Samstag, 5. November 2011

Spiegel


er sah sie an, sah durch sie hindurch in sich hinein, suchte, was er nicht finden konnte in sich in ihr, wusste, auch da war es nicht zu finden, auch wenn er es geglaubt hatte. er hatte sich etwas vorgemacht und sie hatte es gespürt, immer gespürt, dass sie nicht gemeint war.

da war dieses unbestimmte gefühl, dass sich ausbreitete, von begegnung zu begegnung größer wurde, bis es allen raum einnahm in ihrem fühlen. oft hatte sie in diesem gefühl an narziss gedacht, der sich im see bespiegelte und sich gefragt, ob sie der see war oder narziss und keine antwort gefunden. wenn sich zwei im gleichen spiegel spiegeln, was dann?, gedacht und ob so etwas überhaupt möglich war und auch keine antwort gefunden.

überhaupt, wo konnte man sich finden und wie? in sich selbst doch und wenn nicht da, wo sonst. der see war keine alternative, der war aussen, ein aussen konnte einem nicht das eigene innere spiegeln, sondern nur reflektieren, was dort zu finden war, im aussen, und das war etwas völlig anderes. daran hielt sie fest.

er hatte sie festhalten wollen und sie hatte nicht geglaubt, dass es möglich war und es nicht gewollt. das nicht wollen wog schwerer. keiner kann den anderen halten, weil es schon schwer genug war sich selbst zu halten, das wusste sie. er hatte es bestritten, auf das gemeinsame hingewiesen, das den einen und den anderen stärker macht. eine weile hatte sie versucht es zu glauben, gespürt hatte sie es nicht. sie hatte es versucht um ihrer beider willen. ein untauglicher versuch war es gewesen, vielleicht weil sie schon zu lange mit sich selbst gewesen war und gelernt hatte sich selbst zu halten. ein lang geübter halteversuch, immer am kippen, weil es schwer war, das sich selbst halten. gefallen war sie nicht, was noch kommen konnte und dann war da keiner, der sie auffing. auffangen, um was zu erreichen?, dachte sie, und dass fallen zum leben gehörte. leben war ein fallen in den tod, letztlich, und das musste man auch alleine können. man fiel in gottes hand, dessen war sie sicher und das machte die angst vorm fallen kleiner.

er verstand das nicht, hatte es nie verstanden, weil er es nicht verstehen konnte. er wollte verbinden was zwei war und eins daraus machen, ein einander bedingendes, brauchendes. und sie, das ist nicht liebe, gedacht, weil es brauchen ist und brauchen keine liebe ist, sondern das ausgleichen eines mangels. wer mangel fühlt leidet, das wusste sie. sie wusste auch, dass das leben nicht als leiden gemeint war, auch wenn viele das meinten, weil jesus am kreuz gelitten hatte für viele, wusste, dass es sicher nicht seine absicht gewesen war, dass es ihm alle nachtaten mit dem leiden, nach seinem vorbild. nutzen tat ihr dieses wissen nichts.

sie erwiderte seinen blick, dachte, das jeweils andere wirft uns auf uns selbst zurück, dorthin, wo wir wieder allein sind. sie lächelte, nahm seine hand und sagte, komm, lass uns enten füttern gehen.