Foto: Alexander Szugger
Dienstag, 28. Februar 2023
Wut
Foto: Alexander Szugger
Mittwoch, 22. Februar 2023
Das geschieht
Malerei: Angelika Wende
Montag, 20. Februar 2023
Glaub deinen Gedanken einfach nicht! Warum das so einfach nicht ist.
Das Kind hat Angst. Die Mutter sagt: "Sag dir einfach das ist nur Angst und beobachte die Angst ohne sie zu bewerten.“
Der Rat ist der Mutter ist nicht hilfreich. Und wer es einmal versucht hat, weiß: es funktioniert nicht.
Das Kind nimmt wahr, es hat Angst, es fühlt die Angst. Es denkt sie nicht.
Auf die Wahrnehmung folgt das Nach-Denken.
Unsere Wahrnehmung und unsere Gedanken hängen untrennbar zusammen.
Noch extremer ist es bei Menschen mit Zwangsgedanken. Die Gedanken sind wie Tyrannen im Kopf. Sie können sie nicht wegdenken, auch wenn sie in der Lage sind ihre Gedanken zu beobachten, sogar wissen - es sind nur Gedanken - und auch wenn es ihnen gelingt sich von ihnen zu disidentifizieren, also sie nicht zu bewerten nach dem Motto: Das sind nur Gedanken, es gelingt nicht. Diese Gedanken sind so mächtig, dass sie geglaubt werden, auch gegen den Willen des Denkenden.
Es ist nicht so, dass wir einem Gedanken einfach nicht glauben können oder ihn einfach wegmachen können.
Auch wenn wir einen Gedanken nur beobachten geht er davon nicht weg. Er ist da, sonst könnten wir ihn ja nicht beobachten.
Was aber möglich ist, ist einen Gedanken durch einen anderen Gedanken zu ersetzen und ihm so die Macht nehmen.
Wir können wählen.
Wir sind entweder in einen Gedanken eingetaucht und identifizieren uns mit ihm, was heißt: Wir haben kein beobachtendes Bewusstsein darüber, dass gerade Denken geschieht. Oder: Wir sind bewusst Beobachter, nehmen Distanz ein und sind nicht weiter mit dem Gedanken identifiziert. Aber auch dann können wir uns dieses Gedankens nur als vergangenes Denken bewusst werden. Es ist quasi die Erinnerung an den Gedanken, aber nicht der Gedanke selbst von dem wir uns dann disidentifizieren.
Beides gleichzeitig zu tun , also Denken und den Gedanken nicht denken, ist unserem Gehirn schlicht und einfach nicht möglich. Und darum ist das mit dem „nicht identifizieren“ auch so schwer.
Keiner von uns kann sich während der Identifikation mit einem Gedanken sagen, dass das nur ein Gedanke ist und gleichzeitig den Gedanken einfach beobachten und unbeteiligt da sein lassen. Wir können nicht zwei Dinge gleichzeitig denken.
Beobachtung und nicht identifizieren geht nur dann, wenn der Gedanke schon gedacht ist. Während der Gedanke im Gehirn noch aktiv ist, funktioniert es nicht.
Es ist dennoch möglich, sich von negativen Gedanken zu lösen.
Zunächst einmal sind Gedanken Gedanken.
Wenn ich selbst einen Gedanken als belastend erlebe, dann heißt das noch lange nicht, dass ein anderer diesen Gedanken auch so erlebt.
Entscheidend ist welche Bedeutung wir dem Gedanken geben und wie sehr wir uns absolut mit ihm identifizieren.
Identifizieren wir uns damit, dann SIND wir sind quasi unser Gedanke. Wir reagieren reflexhaft und automatisch mit Gefühlen und daraus wird eine Handlung, bzw. eine Zwangshandlung.
Auf der anderen Seite sind wir in der Lage, uns selbst zu beobachten: Was wir wahrnehmen, was wir denken und fühlen. In diesem Fall sind wir wie eine fremde Person, die uns beobachtet.
Wenn wir in der Lage sind, uns selbst mit unseren Gedanken und Gefühlen zu beobachten, also uns auf die sogenannten Meta-Ebene zu begeben, sind wir in der Lage zu erkennen, welche Bedeutung wir unseren Gedanken und Gefühlen geben. Diese Bedeutung können wir hinterfragen. Was nichts anderes heißt, als dass wir entscheiden können, wie wir diesen Gedanken bewerten wollen. Damit ist der ursprüngliche vergangene Gedanke in der Erinnerung zwar noch da, aber er ist veränderbar im Jetzt.
Es geht also nicht ums vergebliche Wegdenken, sondern um eine achtsame Beobachtung und damit zur Bewusstwerdung unserer wenig hilfreichen Gedanken und Gefühle, um sie in hilfreiche zu verwandeln. Und das braucht Bereitschaft und kontinuierliche Übung.
Samstag, 18. Februar 2023
Gedanken zu Corona: Das Unfassbare der letzten drei Jahre
Leicht
Malerei: A. Wende
Donnerstag, 16. Februar 2023
Vermissen
Donnerstag, 9. Februar 2023
Aus der Praxis: Ist Sucht wirklich eine Krankheit ?
In seinem Buch The Biology of Desire: Why Addiction Is Not a Disease schreibt der Neurowissenschaftler Marc Lewis, der selbst drogensüchtig war, dass es nicht nur trügerisch, sondern gefährlich sei, Sucht als Krankheit zu bezeichnen.
Zitat: „Ich kritisiere hier die Art und Weise, wie das medizinische Modell dazu verwendet wird, um einerseits Sucht zu konzeptualisieren und andererseits die Philosophie der Entzugsindustrie zu untermauern, zu unterstützen und zu stärken. Eigentlich sollte man aufgrund der häufigen Misserfolge das medizinische Modell und die aktuelle Suchtdefinition ernsthaft in Frage stellen, aber das wird nicht getan und genau da liegt die Krux. Es handelt sich hier um ein eigendynamisches System, das einem Süchtigen groß vor Augen hält, dass er an einer chronischen und tödlichen Krankheit leidet, auf die er selbst keinen Einfluss hat und er sich deswegen besser in Behandlung gibt.“
Damit machte sich der Wissenschaftler in der Fachwelt unbeliebt. Hat doch die WHO längst den Alkoholismus offiziell als Krankheit eingestuft. Seit 1968 können sich Alkoholabhängige in Deutschland auf Kosten von Krankenkassen oder Rentenversicherungen ambulant oder stationär behandeln lassen. Ab diesem Zeitpunkt wurde diese Erkenntnis von Ärzten und Suchttherapeuten nicht mehr angezweifelt.
Die
vorherrschende Meinung macht für die
Entstehung einer Sucht die gesteigerte Dopaminausschüttung verantwortlich.
Dopamin ist ein Botenstoff, der das Belohnungssystem im Gehirn anregt. Alkohol
und andere Drogen führen zu einer erhöhten Dopaminausschüttung - die tägliche
Dopaminzufuhr, die der Alkoholiker braucht, um sein tägliches „Glück“ zu
erleben. Das mit Dopamin betriebene
Belohnungssystem tritt bei jeder Aktivität in Aktion, die angenehme Zustände
verspricht – aber das alleine macht noch nicht süchtig, behauptet dagegen
Lewis. Es gehe bei Sucht nur um eine neurale Formbarkeit und diese hat
Ursachen, die in der Psyche der Betroffenen liegen. Was wir wissen: Prädestiniert
für eine Sucht sind Menschen, die depressiv, ängstlich und/oder traumatisiert
sind oder an Persönlichkeitsstörungen leiden und dann irgendwann beginnen das Suchtmittel als
Selbstbehandlungsversuch zu benutzen.
Die weit verbreitete These Sucht sei eine Krankheit hilft Süchtigen nicht, behauptet Lewis. Und sie hilft auch denen nicht, die mit einem Süchtigen zu tun haben: Den Co- abhängigen, behaupte ich.
Im Gegenteil und da bin ich ganz der Meinung des Neurowissenschaftlers - definiert man Sucht als Krankheit ignoriert man damit den menschlichen Willen. Wer mit Suchtkranken zu tun hatte oder hat, weiß, der Wille spielt bei der ganzen Sache eine große Rolle. Wer nicht will findet Gründe. Wer will findet Wege.
Suchtexperten wissen, dass der Wille und die Selbstmotivation für den Weg zur Überwindung der Sucht extrem wichtig sind. Den Willen und die Bereitschaft das Suchtverhalten sein zu lassen, findet man bei Süchtigen, die nach einem Entzug oder einem Klinikaufenthalt trocken bleiben. Leider sind das wenige. Laut der fachmedizinischen S3-Leitlinie zur Behandlung alkoholbezogener Störungen werden ca 80 Prozent der Patienten in den ersten sechs Monaten nach einem Entzug wieder rückfällig.
Rückfällig werden bedeutet, in alte Verhaltensmuster zurückzufallen.
Das passiert beim Alkoholiker dann, wenn er nach einer Zeit der Abstinenz wieder zur Flasche greift. Er gibt dem Suchtdruck nach, der entstanden ist. Gedanken wie: „Soll ich trinken oder nicht“ kämpfen miteinander. Wird er rückfällig, entscheidet er sich willentlich dafür. Und wieder greift die Überzeugung: „Ich bin eben krank, ich kann nicht anders.“
Und genau da liegt das Problem. Wer davon überzeugt ist, ich kann nicht, muss auch nicht.
Dass man eine Suchterkrankung als solche definiert, sei nur eine „Political Correctness“, behauptet Lewis: „Das ist eine bequeme Möglichkeit, Süchtigen zu verzeihen. Und Süchtige können sich so auch ganz leicht selbst verzeihen.“ Definiert man die Sucht als Krankheit, erlebt sich der Süchtige als unschuldiges willenloses Opfer von etwas, das von Außen in ihn dringt. Er sieht sich als Patient, dem geholfen werden muss, er kann glauben, dass er selbst machtlos ist.
Wenn man Sucht als Krankheit definiert nimmt man Betroffenen die Eigenverantwortung ab, man lässt sie als passiv und unverantwortlich für ihren Zustand erscheinen. Wenn man einem Menschen sagt, dass er an einer Krankheit leidet, geht er nicht davon aus, von dieser Krankheit aus eigener Kraft zu genesen. In Wahrheit aber gibt es genug Süchtige, die ihre Sucht stoppen können, weil sie es wollen und die Bereitschaft haben alles dafür zu tun. Genau das ist der Unterschied zwischen der Sucht und einer Krankheit: Krebs kann der Mensch nicht durch den eigenen Willen stoppen, er braucht ärztliche Hilfe, Sucht kann der Mensch stoppen, wenn er eigenen Willen aufbringt.
Nach Lewis ist Sucht eine Gewohnheit, die außer Kontrolle geraten ist. Bei Krankheiten verändern sich die Organe durch eine Krankheit. Bei Süchtigen verändern sich Strukturen im Gehirn durch die Gewöhnung an das Suchtmittel.
Der Neurowissenschaftler findet elementar wichtig diese Unterscheidung zu machen, denn - denkt ein Mensch er ist krank, nimmt ihm das die Verantwortung ab. Wer schwer krank wird ist nicht willensschwach, nicht selbstzerstörerisch oder was auch immer. Er ist krank und braucht sich deswegen nicht zu schämen und er muss deshalb keine Schuldgefühle hegen. Das ist eine bequeme Ausrede für Süchtige sich selbst immer wieder zu entschuldigen und zu verzeihen, dass sie ihren Körper, ihr Leben und alle, die sie lieben, mit in den Abgrund des eigenen Siechtums zu ziehen.
„Ich bin krank, ich kann nichts dafür. Du musst das verstehen.“
Das ist auch das, was man den Co-abhängigen immer wieder einredet: Sie müssen Verständnis haben für den armen Kranken, er kann ja nichts dafür.
Müssen sie das?
Nein, sie müssen nicht. Denn genau das hält eine Co-abhängigkeit aufrecht: Das Verstehen und Entschuldigen, das Mitgefühl, das Bedauern, das ewige vergebliche Bemühen ihn zu retten, die ewigen Entschuldigungen, das Vergeben und Verzeihen von allem Unheilsamen, das Süchtige ihren Familien, Partnern, Kindern und ihren Nächsten mit ihrem zerstörerischen Verhalten antun, schuldlos - weil sie ja Opfer ihrer Krankheit sind.
Der Süchtige ist krank geworden durch sein Suchtverhalten, er ist es, der sich krank gemacht hat und weiter krank macht.
Das muss niemand verstehen und schon gar nicht entschuldigen, damit der andere ohne jegliche Verantwortung zu übernehmen die Zerstörung auf allen Ebenen weiter betreiben kann.Glaubt man Lewis ist jede Sucht eine rein verhaltensbezogene und keine physiologische Krankheit wie etwa Krebs.
Als Erklärung führt er an: Auf der einen Seite gibt es die substanzgebundene Abhängigkeit und auf der anderen die verhaltensbezogene wie etwa Spiel-, Sex-Sucht, Kaufsucht. Wenn man Gehirnscans durchführt, erhält man bei allen Arten der Sucht das gleiche neurale Aktivierungsmuster. Allein das sollte schon reichen, so der Neurowissenschaftler, um das Modell: „Sucht ist eine Krankheit“ kritisch zu sehen und in Frage zu stellen. Würde es sich um eine Krankheit handeln, dann würden Betroffene, die täglich über Stunden Videospiele spielen, genauso stark leiden wie jene die alkoholabhängig sind. Auch die Behauptung es gebe eine genetische Ursache bei Alkoholismus widerlegt Lewis. Es existiert kein Gen oder Gen-Cluster, das eine Sucht verursacht. Stattdessen finden sich bei Alkoholikern Persönlichkeitszüge, die genetisch veranlagt sind. Zitat Lewis: „Es gibt generationsübergreifende Verbindungen, die real sind und mit den Genen zusammenhängen, aber ein bestimmtes Abhängigkeits-Gen ist nicht existent. Alkoholismus ist keine Krankheit, sondern vielmehr eine Störung der Willensentscheidung.“
These: Sucht ist ein Lern- und Entwicklungsmodell
Was eine Entwicklung kennzeichnet ist der tiefgreifende Lernprozess, der mit jeder Entwicklung verbunden ist, inklusive der Annahmen und inneren Überzeugungen, die zu Denkmustern werden. Diese Denkmuster werden durch Wiederholung immer weiter verstärkt und führen dann zu den entsprechenden Verhaltens- und Handlungsmustern. Jeder Lernprozess beinhaltet Veränderungen in den Synapsen. Bestimmte Synapsen werden erschaffen oder verstärkt und andere Synapsen, verkümmern oder verschwinden ganz. So entsteht, laut Lewis, letztendlich Sucht. Betroffene erlernen eine Denkweise, sie sich dann automatisiert. Das hat mit einer Krankheit nichts zu tun, auch wenn Sucht, wird sie nicht willentlich gestoppt, krank macht und immer zu Siechtum und Tod führt.
Dienstag, 7. Februar 2023
Kontinuität
„Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht“, sagt ein afrikanisches Sprichwort.
Die Dinge lassen sich nicht künstlich beschleunigen.
Die Dinge brauchen und haben ihre Zeit.
Alles hat seine individuelle Entwicklungszeit.
Wenn du die Dinge beschleunigen willst, wirst du dich nicht nur um den nachhaltigen Erfolg bringen, du wirst im Zweifel über deine eigenen Füße stolpern.
Übereiltes Handeln und Beschleunigen bringen keine Entwicklung mit sich.
Entwicklung bedeutet Kontinuität.
Kontinuität bedeutet Stetigkeit, einen gleichmäßigen Fortgang ohne einschneidende Unterbrechungen. Kontinuität bedeutet, dass Veränderung über die Zeit stattfindet.
In der Kontinuität können sich die Dinge klären, finden und umgestalten.
Es ist die ruhige Konzentration auf den Prozess, die nachhaltige Früchte trägt.