Mittwoch, 28. April 2021

Corona - Die aus der Ohnmacht geborene Erschöpfung der Menschen

 

                                                                               Foto: A. Wende

 

 

Ohnmacht: rare Phase von totalem Bewußt-Geworden-Sein.

Andreas Egert

 

Nach einem Jahr Pandemie geht es den meisten von uns nicht gut. Die Erschöpfung und die Überlastung werden größer, bei vielen liegen die Nerven blank und das Konfliktpotenzial unter den Menschen steigt. Wie geht das weiter, wie lange halten wir diese Erschöpfung noch aus bis wir innerlich ausgebrannt sind oder gar seelisch und körperlich erkranken?  

 

Wie lange ist ein Leben im Katastrophenzustand aushaltbar ohne an die Substanz zu gehen? Diese Frage stellen sich viele Menschen. 

Jeden treffen die Auswirkungen der Pandemie auf irgendeine belastende Weise. Jeder hat seine eigenen Probleme und jeder geht mit dem Ausnahmezustand anders um. Wie dieser Umgang aussieht hat viel mit den individuellen Lebensbedingungen zu tun. Je ärmer Menschen sind, je hoffnungsloser der Blick auf die Zukunft ist, je größer die Verluste, desto schwerer trifft es sie in allen Lebensbereichen. Es ist leichter das Schwere zu tragen, wenn Existenzangst und Existenzverlust nicht treffen. Wer sich finanziell abgesichert auf seine persönliche Insel zurückziehen kann, in der alles zur Verfügung steht, was er braucht, der wird die Sorgen und Nöte der am härtesten Betroffenen nicht nachvollziehen können. Was aber alle Menschen eint ist eine tiefe Erschöpfung gepaart mit dem Gefühl von Abhängigsein und Ausgeliefertsein. 

 

Wir sind müde. Müde vom Hoffen, müde vom Aushalten, müde von der Sehnsucht nach Besserung der Lage, müde von den Einschränkungen, müde von der Angst und müde von der Ungewissheit. Wir trauern um den Verlust unserer alten Normalität und fürchten uns vor dem was noch kommt. Mit all diesen Gefühlen verwoben ist eine subtile Wut, die am liebsten herausschreien würde: Es reicht jetzt! 

 

Wenn sich Erschöpfung, Trauer und Wut mischen, entsteht ein ungesunde emotionale Melange in der Seele, die auf Dauer zermürbt.  

Es kommt zu einem tiefen Gefühl von Ohnmacht. In der Ohnmacht fühlen wir uns ausgeliefert, macht- und hilflos. Ohnmacht ist das Gefühl das eigene Leben nicht mehr beeinflussen zu können. Dem Erleben von Selbstbestimmung und Ich-Orientierung steht auf der unbewussten Seite das verdrängte Erleben von Hilflosigkeit gegenüber. Ohnmacht bedeutet: Kontrollverlust. 

 

Wie fühlt sich diese psychologische Ohnmacht an? 

Machtlosigkeit kann bei jedem, je nach psychischer Struktur und Charakter, andere Gefühle auslösen. Beim einen sind das Trauer, Resignation und Depressivität, beim anderen sind es Angst, Aggression und Wut.  

 

Ohnmacht ist das am meisten abgewehrte und verdrängte Gefühl. Es ist so unangenehm und existentiell bedrohlich, dass Menschen alles Mögliche zu glauben und zu tun bereit sind, um das Gefühl von Kontrolle zurückzugewinnen mittels der unterschiedlichsten Bewältigungsmechanismen. 

Für manche erhöht sich das Gefühl von Kontrolle bzw. der eigenen Wirksamkeit, indem sie ihre wütende Ohnmacht in Macht umwandeln. Das kann soweit gehen, die Macht über andere erlangen zu wollen, was sich bis zur Gewaltausübung steigern kann. Ohnmächtige Wut hat ihr Ziel nicht in der zielgerichteten Vernichtung eines konkreten Feindes, sie ist viel vager, aber auch viel destruktiver gegen die Außenwelt gerichtet. Sie entlädt sich unkontrolliert an den verschiedensten Stellen, was man am steigenden Aggressionspotenzial im Netz und angesichts des immer respektloseren und feindlicheren Miteinanders der Menschen beobachten kann. 

 

Andere wiederum fallen in depressive Passivität. Nach dem Motto: „All i can do is sit and wait“ versinken sie in eine träge Lähmung und verlieren jegliche Motivation und Antrieb. 

 

Wiederum andere verfallen in erhöhte Geschäftigkeit. Hier wird das Gefühl der Ohnmacht unterdrückt, indem man besonders aktiv ist, um vor sich selbst und anderen als das Gegenteil eines ohnmächtigen Menschen zu erscheinen. 

 

Auch der Glaube an den Faktor Zeit ist eine Form der tröstenden Rationalisierung angesichts der Erfahrung von Ohnmacht. Beim Glauben an die Zeit besteht die Erwartung, dass sich mit der Zeit schon alles regeln wird, dass Dinge, zu deren Lösung man selbst nicht fähig ist, vom Vergehen der Zeit gelöst werden. 

 

Weitere tröstende Rationalisierungen sind der Glaube an eine Obrigkeit, die die Dinge schon regeln wird oder der religiös spirituelle Glaube an ein Wunder, das die Erlösung bringt.

 

Die Ursache all dieser Bewältigungsmechanismen ist jedoch die gleiche: Kontrollverlust.

Halten Ohnmachtsgefühle zu lange an kommt es zum Phänomen der erlernten Hilflosigkeit. Der Mensch zweifelt an der Wirksamkeit seiner Handlungen und stellt das Handeln ein. Erlernte Hilflosigkeit führt dann dazu, dass Menschen passiv bleiben, auch wenn sie wieder handeln könnten. Das Resultat ist ein Selbstgefühl absoluter Wertlosigkeit, begleitet von tiefer Angst und Sinnlosigkeit.

Erlernte Hilflosigkeit ist ein Teufelskreis, an dessen Ende das Gefühl steht, sich durch eigenes Handeln nicht aus einer Situationen befreien zu können. Der Glaube Herausforderungen aus eigener Kraft meistern können stirbt. Das anhaltende Gefühl von Ohnmacht ist der Anfang einer destruktiven Abwärtsspirale – sei es die der Gewalt, der Angst, des Ausbrennens oder der Depression.

 

Wie gelingt ein in produktiver Umgang mit der Ohnmacht?

Sie gelingt dann, wenn eine radikale Anerkennung der Realität stattfindet. Die äußere Wirklichkeit muss anerkannt und akzeptiert werden, ebenso wie die Grenzen des menschlich beeinfluss- und machbaren. Die Ambivalenzen, die Unwägbarkeiten und die Polaritäten des Lebens müssen akzeptiert werden. Eigene Kompensationsmechanismen und Bewältigungsstrategien dürfen hinterfragt werden. Erst wenn diese als das, was sie sind – nämlich untaugliche Versuche um die Kontrolle über das Unkontrollierbare wiederzuerlangen – bewusst geworden sind, kommt es zur inneren Bereitschaft die eigene Ohnmacht anzuerkennen. Dies führt dazu, dass die Erschöpfung, die sich im Widerstand gegen das was ist, weiter verstärkt, auflösen darf. 

 

Ja, wir sind erschöpft, ja wir sind ohnmächtig. Und ja, es ist ok, denn das, was wir gerade erleben ist ein kollektiver Ausnahmezustand, den wir nicht ändern können. Was wir ändern können ist unsere Haltung zu dem was ist. Diese Veränderung beginnt damit uns zu erlauben, was wir fühlen und es mitzuteilen – einander, einer dem anderen. Teilen wir uns wahrhaftig mit, sind wir nicht nur authentisch und menschlich, wir schaffen Verbindung. Und das ist genau das, was wir jetzt dringend brauchen.

 

 



 

Dienstag, 27. April 2021

Angst und Mitgefühl vertragen sich nicht

 

                                                                    Foto: pixybay

Der Mensch ist von Natur aus egoistisch, so etwas wie Mitgefühl muss er sich mühsam abringen, und das tut er– wenn überhaupt – nur, wenn es ihm letztlich einen Vorteil bringt.

Herbert Spencer

 

Mitgefühl gehört zur seelischen zur Grundausstattung des Menschen. Nicht zu verwechseln mit Empathie. Empathie bedeutet, dass man in der Lage ist, sich mit den Gefühlen eines anderen zu verbinden, sprich, dass man fühlt, was der andere empfindet. Und es dann dabei belässt ohne zu handeln. Mitgefühl hingegen hat immer den Impuls dem anderen zu helfen. 

 

Die nie Zusammengebrochenen können das Leid, die Schwäche und die Gebrochenheit ihres Nächsten nicht verstehen.  

Mitgefühl besteht nur dann, wenn ich vom Leiden des Anderen selbst eine Erfahrung habe, wenn ich das, was der Gebrochene fühlt, selbst gefühlt habe oder gerade fühle. Mitgefühl entsteht über das erfahrene eigene Fühlen, nicht über Gedanken. Es kann nicht hergedacht werden, auch wenn manche das glauben, eben weil es ein Gefühl ist und kein Gedanke.

 

Mitgefühl ist wichtig für das Bestehen einer Gesellschaft, denn mit anderen zu empfinden, stärkt unser soziales Miteinander. 

Ein bisschen mehr Mitgefühl könnte uns allen in dieser schweren Zeit nicht schaden. Aber leider ist genau das Gegenteil zu beobachten. Immer mehr Menschen ziehen sich in sich selbst zurück, sie drehen sich um sich selbst, versumpfen in ihren eigenen Gefühlen und verlieren das bisschen Mitgefühl, das sie einst vielleicht hatten, mitsamt der Empathie. Mit diesem Rückzug zieht sich der Blick auf das große Ganze zurück, der Blick über den eigenen Tellerand geht verloren und fokussiert sich auf die eigene kleine Welt. Diese ist gefühlt umso bedrohter, je mehr Angst Menschen verspüren. Angst spaltet unsere Psyche und uns selbst von anderen.

 

Wer Angst kennt weiß: Angst macht eng und kreist immer um sich selbst. 

Je mehr Angst, desto weniger Raum für Mitgefühl. Angst legt sich wie ein dunkler Schatten über alles Lebendige und lässt uns erstarren. Ängstlich wird festgehalten, ängstlich wird vermieden, ängstlich wird verteidigt, ängstlich wird der Zaun um das ängstliche Selbst immer enger gezgen und die Welt da draußen wird klein und kleiner. So klein, dass damit auch das Gefühl für andere Menschen klein und kleiner wird. Der Andere zählt nur noch als Verstärker für die eigene Wahrnehmung und die eigene Sicht der Dinge. Wer ähnlich denkt ist Freund, wer anders denkt ist Feind. Die Angst braucht Feindbilder um sich selbst zu begründen und zugleich ist das Feindbild das Futter, das sie nährt, am Leben hält und verstärkt. 

 

Angst und Mitgefühl vertragen sich nicht.  

Angst essen Seele auf, besagt ein afrikanisches Sprichwort. Die ängstliche Seele wird zu einem zerfressenen Etwas, das nichts mehr zu geben hat. Je mehr wir uns von der Angst beherrschen lassen, desto unmenschlicher werden wir im Fühlen und Denken und im Handeln. Wir verlieren nicht nur das Mitgefühl für die Anderen, wir verlieren am Ende das Mitgefühl für uns selbst. Und damit verlieren wir das Wesentliche, was uns hilft Leid zu lindern. 

 

 

 

 

 

 

 

 

Sonntag, 25. April 2021

Aufmerksamkeit unserer Aufmerksamkeit gegenüber

 

                                                                 Foto: A. Wende

 
Für unser seelisches Wohlbefinden ist es wichtig, dass wir unsere Emotionen regulieren und lenken können. Ebenso wichtig für unser Wohlbefinden ist der Aspekt der Aufmerksamkeit.
Genau wie unsere Gedanken und Gefühle haben die meisten von uns auch die eigene Aufmerksamkeit nicht sonderlich unter Kontrolle. Wir richten sie meist auf das Außen. Damit dirigieren wir das Bewusstsein weg von uns selbst, hin zu allem, was mit uns selbst nicht unmittelbar zu tun hat. Wir fokussieren und konsumieren das Außen und vergessen uns selbst dabei. Wir beschäftigen uns mit Information von Außen, denken über andere nach und was sie denken und meinen. Wir lenken unsere Aufmerksamkeit auf die Vergangenheit oder in die Zukunft. Wir lenken sie auf Sorgen, Befürchtungen und auf Projektionen. Wir lassen uns von schlechten Meldungen triggern und vieles mehr. Und zu allem Überfluss fragt unser Gehirn ständig: Was ist als nächstes dran, anstatt im Moment präsent zu sein.
Unsere Aufmerksamkeit wird geradezu absorbiert von irgendwelchen äußeren Dingen. Damit verlieren und verschwenden wir unendlich viel mentale Energie und absorbieren im Gegenzug unheilsame Energien, die unserem seelischen Wohlbefinden schaden.
Wir gehen ziemlich achtlos mit unserer Aufmerksamkeit um, und wundern uns, dass wir immer unruhiger und unklarer werden.
Wie geht es uns damit?
Meist nicht gut.
Wir haben ein wildes Affengeschnatter im Kopf. 
 
Wie könnten wir anders entscheiden, so, dass es uns besser geht, so dass wir ruhiger, zentrierter und klarer werden?
Indem wir beginnen mit der Ausrichtung unserer eigenen Aufmerksamkeit bewusst umzugehen.Wir könnten entscheiden, sie dorthin zu lenken, wo sie hilfreich für uns ist, dorthin, wo wir sie haben wollen. 
 
Wir könnten uns einmal ruhig hinsetzen und uns fragen:
Dient die Richtung, in die ich meine Aufmerksamkeit lenke, meinem eigenen Wohl?
Dient sie meiner inneren Ruhe?
Dient sie meinem inneren Frieden?
Dient sie meiner Selbstentfaltung?
Dient sie meinem Selbst - Bewusst - Sein?
Dient sie meiner Selbstentfaltung?
Dient sie meiner Selbstfürsorge?
Dient sie meiner Selbstfreundschaft?
Dient sie meiner Lebensfreude?
 
Unser Leben ändert sich, wenn wir aufhören unsere Aufmerksamkeit zu vergeuden und sie bewusst dorthin lenken, wo wir sie am Nötigsten brauchen – zu uns selbst hin, für uns selbst.

Donnerstag, 22. April 2021

Schweigen

 

                                                                Foto: A. Wende

 
Menschen schweigen,weil sie Angst haben.
Menschen schweigen, weil sie gleichgültig sind.
Menschen schweigen, weil sie ihre Ruhe haben wollen.
Menschen schweigen, weil sie nicht an sich selbst glauben.
Menschen schweigen, weil sie der eigenen Wahrheit nicht vertrauen.
Menschen schweigen, weil man sie gelehrt hat, den Mund zu halten und brav zu sein.
Menschen schweigen, weil sie meinen, doch nicht gehört zu werden.
Menschen schweigen, weil sie meinen, nichts zu sagen zu haben.
Menschen schweigen, weil sie Ausgrenzung fürchten.
Menschen schweigen, weil sie erschöpft und kraftlos sind.
Menschen schweigen, weil sie resigniert und mutlos sind.
Menschen schweigen, weil sie meinen, andere werden es schon richten.
Menschen schweigen, weil sie ihre eigene Größe nicht erkennen.
Viele Menschen schweigen.
Zu viele.

Dienstag, 20. April 2021

Wer willst du sein?

 

                                                                   Foto: A. Wende
 
 
Du hast gelernt in einer bestimmtem Weise über dich zu denken.
Du bist dem Gelernten gefolgt, weil du es für wahr hälst.
Du bist es gewohnt in dieser bestimmten Weise über dich zu denken.
Das ist deine Komfortzone.
Das sind alles Werturteile.
Wenn du dein Leben verändern willst, darfst du alle Werturteile über dich selbst hinterfragen und auflösen.
Wenn du das tust, weißt du vielleicht nicht mehr, wer du bist.
Wenn du nicht mehr weißt, wer du bist, dann kannst du wählen, wer du sein willst.

Montag, 19. April 2021

Hauptsache du hast einen Traum

 

                                                            Foto: A.Wende

Nenne dich nicht arm, wenn deine Träume nicht in Erfüllung gegangen sind;  wirklich arm ist nur, der nie geträumt hat.

Ebner-Eschenbach

 

"Zur Biografie einen jungen Menschen gehört es einen Traum zu haben", schreibt Daniel Levinson, der sich mit der Theorie der Lebenspannen befasst. Er konnte nachweisen, dass ein Traum für die Energie sorgt Ideen zu verwirklichen und eine Vision für das eigene Leben zu erschaffen und er stellte fest, dass Menschen, die einen Traum haben und ihn verfolgen, besser mit dem Leben zurecht kommen.

Eine Vision ist wie ein Leitfaden, wie ein Kompass, der uns auch über schwere Zeiten hilft den eigenen Weg nicht aus den Augen zu verlieren. 

Egal wie alt wir sind, zu unserer Geschichte gehört immer auch der Entwurf der Zukunft. Was aber wenn wir diesen Traum verlieren, weil seine Verwirklichung an äußere Grenzen stößt? So wie jetzt, wo die Träume unzähliger Menschen an der Realität zerbrechen. Was dann? Wo gehen wir dann hin in Gedanken, wenn der Kompass nicht mehr die Richtung zeigt, wenn unsere Vision eine Utopie geworden ist, ein Ort, den es nicht gibt oder nicht mehr gibt. Das zu erleben ist verstörend. 

Der Traum, der auf ein gelingendes Leben hinwies, ist wichtig für unser Selbstwertgefühl. Zerschellt der Traum an der Realität bröckelt es. Wir erleben einen Verlust und wissen nicht wonach wir jetzt streben sollen.

Das kleine Restaurant ist zu. Der Job ist gekündigt. Ein geliebter Mensch, mit dem wir unser ganzes Leben verbringen wollten, ist nicht mehr da. Der Verlag lehnt das Buch ab, das wir mit Herzblut geschrieben haben. Wir sind plötzlich chronisch krank und nicht mehr so kraftvoll wie einst. Alles zerschellte Träume. Und wir sitzen da, schauen auf unser traumloses Leben und wissen nicht mehr wohin mit uns. Das ist ein tiefer Einschnitt in unsere persönliche Geschichte. Und wir waren nicht einmal vorbereitet, dass er kommen würde, zu sehr haben wir unserem Traum vertraut, zu sehr waren wir damit beschäftigt ihn zu verfolgen und ihn zu leben. So sehr, dass wir nicht im Traum daran dachten, es könnte jemals anders sein.

Aber dabei haben wir etwas vergessen: Wir haben vergessen, dass die Zukunft nicht allein von uns selbst abhängt, sondern vom Leben, das sich ohne unser Zutun wandelt.  

Wir haben vergessen, dass das Leben auch anders sein könnte. Wir müssen erkennen, dass die Zukunft nicht einfach frei gestaltbar ist, sondern mitbestimmt von dem, was größer ist als wir. 

Das ist eine harte Lektion, auch für diejenigen unter uns, die sich all dessen bewusst waren. Die leibhaftige Erfahrung fühlt sich anders an, als das rationale Wissen, und auch das wussten wir, aber jetzt fühlen wir es. Und es tut verdammt weh. 

Ich habe das oft in meinem Leben fühlen müssen. Einige meiner liebsten Träume sind an der Realität zerbrochen. Aber es gibt eine Vision in mir, die immer weiter lebt, egal wie die äußeren Umstände sind - mein Traum von einer besseren Welt. Er bekommt jetzt Risse und an manchen Tagen verlässt mich die Zuversicht, aber ich halte daran fest, denn ihn aufgeben würde für mich bedeuten, den Glauben an die Menschheit aufzugeben. Würde ich das tun, würde ich damit mein Lebensgefühl der Kompetenz aufgeben - meiner Kompetenz bezüglich dessen, was ich tun kann um es besser zu machen für mich, für meine Nächsten, für meine Klienten. 

Es gibt Invarianten (Größen, die bei Eintritt gewisser Veränderungen unveränderlich bleiben), etwas, das immer bleibt, egal was geschieht, es gehört unabdingbar zu uns selbst. 

So wie das Schreiben zum Autor, so wie die Musik zum Musiker, so wie das Malen zum Maler und das Forschen zum Forscher gehört. Invarianten sind unzerstörbar und Teil unserer Identität. Wenn wir einen invarianten Traum haben, eine Vision, die über uns selbst hinausgeht, ist das ein Geschenk, denn dieser Traum hält der Realität stand. Alles kann zerbrechen, aber die Vision bleibt. Sie ist unzerstörbar. 

Was aber wenn es im Leben eines Menschen eine solche Invariante nicht gibt? Wie lebt er weiter wenn sein persönlicher Traum verloren ist? Es einfach hinnehmen? Ja, erst einmal. Demut lernen. Den Verlust betrauern. Abschied nehmen. Und dann darüber nachdenken, ob es nicht einen anderen Lebensentwurf geben könnte. Mit dieser Haltung ist es leichter uns von einem Traum zu verabschieden, der, würden wir wider besseren Wissens daran festhalten, unsere Gegenwart und unsere Zukunft auffrisst und im Zweifel unsere Seele.

Wir müssen einiges im Leben hinnehmen, aber nicht alles, selbst im tiefsten Verlust nicht. Würden wir das tun, würden wir der unheilsamen Überzeugung folgen, dass das Leben nicht beeinflusst werden kann.  

Wir würden unser Kompetenz als Gestalter abgeben und in Fatalismus versinken. Resignation würde sich breit machen. Wir würden uns im Hinnehmen einrichten und mit der Zeit innerlich verkümmern. Und damit würde unser ganzes Leben verkümmern. Wenn das geschieht, legt sich eine schwere Decke über allen Willen zur Utopie. 

Was uns dann noch retten kann ist die Imagination, die kreative Vorstellung, wie das Leben auch anders sein kann, als wir es uns erträumt haben oder als wir es gewohnt waren. Imagination öffnet den Zugang zur Fantasie - und diese ist fähig einen neuen Traum zu kreieren. Egal wie realistisch oder wie unrealistisch er sein mag - Hauptsache du hast einen Traum.

 

 

 

 

 

 

Sonntag, 18. April 2021

Vom Wert des Schönen

                                                                   Foto: A. Wende
 

„Man kann auf Dauer nur an etwas glauben, was man auch schön findet“, dieser Satz ist von dem Theologen Fulbert Steffensky.

Seine Worte berühren mich. Ja so ist es, das, woran ich glaube, das empfinde ich als schön, auch wenn es andere vielleicht so nicht wahrnehmen.

Die Schönheit der Dinge, die Schönheit einer Begegnung, eines Lächelns, einer Blume, die Schönheit eines Musikstückes, eines Kunstwerkes, eines Menschen, berührt mich. Schönheit sehen und sie empfinden schenkt mir Kraft und Zuversicht,  auch und besonders in Zeiten wie diesen. 

 

Schönheit tröstet mich, sie lässt mich das Unschöne in einem weniger dunklen Licht sehen. 

Schönheit bringt Licht in die Dunkelheit. Sie erhellt mein Herz und meine Seele und sie nährt meinen Glauben an das Gute und das Wahre. Im Guten und Wahren liegt der Schönheit Urgrund. Aus dem Guten und dem Wahren wird Schönheit geboren. Nichts was gut und wahr ist, ist jemals unschön. Und auch wenn es eine bittere Wahrheit ist, so ist sie doch in gewissem Sinne schön, weil sie uns vom Unschönen der Lüge in das Schöne der Wahrheit stößt. 

 

Man kann auf Dauer nur an etwas glauben, was man schön findet. In diesem Satz liegt so viel Wahrheit. 

Wenn wir etwas nicht schön finden, glauben wir nicht daran, und wenn wir etwas nicht mehr schön finden, verlieren wir den Glauben daran. Das kann eine Sache sein, eine Situation, ein Zustand, eine Beziehung, eine Tätigkeit, ein Gefühl. Genauso kann es geschehen, dass wir uns von einem Menschen abwenden, dessen Verhalten, dessen Werte, dessen Handlungen und Lebensweise wir nicht mehr schön finden. Wir verlieren den Glauben an diesen Menschen, weil wir das Ungute, was er tut, nicht schön finden und wir empfinden vielleicht sogar sein Äußeres nicht mehr als schön, weil es sein Inneres wiederspiegelt. Das alles berührt uns in einer unschönen Weise und schließlich wenden wir uns von diesem Menschen ab, weil es uns abstößt oder gar schmerzt zu sehen, wie er das Gute, das Wahre und das Schöne zerstört und damit sich selbst und alle die ihm nahe sind. 

 

Aber auch wenn wir uns abwenden, wir können und sollten das Unschöne nicht aus unserem Leben verbannen.

Wir sind umgeben davon, denn wir sind keine Insel, und wir können vom Schatten des Unschönen, des Unwahren und des Unguten lernen. 

Die äußeren Schatten mit denen wir konfrontiert sind, weisen uns auf die verdrängten Schatten in uns selbst – also auch auf die Ablehnung des Unschönen in uns selbst. Wenn wir dies anerkennen, können wir dem Unschönen mit Dankbarkeit und Mitgefühl begegnen – dem im Außen und dem in uns selbst. 

 

Das Unschöne, das Ungute, das Ungute ist perfekt um das Schöne, das Wahre und das Gute in uns selbst zu entdecken, es zu leben und daran zu glauben. Damit verfestigen wir den Glauben an uns selbst.

 

 

 

 

 

 

 


 

Samstag, 17. April 2021

Identität

 

                                                                   Foto: A. Wende

Wenn eine Sache in unserem Leben keinen Zweck mehr erfüllt, geht sie kaputt. Oder sie verlässt uns vielleicht sehr unvermittelt. Ein anderes Mal fehlen plötzlich einige Teile und machen es unmöglich die Sache wieder zusammenzufügen. Wenn wir also versuchen an etwas festzuhalten, was seinen Zweck in unserem Leben erfüllt hat, werden wir uns unweigerlich wehtun.

Aber warum ist es so schwer loszulassen, warum ist es so schwer den Griff zu lockern, so schwer nicht mehr anzuhaften?

Weil wir mit einem Verlust auch ein Stück unserer Identität verlieren. Weil da etwas kaputt geht, was zu unserem Ganzen gehörte, etwas, worüber wir uns definiert haben, etwas, was so vertraut und gewohnt war, dass sein Wegbrechen eine Loch in unser System reißt. 

Ein Stück Identität reißt ab. Wie eine Amputation fühlt es sich an, ein Phantomschmerz. Wir sehen darin zunächst keine Entwicklung, wir fühlen nur den Schmerz des Verlustes. Und zugleich spüren wir, dass eine Veränderung in unserem Identitätserleben ansteht. Wir sind zutiefst verunsichert.  Wir können nicht so einfach in eine andere Identität hineüberwechseln. Etwas in unserem Leben hat seine Koheränz verloren. 

Je größer der Verlust, desto mehr erleben wir ihn als Identitätskrise. Und obwohl wir wissen, dass sich unser Leben ständig verändert, dass auch wir uns ständig verändern und dennoch in unserem Wesen immer die Gleichen bleiben, stehen wir vor etwas Fremden. 

Es liegt jetzt an uns, uns dieses Fremde vertraut zu machen, es in unser Leben zu integrieren um es als weiteren Teil unserer Identität anzunehmen indem wir es in uns aufzunehmen. Es liegt an uns anzuerkennen: Wir sind auch das, wir sind die Synthese von all dem, was wir waren, was wir sind und was wir sein werden. 

Je hartnäckiger wir uns weigern das zu akzeptieren, desto mehr verliert unser Leben an Koheränz, wir entfremden uns von uns selbst.


Montag, 12. April 2021

Raus aus dem Jammertal des Selbstmitleides

                                                              Foto: www

Wir kommen nie aus den Traurigkeiten heraus, wenn wir uns ständig den Puls fühlen.

Martin Luther

 
Selbstmitleid ist ein Hilfsmittel um Aufmerksamkeit und Mitgefühl zu erreichen und manchmal ist es ein Schwelgen in den eigenen Empfindungen. Das ist okay. Eine Phase, in der wir uns selbst Leid tun, kann sogar positive Auswirkungen auf unser seelisches Befinden haben und positive Gefühle erzeugen. Es gibt Studien, die zeigen, dass Menschen mit starkem Selbstmitleid mehr Verantwortung für eigene Fehler übernehmen als diejenigen mit einem ausgeprägten Ego. 
 
Eine heilsame Wirkung entfaltet Selbstmitleid aber nur dann, wenn es kurzfristig auftritt.
Dauert es an und wird zur Gewohnheit, kann es schwere psychische Probleme nach sich ziehen. Selbstmitleid ist immer begleitet von Frust, Wut oder Trauer. Wie eine fortschreitende Krankheit ziehen diese unheilsamen Gefühle Energie ab und untergraben jegliche Motivation und Kreativität. Selbstmitleid hindert uns daran, das zu tun, was wir tun könnten oder tun sollten. Es führt dazu Hilfsangeboten zu trotzen und Problemen Lösungen entgegenzusetzen. Es kann zu tiefer Hoffnungslosigkeit, Resignation, Verbitterung, Lebensüberdruss, Selbstdestruktivität, Depressionen und Suchterkrankungen führen.
 
Der chronisch Selbstmitleidige weint viel, er bedauert sich selbst und das Leben, das ihm so übel mitspielt. Er verliert dabei die klare Sicht auf die Dinge und übersieht seinen eigenen Anteil an dem, was er bedauert.  
Sein Denken ist: "Alles ist gegen mich." Er fragt sich ständig: "Warum Ich?" „Was habe ich verbrochen, dass es mir so schlecht geht?" "Mir kann keiner helfen."
Selbstmitleid wirkt wie ein Betäubungsmittel. Es blickt nur auf sich selbst und seine eigene Not. Es beschert kurzfristig ein Wohlgefühl und isoliert sein Opfer nachhaltig von der Realität. Wer im Selbstmitleid versinkt fühlt sich hilflos. Er verschließt sich innerlich und landet über kurz oder lang in der Opferrolle – inklusive Ohnmachtsgefühlen und Schuldzuweisungen. Ein Mensch in der Opferrolle delegiert letztlich Schuld und Verantwortung immer an andere und bleibt passiv. 
 
In Selbstmitleid zu versinken ist leicht, schwer ist es, da wieder herauszukommen. Aber gibt es hilfreiche Strategien um dem tiefen Jammertal des Selbstmitleides zu entkommen.
1. Über das eigene Leid sprechen und die Gefühle, die es auslöst genau beschreiben. In einem Tagebuch festhalten und aus der Beobachterposition draufschauen um Distanz einzunehmen.
2. Sich die Dinge, die noch gut funktionieren, bewusst machen.
3. Aufhören nach Gründen zu suchen, die das Selbstmitleid verstärken und Lösungen suchen, die weiter führen.
4. Sich fragen, was würde ein anderer, den ich bewundere, in meiner Lage jetzt tun?
Und vor allem:
5. Anstatt Selbstmitleid ein gesundes Selbstmitgefühl entwickeln.
Beim Selbstmitleid liegt der Fokus darauf, sich selbst zu bemitleiden. Selbstmitgefühl ist der verständnisvolle, liebevolle, gütige Umgang mit uns selbst. Statt uns also zu fragen, warum es uns so mies geht und warum das Leben so ungerecht ist, ist es heilsamer Verständnis für die eigene Situation aufzubringen. 
 
Während Selbstmitleid sich selbst bedauert, destruktiv und passiv ist, tröstet Selbstmitgefühl sich selbst. Es konstruktiv und pro-aktiv.

Samstag, 10. April 2021

Wie geht ein gutes Leben in dieser Krise?

                                                                       Foto: www

Die Änderung der eigenen Misere von anderen zu verlangen, ist unwirksam.

Gestern fragt mich eine Klientin: Wie geht ein gutes Leben in dieser Krise?

Ich frage sie, wie denn ihre Tage aussehen.

Naja, antwortet sie: Ich stehe am Morgen auf, ich räume auf, ich arbeite, ich koche, ich esse, ich gehe spazieren, ich geh zu Bett, ich stehe auf, ich arbeite. Und täglich grüßt das Murmeltier.

Ja, das ist nicht viel. Und was macht Ihnen Freude?

Tja, es geht ja nichts mehr. Kein Urlaub, kein nettes Essen mit Freunden im Restaurant, keine Mittagspause im Café, kein Einkaufsbummel am Wochenende, kein Fitnesstudio. Ich frage mich ernsthaft, wie abhängig ich von all dem bin, was es einmal gab, so als gäbe es nichts sonst was mir Freude macht, also im Grunde frage ich mich gerade, wie abhängig ich davon bin, mich auf etwas zu freuen.

Sich auf etwas freuen gehört zum guten Leben, antworte ich. Sich auf etwas freuen können, trägt zu unserem Wohlbefinden bei. Das ist wichtig.

Wir schauen uns genau an was meiner Klientin Freude macht.

Sie erkennt, dass es alles Dinge oder Erlebnisse sind, die vom Außen abhängen.

Und damit sind wir bei der Ausgangsfrage: Wie geht ein gutes Leben in dieser Krise?

 

Über das gute Leben haben Philosophen und Psychologen viel und lange nachgedacht. Es gibt unzählige Bücher über das gute Leben und wie man es gestalten kann, aber es gibt noch kein Buch, das uns sagt, wie das in einer Pandemie geht. Es erfordert also anderes als wir den klugen Büchern entnehmen können, die vor dieser Zeit geschrieben wurden um ein gutes Leben zu gestalten angesichts eines äußeren Rahmens, der sehr eng ist.

 

Beginnen wir mit der Frage: Woran würden Sie merken, dass es ein gutes Leben ist, sage ich zu meiner Klientin.

Wenn ich mich gut fühle, kommt spontan.

Warum sind sie zu mir gekommen damals vor drei Jahren?, frage ich zurück.

Weil es mir schlecht ging.

Aha, antworte ich, damals gab es die Pandemie noch nicht und sie haben sich schlecht gefühlt.

Sie lacht. Ja das stimmt.

Also scheint es doch so zu sein, dass ihr Leben schon damals nicht gut war, als alles noch „normal“ war.

Stimmt auch, antwortet sie. Aber das waren andere Gründe.

Ja, aber sie haben sich auch damals wenn auch aus anderen Gründen, nicht gut gefühlt.

Ja, das ist wahr, aber worauf wollen sie hinaus?

Ich will ihnen zeigen, dass ein gutes Leben weniger von den äußeren Umständen abhängt, als sie glauben.

Aber wovon denn?

Woran würden sie merken, dass sie ein gutes Leben haben?

Wenn ich mich wohl fühle.

Und was brauchen Sie dazu?

 

Genau das ist die Frage, die wir uns jetzt alle stellen dürfen: Was brauche ich, um mich wohl zu fühlen?  

Brauche ich wirklich das, was ich jetzt gerade nicht haben kann? Oder gibt es etwas, was mir Wohlbefinden verschafft, auch wenn die äußeren Umstände nicht als Quelle für mein Wohlbefinden ausschöpfbar sind.  
Gibt es etwas, was ich für mein Wohlbefinden tun kann, was über die üblichen Tipps, die man zur Zeit im Netz finden kann wie Tagesstruktur schaffen, Kontakte halten, nicht zu viel negative Nachrichten konsumieren, positive Freizeitgestaltung, gesunde Ernährung, Bewegung, ausreichender Schlaf und Mindfullness praktizieren?

Alles gut und schön und auch hilfreich. Viele von uns machen all das schon, aber die Erfahrung nach über einem Jahr im Ausnahmezustand zeigt, wirklich wohl fühlen wir uns alle nicht. Das ist logisch und es ist okay, aber es hilft nichts, sich immer weniger wohl zu fühlen, weil uns das krank macht und zwar seelisch, geistig und körperlich. Wohlbefinden geht tiefer.

 

Hilfreich ist hier ein Blick in Richtung Positive Psychologie:

Nach der positiven Psychologie basiert Wohlbefinden auf fünf Säulen:

1.Positive Emotionen spüren

2. Sich für etwas engagieren

3. Verbundensein mit anderen Menschen erfahren

4. Sinn in unserem Tun finden

5. Selbstwirksamkeit: merken, dass wir etwas bewegen können

 

Wie übertragen wir das nun auf unser Leben im Jetzt?

Indem wir uns folgende Fragen beantworten:


1.   Was verschafft mir positive Emotionen? Wie kann ich selbst dafür sorgen, dass ich sie spüre? Und wenn ich etwas gefunden habe, was mir gute Gefühle macht, mache ich mehr davon.

 

2.  Wofür könnte ich mich engagieren? Was liegt mir am Herzen wofür ich mich einbringen kann? Was möchte ich mir geben? Was will ich in die Welt geben? Welche Werte will ich lebendig werden lassen – und zwar indem ich etwas dafür tue?

 

3.   Wie und mit wem erfahre ich Verbundenheit? Wie kann ich diese Verbundenheit intensiver gestalten? Wie kann ich in dieser Verbundenheit etwas bewirken?  Können wir gemeinsam etwas was tun, was uns gegenseitig hilft oder anderen?

Sind es nur Menschen, die mich das Gefühl von Verbundenheit spüren lassen, oder gibt es da anderes, was mir dieses Gefühl schenkt? Und die entscheidende Frage: Mit wem oder was will ich mich überhaupt verbinden? Welche Schritte muss ich tun? 

 

4.  In welchem Tun finde ich Sinn? Und bevor wir uns tief in der Sinnfrage verfangen, genügt die Frage: Welche kleinen Dinge geben mir das Gefühl von Sinn? Was kann ich tun, was sich für mich sinnvoll anfühlt in diesem Moment, Moment für Moment, immer wieder? Was mache ich wenn der große Sinn, den ich hatte, gerade nicht lebbar ist? Welche lebbaren Alternativen gibt es für mich? 

 

5.   Was schenkt mir das Gefühl von Selbstwirksamkeit? Wo kann ich etwas bewegen? Auch das muss nicht das ganz große Ding sein. Wo kann ich in meinem Alltag Dinge bewegen, die mir ein Gefühl geben von: Super, was du heute geschafft hast! Oder: Schön wie du kleine Schritte machst auf dein Ziel hin, was immer es auch sein mag. Oder: Gut, wie du für dich sorgst!

Wenn wir etwas über uns selbst hinaus tun wollen, können wir uns fragen: Was, wie und wo kann ich etwas für andere tun, was mir selbst Freude macht, wo ich das Gefühl habe etwas zu bewirken?

 

Wenn wir all diese Fragen beantworten, werden wir erkennen, dass wir selbst in Zeiten in denen das Außen wenig Freude und Wohlbefinden bietet, ganz viel haben, was wir aus unserem eigenen Inneren heraus an Wohlbefinden in unser Leben holen können.  

Auch das ist Erfahrung von Selbstwirksamkeit, Sinngebung und positiven Emotionen. Wir sind alle so viel mehr als wir denken. Wir müssen es nur zulassen, es zu sein. Da ist etwas sehr Wertvolles, was uns diese Krise lehren kann: Wir sind mehr als wir glaubten zu sein und viel weniger abhängig von dem, was uns wichtig erschien.

Ich für meinen Teil habe bis jetzt aus der Krise gelernt: Ich bin abhängiger als ich dachte, aber ich bin unabhängiger, als ich es mir je träumen ließ.