Foto: A. Wende
Jede Art von Verlusterfahrung, sei es Arbeitslosigkeit, Trennung oder der Tod einer nahestehenden Person, eine schwere Krankheit, ein Unfall, der Verrat durch einen vertrauten Menschen, Einsamkeit im Alter, all das sind drastische biografische Zäsuren in unserem Leben. Solche kritischen Lebensereignisse, stellen für jeden Menschen eine Herausforderung dar. Die Fähigkeit uns emotional, mental und im Verhalten an diese Zäsuren anzupassen um sie zu bewältigen, wird in der Psychologie als „Coping“ bezeichnet, was so viel bedeutet wie „bewältigen“ oder „meistern“.
Ein gewisses Maß an Coping gehört zum Leben.
Jeder von uns hat immer wieder gewisse Herausforderungen zu bewältigen. Mit der Schwere des Ereignisses aber steigt die Anpassungszeit. Nicht jedem gelingt eine Anpassung, auch nicht mit der Zeit. Es gibt resiliente Menschen, die wahre Anpassungskünstler sind und andere, die schon bei geringfügigen Veränderungen überfordert sind. Es gibt Menschen, die jeden Schicksalsschlag meistern und es gibt Menschen, die an Dingen zerbrechen, die andere nicht einmal nachvollziehen können.
Jede schwere Krise ist eine existenzielle Herausforderung.
Wie beim Trauma ist nicht das auslösende Ereignis entscheidend, sondern wie wir auf das Ereignis reagieren.
Wie wir auf kritische Lebensereignisse reagieren hat viel damit zu tun, wie sehr wir uns der Herausforderung gewachsen fühlen. Fühlen wir uns der Krise gewachsen, fällt es uns leichter damit umzugehen. Wir vertrauen auf unsere innere Stärke, wir wissen um unsere Lebenserfahrung und unsere Ressourcen und setzen sie ein. Wir sind der Überzeugung: Ich kann das bewältigen.
Menschen die so reagieren haben einen problemorientierten Copingstil. Sie analysieren das Problem und suchen ganz bewusst nach Lösungsmöglichkeiten um die Krise in den Griff zu bekommen. Sie verschaffen sich Faktenwissen, konzentrieren sich vorwiegend auf die sachliche Ebene und unterdrücken oder wehren zu viel Emotionales ab. Die Gefahr dabei ist, dass die unterdrückten Emotionen irgendwann wie ein unters Wasser gedrückter Ball nach oben ploppen.
Menschen mit einem emotions- und bedürfnisorientierten Copingstil erleben hingegen derart starke Gefühle, die sie vollkommen überwältigen und ein klares Denken unmöglich machen. Fakten werden nicht gesehen, die Welt bricht zusammen, sie fühlen sich ohnmächtig und hilflos der Krise ausgeliefert und verweigern jedes sich Einlassen auf eine sachliche Ebene. Sie haben die innere Überzeugung keine Ressourcen zu besitzen um die Herausforderung zu bewältigen und fallen in die Opferrolle. Sie sind von Angst und Panik beherrscht. Sie verzagen und verzweifeln an der Krise. Der Mensch zerbricht innerlich, wenn er keine Unterstützung sucht und findet.
Menschen mit einem bewertungsorientieren Copingstil fragen sich: Warum ich? Warum passiert mir das? Was habe ich verbrochen, dass ich das verdient habe?
Sie verfallen in Selbstanklage, Selbstabwertung, sie schwanken zwischen Schuld-und Schamgefühlen und vermeiden so eine bewusste Auseinandersetzung mit der Krise. Sie neigen zur kognitiven Verzerrung der Realität und geben dem Ereignis bedrohlichere Bedeutungen, als es hat. Sie sind unfähig sich von der Situation und der ihr zugeschriebenen Bedeutung zu distanzieren. Nahezu alle Kognitionen dienen dazu, eine bewusste Auseinandersetzung mit der Krise zu vermeiden. Vermieden wird zudem auch die bewusste Auseinandersetzung mit den dazugehörenden belastenden Emotionen.
Was all diese Coping Stile gemeinsam haben ist die Bewertung. In jeder Krise ist die Bedeutung, die wir ihr für unser Leben geben, entscheidend für unseren Umgang damit.
Wir alle wissen nicht wirklich, wie wir reagieren und bewerten werden, wenn uns plötzlich eine massive Krise trifft. Auch wer schon viele Krisen erfolgreich gemeistert hat, hat keine Garantie, dass er die nächste ebensogut meistert.
Die Schwere einer Krise hat vor allem damit zu tun wie sehr sie uns im tiefsten Kern trifft.
Welche Bedeutung das Ereignis für uns und unser Leben hat. Welche inneren Werte sie trifft, welche Überzeugungen und Bedürfnisse sie massiv in Frage stellt, welche Glaubenssätze und welches Weltbild sie zerbröselt, welche inneren Wahrheiten sie zerstört, wie sehr sie an unserem Selbstbild rüttelt, egal ob auf mentaler, seelischer oder körperlicher Ebene.
Was für den einen das Schlimmste ist, kann für den anderen hinnehmbar sein.
Es gibt nicht zu unterschätzende Risikofaktoren was Krisenbewältigung angeht: Neben Vortraumatisierungen ist einer davon die allgemeine Lebenszufriedenheit, die Stabilität sozialer Beziehungen und die Einstellung zum Leben selbst. Ist ein Mensch schon vor der Krise emotional, mental, sozial oder körperlich angeschlagen, kann es sein, dass er nicht fähig ist sie zu bewältigen – sie ist dann der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Der Mensch resigniert oder verzweifelt.
All das sollten wir immer bedenken im Umgang mit Krisen, den eigenen und der anderer, bevor wir bewerten.
Wie nun aber eine Krise bewältigen?
Coping ist wie gesagt eine individuelle Angelegenheit und hängt entscheidend auch davon ab, ob wir die Bereitschaft haben die Krise bewältigen zu wollen und alle Ressourcen zu nutzen, die wir selbst haben und die wir im Außen finden können.