Nicht warten können.
Alles beschleunigen wollen.
Nichts lässt sich erwarten.
Nichts lässt sich beschleunigen.
Bewegung ist Veränderung, die geschieht.
Aristoteles definiert Bewegung als Veränderung, denn jede
Bewegung verändert einen Ist- Zustand, somit ist Bewegung als Verwirklichung
von etwas potenziell Seiendem zu verstehen. Entscheidend für Aristoteles’
Wirklichkeitsverständnis ist dabei, dass alle Bewegung und Veränderung im
Kosmos als ein zielgerichteter Vorgang anzusehen ist, dass, mit anderen Worten
die gesamte Wirklichkeit „teleologisch“, also zielgerichtet verfasst ist.
So wie der wachsende Baum nach seiner vollendeten Gestalt
strebt, so strebt jede aus Materie und Form zusammengesetzte Substanz nach der
Verwirklichung ihrer Form. Auch alle Ortsbewegung ist das Streben nach einem
Ziel: Die schweren Körper streben nach unten, weil dort ihr angestammter Platz
ist; die leichten Körper aus demselben Grund nach oben. Die Existenz Gottes
leitet Aristoteles aus der Notwendigkeit her, für die ununterbrochene Bewegung
im Kosmos einen ersten unbewegten Beweger zu finden. Allerdings sei Gott als
erster unbewegter Beweger nicht die Ursache, die alles bewirkt oder
hervorgebracht hat, sondern das Ziel, auf das sich alles zu bewegt.
In einem Kosmos, der nach Aristoteles ewig ist, gibt es deshalb
Bewegung, weil Gott alles zu sich zieht. Der Kosmos ist auf Gott bezogen, nicht
aber Gott auf den Kosmos.
Seit den naturwissenschaftlichen Entdeckungen der Moderne
wird Bewegung nicht mehr als grundlegendes Prinzip einer göttlichen Ordnung
verstanden, sondern als Tatsache: als beobachtbarer, messbarer, schriftlich und
bildlich fixierbarer Sachverhalt. Bewegung und mithin Veränderung sind in der
modernen Welt nur mehr Kategorien der Mach- und der Gestaltbarkeit.
Den Begriffen Bewegung und Veränderung ist mit Logik kaum
beizukommen. Denn sie definitorisch festnageln hieße, ihrem Sinn
zuwiderhandeln.
Fakt ist jedoch: Bewegung ist ein Medium, mit dem und über
das der Mensch, seit Anbeginn der Evolution, die Welt erfasst. Bewegung wird
vor allem in Bildern „sichtbar“. Wer sich mit Bewegung befasst und damit nach
Veränderung fragt, muss sich mit den über die Eingangsrezeptoren der Netzhaut
des Auges aufgenommen Bilder auseinandersetzen, die im visuellen Reiz
enthaltene Information zerlegen, abstrahieren und in geordneter Form an die
nächste Verarbeitungsstufe weiterleiten.
Zum Beobachten bedarf es Geduld.
Nur in der Haltung der Geduld, des sich
Zeitnehmens, ja auch des Zuwartens und Abwartens, werden die Bilder, werden die
Dinge, wird der Raum, werden Körper und Formen entdeckt. Zunächst in ihrer äußeren Erscheinung, dann erst in ihren
inneren Befindlichkeiten und Affekten, in ihrer Beziehung zueinander
„begriffen“. Geduld bedeutet nicht Stillstand, schon gar nicht
Nichtbewegung, sie bedeutet ein tiefes sich Einlassen, langsame Aufmerksamkeit,
frei von Begrenzungen der vergehenden Zeit und zugleich liegt eine große Form
der inneren kognitiven Bewegung in dieser geduldigen Aufmerksamkeit.
Geduld ist eine Tugend. Geduld ist Langmut, Geduld ist
die Fähigkeit warten zu können.
In unserer hektischen, getriebenen, nach
Selbstoptimeirung gierenden, sich selbst überholenden Zeit wahrlich, eine
Tugend. Dinge mit Geduld und Langmut erkunden und begreifen, nur so wird
wirklich begriffen - Welt und Ich. Mich begreifen - in der Selbstbespiegelung
und im Spiegel der Anderen, geduldig. Geduld und in ihr „Erkundungsbewegungen" mit
dem Ziel Gedanken, Einfälle und Gefühle in wahrnehmbare Formen zu bringen, um
zu begreifen und dann zu wachsen. Die stillschweigende Voraussetzung
alltäglichen Wissens über die Bewegung, die besagt, dass der Körper macht, was
der Kopf ihm sagt, ist jedoch eine grobe Vereinfachung. Die körperlichen
Dimensionen des Handelns erfolgen nicht reflexiv, sondern intuitiv über ein
verleiblichtes Wissen. Erkundungsbewegungen sind Suchen und jede Suche
entspringt der Sehnsucht. Suche ist ein beständig in Bewegung befindliches,
fliehendes Denken, das zwar Ziele, aber keine Ankunft kennt - sie ist ein
Prozess.
Die Suche geht weiter ...
„Der Nährboden der Seele ist das natürliche Leben. Wer
dieses nicht begleitet, bleibt in der Luft hängen und erstarrt. Darum verholzen
so viele Menschen im reifen Alter, sie schauen zurück und klammern sich an die
Vergangenheit mit geheimer Todesfurcht im Herzen. Sie entziehen sich dem
Lebensprozess wenigstens psychologisch und bleiben darum als
Erinnerungssalzsäule stehen, die sich zwar noch lebhaft an ihre Jugendzeit
zurückerinnern, aber kein lebendiges Verhältnis zur Gegenwart finden können.“
Carl Gustaf Jung
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