Sonntag, 14. November 2010

Es lebe die brotlose Kunst!

Brotlose Künstler gelten als Künstler im klassischen Wortsinn. Sie schaffen um des Schaffens willen, sie schauen nicht auf Wohlstand, oder eine funktionierende Zentralheizung. Ihnen genügen Begriffe wie Lob und Anerkennung. Wann immer sie ein Werk vollendet haben, drängt es sie nach neuen Taten.


Sie wissen, wichtiger für den Erfolg als Können und Qualität sind gute Beziehungen zu bestimmten Menschen, die Macht und Einfluss haben, zu Kommissionen und Redaktionen.

Sie wissen, dass sich die große Mehrheit der sozialen Norm fügt und die Zahl der Abweichler, die Kunst für eine lebensnotwendige Sache halten, gering ist.

Sie wissen, dass es der Mehrheit nicht um Inhalte, sondern um eine attraktive Verpackung und leicht verdauliche Unterhaltung geht.

Sie wissen, dass die Mehrzahl der Besucher von Vernissagen nicht um der Werke willen, sondern zum Prossecco Trinken, Häppchen essen und Smalltalken erscheint.

Sie wissen, dass der Erfolg aller Kunst vom richtigen Marketing abhängt und nicht von der Qualität des Werkes.

Sie wissen, dass gutes Marketing viel mit Imagepflge zu tun hat.

Sie wissen, dass erfolgreiches Marketing viel Geld kostet.

Sie wissen, dass Glück ein entscheidender Faktor ist, um nachhaltig Erfolg zu haben.

Sie wissen, wie anstrengend es ist von Pontius zu Pilatus zu laufen, um Geld für ihre Projekt zusammenzubetteln.

Sie wissen, dass Kreativität ein soziales Problem ist, sowohl was ihre Definition, ihr Zustandekommen, als auch ihre Anerkennung betrifft.

Sie wissen, dass nicht die Kreativität das Problem ist, sondern ihre Durchsetzung.

Sie wissen, dass das Allgemeine das Besondere schlägt.

Sie wissen um die Sinnkrisen, die ins Bodenlose ziehen und um die immer wieder kehrende Frage: Warum mache ich das eigentlich?

Sie wissen, dass es nur eine Antwort auf diese Frage gibt: Ich kann nicht anders.

Sie wissen, dass sie weitgehend auf immer wieder neue Selbstmotivation angewiesen sind.

Sie wissen, dass sie trotz aller Niederlagen, aller Irrtümer und Zweifel, der Mensch sind, der sie sind und kein anderer werden.

Sie wissen, dass sie dennoch ihrem Innern immer wieder Glauben schenken müssen.

Sie wissen jenseits von Sieg und Niederlagen liegt ihr Ruhm.

Sie wissen, dass der Glaube an sich selbst, das Elexier ist, dass sie leben lässt.

Sie wissen: die Geschichte hat bewiesen, dass viele der heute anerkannten Künstler der Hochkultur zu Lebzeiten verfemt waren. Sie wissen um die vielen Maler, die zu Lebzeiten keine Anerkennung fanden. Sie wissen um die Denker, die im Kerker landeten, oder ihre Ideen mit dem Tod bezahlen mussten.


Sie wissen: Der Erfolg stellte sich eben erst nach dem Tod des Künstlers ein.

Sie wissen: Brotlose Kunst ist niemals tot!



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