bedarf Einfühlungsvermögen in das Holz.

„Ich habe eine genaue Vorstellung von dem was ich machen will, ich mache die Zeichnung, ich bin neugierig auf das Holzstück, das ich im Wald finde und dann fälle. Ich erprobe, ob es mitmacht, was das Blatt vorgibt.
Es funktioniert nicht immer“, sagt Koridass.

Das Holz muss wollen, auch wenn der Bildhauer meisterlich damit umzugehen versteht. 

Holz ist nicht gleich Holz, jedes hat seinen eigenen Charakter, den der Künstler achtet. Astlöcher, aufgeplatzte Rinde und Risse werden integriert und für die Gestaltung der Skulptur genutzt. Die Kombination mit Leder, Jute und Metall machen den besonderen Reiz der Arbeiten aus.
Reizvoll im Sinne des Wortes.

Ob in der Skulptur, den Zeichnungen oder den Fotografien, in jedem Exponat spiegelt sich ein Anliegen, geboren aus der Reflexion einer bewussten, nach Sinn strebenden Gedankenwelt eines großartigen Bildhauers, der Reize setzt um uns, den Betrachter zum Nachdenken anzuregen über die Komplexität von Welt und Mensch.

Diese Kunst ist klug und sie ist wahrhaftig. Sie ist die zu Gestalt gewordene innere Welt eines Künstlers, der weiß: Der Mensch trägt untrennbar immer seine eigene Geschichte und die Geschichte der Menschheit in sich, mit all ihrem Hell und ihrem Dunkel.

Apropos Geschichte: Die Bildhauerei ist eine der ältesten bildenden Künste der Kulturgeschichte -  für einen der sich den Ahnen verbunden fühlt, die mit Sicherheit stimmigste künstlerische Ausdrucksform.

© angelikawende, im märz 2012
















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