Sonntag, 5. Dezember 2010

Erinnern

Draussen Winterweihnachtsstimmung, überall funkelt und glänzt irgendetwas, bricht mit Vehemenz das Grau der Jahreszeit auf. Weihnachtsmänner auf Fensterscheiben geklebt. Mit dicken Bäuchen und roten Pausbacken verbünden sich mit silbern glänzenden Engeln aus Staniolpapier, dazwischen Sterne, die mit elektrischen Lichterketten um die Wette funkeln.

Ich laufe durch die Stadt, schaue Schnee auf dem Pflaster, rieche den Duft von Glühwein, Zuckerwatte, gebrannten Mandeln. Er mischt sich mit dem Fettgeruch von gegrillten Würsten und gebratenem Fleisch auf dem Weihnachtsmarkt vor dem Dom. Ich ziehe den Mantel fester um mich. Menschenmengen schieben sich durch die Strassen, füllen Läden und Kaufhäuser. Ein Hinein-und Hinausgehen, dann mit prallvollen Plastiktüten in behandschuhten Händen. Gekauftes nicht Gebrauchtes, das Leere füllen soll, die sich ausbreitet, alle Jahre wieder.

Ein diffuses Gefühl von Erwartung wabert dringlich überall. Es ist diese Zeit im Jahr, der ich schon als Kind mit einem mir unerklärlichen Misstrauen gegenüberstand. Weil alles irgendwie anders war, das Wabern eben. Es wabert die Erwartung auf friedliche Tage, die zusammenführen, was sich liebt oder lieben sollte, oder lieben will.

Dazwischen drängen sich die, die wir geliebt haben, einst. Es ist ihre Zeit. Erinnere dich, fordern sie uns auf. Ich will mich nicht erinnern und kann nichts dagegen setzen. Gesicht meiner einen Liebe, was machst du hier? Das ist vorbei, das hat nichts mehr mit mir zu tun, ich habe mir ein neues Leben gesucht, längt, irgendeins, ohne dich und mich. Mein kindliches Misstrauen mischt sich in mein Erwachsensein. Erwartungen führen in die Enttäuschung, mahnt das Kind. Ist es anders, ist es Augenblicksglück, antwortet die Erwachsene.

Ich will mich nicht erinnern, nicht an dich meine Liebe, nicht an mein Kindheitsweihnachten, nicht an den Platz, der nicht meiner war, ein Zufallselternplatz, this house was not a home. Du, diese eine Liebe, warst es.

Vielleicht deshalb bist du so gegenwärtig, jetzt, auferstanden aus der Vergangenheit, mein Vergangenheitslieblingsmensch. Es ist nicht lang genug vergangene Zeit, lass dir Zeit, denke ich, und weiß, dass die Zeit eben doch nicht alle Wunden heilt, wenn die Vergangenheit die bessere Zeit war. Ich wollte sie nicht verlieren und - ich will sie nicht wieder haben - sagt der Stolz, der mir nichts nützt. Verlorenes, das sich nicht wieder findet hat uns nie gehört. Geliehen wie die Kinder. Wir wissen es doch. Es tut weh, obwohl ich es weiß. Ich lasse es weh tun, weil es das echte Gefühl ist, in der Erwartung auf Weihnachten.



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