Montag, 25. Februar 2019

Furcht



Foto: A. Wende

Furcht ist eine Reaktion auf die Vorstellung von Künftigem, was nach unserer Meinung geschehen könnte. Furchtbeladenen Fantasien von der Zunkunft machen unser Ausdrucksvermögen im Jetzt zunichte. Sie führen in die Sackgasse.
Wir sind niedergedrückt.
Wir sind handlungsunfähig.

Furcht erzeugt Angst.
Gefangen in der Angst identifizieren wir uns mehr und mehr mit dem was sein könnte und sorgen so unbewusst dafür, dass wir genau das herstellen wovor wir uns fürchten. Wir verkriechen uns in unsere Welt der Angst und schotten uns von allem ab, was uns das Gegenteil unserer Fantasien beweisen könnte. Wir sehen alles was nicht in unsere Fantasie passt als Angriff auf unsere inneren Vermutungen und Überzeugungen. Der Kontakt zu uns selbst und unserer Umgebung wird geringer. Wir schränken unsere Wahrnehmung ein und kehren uns vom direkten Erleben ab.
Wir isolieren uns.
Sind wir an diesem Punkt angelangt, identifizeren wir uns vollkommen mit unseren Kathastrophenfantasien.
Wir erstarren.

Würden wir von den Fantasien über eine Kathastrophe frei werden, indem wie sie als Fantasie wahrnehmen, wären wir frei uns auszudrücken.
Was sich nicht ausdrückt, drückt sich ein.
Ausdruck, egal auf welche Weise, hebt die Starre auf.

Samstag, 23. Februar 2019

Gedankensplitter


 
Foto: A. Wende

Opfer in und für die Liebe machen die Liebe nicht größer und auch nicht erfüllender. 
Zu viel geben brennt aus. 

Wer zu viel geben will, erwartet meist auch zu viel. 
Wer viel gibt ohne genug zurückzubekommen, vernichtet sein Selbstwertgefühl.
Er verliert den Blick für seine eigenen Bedürfnisse. 

Er wird emotional abhängig.
 Er kämpft sich ab im Versuch einen Liebesersatz zu gestalten, 
für einen schmerzhaften Mangel an Liebe, der so alt ist wie er selbst.

Neurose und Angst





Die Neurose ist zunächst die sinnvolle Antwort des Einzelnen auf irrationale und kranke Umstände und Zustände. Die neurotische Erfahrung führt nun aber dazu, dass sich die Wahrnehmung von sich selbst und der Umwelt, und somit das Verständnis für sich selbst und die Umwelt reduziert.
Es kommt zur Anpassungsstörung und damit zum inneren und äußeren Konflikt.
Persistierender Konflikt tendiert zu Anspannung und Enge.
Enge tendiert zu Angst.
Angst entsteht weil die Erregung der kreativen Anpassung unterbrochen wird.
Jede lang anhaltende Unterdrückung gesunder Aggression führt zu Angst.
Nicht die Angst vor etwas oder in einem Konflikt ist das eigentliche Problem, sondern vielmehr der nicht bearbeitete Konflikt, er provoziert Angst.
Dauerkonflikte produzieren problematische Angst. Es kommt zu Dauerspannungsangst.
Chronisch werdende Angst führt in die Neurose.
In der Neurose herrscht das Gefühl ständiger Gefahr und Bedrohung.
Das Selbst wird angegriffen.
Es kommt zum Verlust der Funktion des Selbst.
Der Wille schwindet.
Die Angst wird mächtiger.
Der Mensch ohnmächtig.
Er leidet.

Lösungsansatz: Das Ziel besteht nicht darin den Neurotiker an die Umwelt anzupassen, sondern die Umwelt den eigenen Bedürfnissen entsprechend zu verändern und zu gestalten.


Dienstag, 19. Februar 2019

Was also ist wirklich wahr?




Malerei: Angelika Wende

Wer weiß schon, was die Wahrheit ist? Niemand weiß das.  
Ist das wirklich wahr?
Die große Frage, was die Wahrheit ist, hat die Menschen und damit auch die Philosophen aller Zeiten schon immer beschäftigt. Die meisten werden wohl mit Aristoteles übereinstimmen, der meinte, dass etwas, das von der Welt sagt, sie sei so und so, wahr ist, wenn die Welt auch wirklich so und so ist. Für Aristoteles ergab sich Wahrheit weiterhin daraus, dass viele Menchen mit einer Meinung oder einer Annahme übereinstimmen. Wenn also genügend Leute daran glauben, ist etwas wahr? Die Geschichte liefert haufenweise Beweise, dass die Masse nicht für die Tauglichkeit der allgemeingültigen Wahrheit prädestiniert ist. Was wäre Millionen von Menschen erspart geblieben, ohne die ins Verderben treibende Wahrheit Adolf Hitlers, mit der die Mehrzahl des deutschen Volkes übereinstimmte? 

Wahrheiten auf die sich die Masse einigt, erzeugen allerdings Wirklichkeit. Es stellt sich nun aber wiederum als äußerst schwierig heraus genau zu sagen, was denn Wirklichkeit ist. Und schon haben wir das nächste Problem mit der Wahrheit

Was also ist wirklich wahr? Manche Theorien behaupten, dass Wahrheit in Kohärenz oder in Konsens besteht. Das bedeutet: Eine Aussage ist wahr, wenn sie keine inneren Widersprüche aufweist oder wenn Experten sich einig sind, dass sie wahr ist. Das ist wohl wahr. Würden wir diese Wahrheit anzweifeln, würden wir damit alle Erkenntnisse der Naturwissenschaften über den Haufen werfen und die Erde könnte dann ja doch eine Scheibe sein, weil ja nichts wirklich wahr ist. Auch die Medizin wäre auf verlorenem Posten. Aber Hand aufs Herz, wer würde die Wahrheit einer Herzerkrankung leugnen, die definitiv festgestellt wurde und nach den Wahrheiten der Medizin behandelt wird? In der Tat, es gibt also Wahrheiten. Der Spruch, dass nichts wahr ist, den so manche vermeintlich ganz Schlaue immer wieder gerne benutzen um die Wahrheit anderer in Frage zu stellen, sich aber keine Mühe machen diese Aussage überzeugend zu begründen, nach dem Motto: Hauptsache ich sage was, was die Wahrheit des anderen in Frage stellt, ist damit nicht wahr.
Natürlich gibt es Wahrheiten und natürlich gibt es eine Wirklichkeit in der wir leben,  die wir jeden Tag spüren und sehen können und in der wir uns bewegen müssen um zu leben, unser Geld zu verdienen, unsere Wege von A nach B zu gehen, unsere Kinder zu erziehen, eine Reise zu buchen und so weiter. Was allerdings nicht heißt, dass nicht ein Jeder seine eigene Wahrnehmung und damit seine eigene Wahrheit über sich selbst, seine Mitmenschen und das Leben besitzt.

Für jeden ist die Wahrheit und damit die eigene Welt so beschaffen, wie er sie ob seiner Erfahrungen, seiner Konditionierungen und seiner Biografie sehen kann und über den Filter seiner ganz persönlichen Wahrnehmung aufnimmt und beurteilt. Können wir deshalb Wahrheit als Richtigkeit verstehen? Sicher nicht, sondern vielmehr ist sie eine innere Norm, nach der Menschen sich ausrichten und ihr Leben gestaleten. Unsere inneren Wahrheiten sind etwas Relatives und sie sind damit nicht unfehlbar. Wahrheit und Unfehlbarkeit sind zwei völlig verschiedene Dinge, denn unfehlbar bin ich auch dann nicht, wenn ich Recht habe, denn ich habe die Wahrheit nicht gepachtet. 
 
Ein anderer hat die seine und wenn er sie mir ausreichend erklärt und begründet, ist meine Akzeptanz seiner persönlichen Wahrheit mein Eingeständnis, die Wahrheit nicht gepachtet zu haben, sondern sie eben nur als die meine zu besitzen. Das zeugt von Respekt und Wertschätzung. Übrigens, emotionale und geistige Mangelware in heutigen Zeiten. Hingegen gibt es das Phänomen, dass die Wahrheiten anderer nicht einmal überdacht werden, bevor sie vehement abgelehnt oder gar angegriffen werden. In Sekundenschnelle werden Reizwörter dazu benutzt um die Wahrheit des Anderen anzufeinden und die eigene Wahrheit dagegen zu setzen, ohne sich überhaupt die Mühe zu machen erst einmal zu überdenken, was da von einem selbst überhaupt in der ganzen Komplexität wahrgenommen wird. 

Zwischen Reiz und Rektion liegt ein Raum, sagte einst Victor Frankl. Er würde sich wundern, wie winzig klein dieser Raum im digitalen Zeitalter geworden ist, so winzig, das für echte Kommunikation kaum mehr Raum bleibt. Jeder ist eine Insel. Jeder hat seine Wahrheit. Und jeder hat das Recht sie zu fühlen, zu denken, nach ihr zu handeln und sie auszusprechen. Sogar wenn sie Werten auf die sich Menschen geeinigt haben, widerspricht. Er muss sich nur bewusst darüber sein, dass er die Konsequenzen zu tragen hat. 

Jeder hat seine Wahrheit und die brauchen wir auch. Unsere innere Wahrheit formiert unsere Identität. Sie schafft, ob der Bodenlosigkeit des Daseins ein Fundament auf dem wir gehen können, auch wenn die menschliche Existenz und das Leben instabil sind. Meine persönliche Wahrheit gestattet mir der Mensch zu sein, der ich geworden bin.  Das heißt nicht, dass sie eine unveränderbare statische Sache ist. Innere Wahrheiten können sich ändern. Kluge Menschen verfügen über eine achtsame Wahrnehmung, die weit ist und offen für das Mögliche, ebenso wie für das Unmögliche. Kluge Menschen ändern ihre Wahrheiten gar bisweilen, dann nämlich wenn ihnen das Leben neue Erkenntnisse geschenkt hat. Und vor allem: Kluge Menschen greifen andere nicht für deren Wahrheiten an, weil sie um die Relativität der Wahrheit wissen.






-->

Sonntag, 17. Februar 2019

Die selbstzerstörerische Trauer des Narziss



Foto: A.W.

Trauer, das Tor in den Bereich des Schmerzes, der Angst, der Wut, der Ohnmacht.
Untröstliche Traurigkeit als Prädisposition zur Verzweiflung.

Traurigkeit, die psychische Repräsentation eines erlittenen Verlustes.
Traurigkeit, die Antwort auf einen Auslöser.
Der Rhythmus des Lebens bricht zusammen.

Der an seinem Schmerz Leidende verlangsamt im Handeln, im Denken. Das Schweigen ist lang. Stillstand ob des Bruches, der das Gestern vom Heute mit einem radikalen Schnitt trennt.
Apathie.
Leere.
Ist der Sinn durch den Verlust gebrochen ist das Leben in Gefahr.

Das notwendige Objekt ist verloren.
Das Ich hat überlebt. Zerfällt in Stücke. Fragmeniert.
Verlassen, aber nicht getrennt von dem, der es noch immer nährt.
Das Ich nimmt es, um es nicht zu verlieren, in sich auf.
Macht sich zu Eigen, was nicht Eigenes ist.
Dementiert so den Verlust.
Untröstbar verschmolzen in Zweisamkeit mit dem, was nicht mehr ist, gleitet es in Schwermut.

Es gelingt nicht Trennung zu erzeugen.
Ohnmacht.
Zusammenbruch.
Depressive Verleugung.
Lebensverneinende Depression.
Das Ich löst sich auf.
Beleidigt vom Tod des Objektes, muss es sich in seiner Wut auf das Verlassenwordensein selbst zerstören.




Samstag, 16. Februar 2019

Scheitern am Gescheiterten



Zeichnung: Angelika Wende

Scheitern tut weh. Egal womit oder woran wir scheitern. Aber so unschön es ist: Scheitern gehört zum Leben. Wer das verinnerlicht hat, scheitert sicher nicht leichter, aber er akzeptiert, das es so ist und immer wieder so sein kann. Er zieht eine Lehre aus dem Scheitern, er atmet durch, verarbeitet was war, sammelt Kraft, steht auf und sucht neue Wege.

Für manche Menschen aber sind Misserfolge eine echte existentielle Bedrohung.
Sie sehen sie als persönlichen Angriff. Sie glauben, das Leben meint es nicht gut mit ihnen. Sie fühlen sich als Opfer der Umstände. Sie lernen nichts aus dem Scheitern und machen immer wieder die gleichen Fehler. Sie sind verbittert und wollen gar nichts Neues mehr ausprobieren, weil ihnen ein Scheitern unvermeidlich erscheint. Sie halten an unguten der gar selbstschädigenden Gewohnheiten fest. Gewohnheiten haben jedoch die Eigenschaft sich durch wiederholtes Handeln zu manifestieren. Im Guten wie im Unguten.

Je mehr sich ungute, selbstzerstörerische Gewohnheiten manifestieren, desto weiter geht die Spirale des Scheiterns nach unten.
Der Mensch gibt schließlich auf, sich selbst und jeden inneren Antrieb. Er sitzt fest in einer Lähmung, die jede Bewegung zur übergroßen Anstrengung macht. Das Leben stagniert. Die Motivation und die Willenskraft schwinden. Die Angst den Boden unter den Füßen zu verlieren besiegt jede Zuversicht auf einen neuen Versuch das Leben zu bewältigen und verschluckt den Mut.
Diese Haltung führt unweigerlich ins große Scheitern, wo am Ende nur noch die Resignation steht. Der Mensch gibt auf. Er ist an einem Punkt, an dem weder nach Hilfe gefragt wird, noch Hilfe angenommen wird. Wir erreichen diesen Menschen nicht mehr.
Schrecklich, das zu erfahren. Schrecklich die Ohnmacht die wir dann empfinden, besonders wenn wir einen Menschen lieben.
Schrecklich nichts tun zu können.
Ein Punkt an dem wir scheitern.

Wir stecken fest in der Hilflosigkeit des Helfers.
Was können wir tun?
Wichtig ist, mit dem umgehen zu lernen was ist.

Es geht um Akzeptanz, es geht um das Loszulassen von dem, was sich nicht fassen lässt, was unveränderbar ist und nicht in unserem Einflussbereich liegt.

Wichtig ist sich jetzt um das zu kümmern, was möglich ist: Um uns selbst.
Dazu gehört die Trauer und den Schmerz zuzulassen und zu akzeptieren, das wir nichts mehr tun können. Das ist schon eine Riesenleistung, die Kaft kostet. Eine Leistung, die unseren Alltag erschwert, denn die Gedanken an den Verlust, die Trauer um den geliebten Menschen, das Gefühl des eigenen Scheiterns, die Fragen nach dem Warum, die scheinbare Sinnlosigkeit des Leids, das doch nicht sein müsste, all das zehrt an unserer Energie. Dennoch und gerade deshalb: Wir müssen uns umorientieren, das heißt den Focus, der so lange auf dem anderen lag, auf uns selbst richten, auf unsere Genesung. Sie braucht Zeit. Und sie geht nur in ganz kleinen Schritten, in winzigen Schritten. Tag für Tag, Augenblick für Augenblick müssen wie ein Ziel oder ein gewünschtes Gefühl festlegen. Diese kleinen Schrittchen helfen uns dabei wieder neue Kraft zu sammeln. Sind wir mit der Zeit genug kleine Schrittchen gegangen, haben sich gute Momente angesammelt, werden wir erste Veränderungen in unserem Leben bemerken. Es kommt etwas in Bewegung zum Besseren hin. Unser Selbstvertrauen und unser Selbstbewusstsein wachsen. Wir gewinnen Mut uns der Angst zu stellen und Widerstände zu überwinden. Wir werden resilienter. Eine wertvolle Erfahrung im Scheitern. So traurig das auch ist.

Freitag, 15. Februar 2019

Abhängigkeit


Malerei: Angelika Wende

Allzu große Abhängigkeit macht fragil.
Wir stützen uns auf etwas oder jemanden, außerhalb von uns selbst.
Der Boden auf dem wir gehen fühlt sich trittunsicher an.
Die Angst vor der Bodenlosigkeit wächst.
In der Abhängigkeit können wie nicht bestehen.
Nicht vor uns selbst, nicht vor dem Leben.
Unser Sein, in Gefahr zu zersplittern.

Mittwoch, 13. Februar 2019

Gedankensplitter


 
Foto. A. W.


Es gibt vieles in unserem Leben, was wir nicht in der Hand haben. 
Aber die Essenz unserer Identität hat niemand in der Hand, außer wir selbst. 
Das ist eines der großen Potenziale des Menschen, die Fähigkeit, erhobenen Hauptes 
Anfeindungen, Schicksalsschläge, Verluste, Scheitern und Krisen zu meistern. 

Das ist Würde, 
Rückgrat bewahren und anzuerkennen, 
dass das Schwere zum Leben gehört wie der Tod. 
Es lässt sich nicht abspalten.
Abspalten würde bedeuten, dem Leben die Form zu nehmen.

Montag, 11. Februar 2019

Generation beziehungsmüde?



Foto: A. Wende

Es gibt leider eine ganze Menge Menschen, die nicht beziehungfähig sind. Und in Zeiten des Selbstoptimierungswahns und Selfie-Narzissmus werden es immer mehr.  Die Zahl der Singles steigt stetig an. Bei vielen folgt eine Affäre der anderen. Meist sind sie blitzartig kurz und am Ende ist die Enttäuschung auf beiden Seiten groß. Tja, wieder nicht der oder die Richtige, sagen sie sich dann. Ich habe einfach kein Glück oder ich bin zu kompliziert, zu tiefgründig, zu hochsensibel oder was es sonst für Gründe zu finden gibt, warum es partout nicht klappen will und sie immer wieder Zurückweisung oder Scheitern erfahren.
Und ohne sich zu fragen was ihrem Glück denn wirklich im Wege stehen könnte suchen sie weiter, probieren weiter und konsumieren weiter. Mensch nach Mensch nach dem Motto: Trial and Error. Es ist einfach jemanden zu finden via Tinder und diversen Singlebörsen. Ihn zu halten dagegen ist schwer.

Die virtuelle Welt ist voll mit Suchenden der Liebe. Wenn man genau hinsieht, könnte man sich fragen, was suchen die denn alle?

Sie suchen jemanden, der sie versteht, der sie nimmt wie sie sind, sie am Besten bedingungslos liebt, die gleichen Werte, Träume und Vorstellungen vom Leben hat wie sie selbst und vor allem, einen, der sie glücklicher macht als sie es mit sich selbst sind. Dann soll er/sie auch noch dem persönlichen Idealbild von Attraktivität entsprechen und eine Rakete im Bett sein und bitte nicht kompliziert oder anstrengend. 
Leute, wo bleibt der ehrliche Blick in den Spiegel?

Wie soll das funktionieren, wenn vieles von dem, was gesucht wird, im eigenen Seelenhaus nicht im Ansatz vorhanden ist?

Verständnis für die eigenen Macken und Neurosen, ein liebevoller Umgang mit mir selbst?
Habe ich das und all das andere was ich mir vom Partner ersehne?
Das könnte sich so manch Suchender der Liebe einmal in einer stillen Stunde fragen und dabei seine Hand aufs Herz legen und schonungslos ehrlich zu sich sein.
Immer mehr wird vom Partner eingefordert, was der Suchende selbst gar nicht leisten kann. Die Ansprüche sind extrem hoch und die Toleranzgrenze niedrig, was natürlich zur Folge hat, dass Beziehungen immer kürzer werden und Menschen zum Konsumgut mutieren. Und dann kommt das Schlagwort: Generation beziehungsmüde. So einfach ist das. Nein, so einfach ist es nicht.

Diese Generation ist nicht beziehungsmüde sie ist sich ihrer selbst müde. 
Sie ist unzufrieden vor lauter Überfluss. Satt und gierig zugleich. Narzisstisch und egozentrisch und mit wenig Mitgefühl ausgestattet, nicht einmal sich selbst gegenüber. Sie ist getrieben und zugleich müde vom Jagen nach dem, was man ihr vorgaukelt erjagen zu müssen. Sie ist überfüttert mit Idealvorstellungen, die kein Mensch erfüllen kann. 

Der Mensch ist heute nicht beziehungsunfähiger als zu anderen Zeiten, er bewertet Beziehung nur anders. Er überfrachtet sie mit Erwartungen, die illusorisch sind. Vom Wahn der Selbstoptimierung hin zum erwünschten Beziehungsoptimum ist der Weg schließlich nicht weit. 
Wenn ich von Selbstoptimierung spreche, meine ich nicht jene Menschen, die bewusst und stetig an sich selbst und ihrem inneren Wachstum arbeiten, sich ihren Neurosen stellen und etwas dagegen tun. Ich meine diejenigen, die nach dem Prinzip, immer mehr, immer besser, immer schneller leben und nicht genug bekommen von Anerkennung, Erfolg, Macht, Dingen und was sie sonst noch zu brauchen meinen um ein gutes Leben zu leben. Und das bitte möglichst angenehm und problemfrei. Haben anstatt sein ist die Haltung unserer Zeit und zeitgleich verkümmert der Mensch in einer Leere, die sich aus einer ungesunden Fülle an Äußerlichkeiten speist.

„Du bist mir nicht wirklich wichtig. Du interessierst mich nur so viel, wie du mir von Nutzen sein kannst.“ So in etwa ist die innere Haltung dieser Menschen und diese beeinflusst auch maßgeblich die Partnersuche.  
Der andere soll einen Nutzen bringen fürs gute Leben: Er soll als Heilmittelchen dienen für die eigenen Macken, Mängel und Bedürftigkeiten, damit diese nicht mehr gespürt werden. 
Ist er gefunden, macht er brav seinen Job, allerdings anders als gedacht: Er wird zum Spiegel genau dessen, was in uns selbst nicht so ist, wie wir uns das einbilden. Das Dilemma nimmt seinen Lauf. Passt nicht, heißt es eben dann am Ende. Weiter suchen. Aber gelernt wird nichts. 

Der Frust wächst und so geht der Trend geht zum Single-Leben mit ständig wechselnden Kurzzeitpartnern. Dabei schleichen sich allmählich bestimmte Muster ein, die dafür sorgen, sich nicht endgültig an einen Partner binden zu müssen.  
Angst vor zu viel Nähe, oh das schränkt  meine Freiheit ein. Keine Lust auf Kinder, die machen Stress und bringen Verantwortung mit sich. Langeweile oder Abneigung, sobald der erste Verliebtheitshormoncocktail sich verflüchtigt hat, oh, der andere hat ja Probleme wie ich, nö brauch ich nicht auch noch. 
Und so dreht sich das Liebeskarussell endlos weiter. Aufspringen, kurze schnelle Fahrt, abspringen und die nächste Runde. Die Suche geht weiter nach dem perfekten Partner, den es nicht gibt. Sich einen backen lassen geht nun mal nicht. 

Mit der Zeit häufen sich die unguten Erfahrungen aus vergangenen Beziehungen. Sie werden unverarbeitet in die nächste Beziehung mitgenommen und setzen dabei den neuen Partner unter Druck. Wie bitte hat Beziehung da noch eine realistische Chance?
Wer einfach nicht das passende Gegenstück findet, könnte sich selbst fragen, ob das, was er erwartet, nicht zu viel ist und ob er das, was er erwartet auch selbst wirklich geben kann und ob er bereit ist es zu geben in guten und in schlechten Zeiten. 

Oftmals müssen wir erst einmal an uns selbst arbeiten, wozu auch gehört die vorangegangenen Beziehungen aufzuarbeiten. Erst dann sind wir offen für eine neue Beziehung. Bis dahin zieht die eigene Neurose die andere treffsicher an. Ja, das Unterbewusstsein ist tricky. Und zwar solange bis wir ihm auf den Grund gehen. Also fangen wir doch erst mal bei der wichtigsten Beziehung an, nämlich die, die wir zu uns selbst haben. Und wenn diese sich dann hinreichend gut anfühlt, könnte das mit dem Anderen auch klappen. 

Namaste


Nicht drängen lassen




Foto: A. Wende

Nicht selten kommen Klienten zu mir, die "geschickt" wurden. In diesem Fall sind es meist ihre Partner, die meinen, sie sollten doch mal ihre Kindheit verarbeiten oder ihnen sogar eine Diagnose verpassen. Es ist in Beziehungen nicht selten, dass Dysfunktionales unreflektiert an den Anderen weitergegeben wird. Steter Tropfen höhlt den Stein. Dann sitzt dieser Andere irgendwann vor mir und sucht verzweifelt nach belastenden Kindheitserlebnissen, kann sie aber nicht finden. Nach mehreren Sitzungen stellt sich heraus, dass der Konflikt in der Beziehung oder beim Partner liegt, der seine eigenen Traumata und innerseelischen Konflikte auf sein Gegenüber projiziert.

Viele Menschen verbringen Stunden in der Therapie auf der Suche nach traumatischen Erlebnissen in der Kindheit. Sie wollen Erinnerungen finden, die ihnen erklären sollen, wieso sie leiden.
Sie sind davon überzeugt auf diese Weise ihre Probleme im Jetzt zu lösen und ihrem Leben mehr Leichtigkeit und Sinn zu verleihen. Fragt man sie dann nach traumatischen Erlebnissen lassen sich keine finden, zumindest keine, die dem Bewusstsein zugänglich sind. Natürlich hat jeder von uns ungute Erinnerungen aus der Kindheit und fast jeder Mensch ist auf irgendeine Weise mehr oder minder traumatisiert. Wir alle sind emotional Überlebende. Der eine mehr, der andere weniger. Aber es kommt immer darauf an, wie sich das Trauma auf unser gegenwärtiges Leben auswirkt. Manches verdrängt unser Gehirn, es spaltet es ab und das hat einen Sinn. Es ist eine Schutzfunktion um die Seele zu davor bewahren, etwas zu fühlen, was sie nicht ertragen könnte. Dann sollten wir auch nicht dran herummanipulieren, weil dies erheblich mehr Schaden anrichten kann als es der seelischen Gesundheit nützt.

Traumatische Erinnerungen haben die Tendenz ins Jetzt einzudringen und nicht die Unmöglichkeit sie abzurufen. 
Drängen sich Erinnerungen auf ist es selbstverständlich wichtig und hilfreich darüber zu sprechen um sie zu verarbeiten, weil sie unbewusst unsere Gefühlswelt, unser Verhalten und unser gesamtes in-der-Welt-sein beeinflussen. Für Menschen aber, die im Jetzt, nicht von schmerzhaften Erinnerungen gequält werden, kann es schädlich sein, wenn sie meinen, sie müssten in der Vergangenheit graben.

Niemals sollten wir uns drängen oder drängen lassen, ein Trauma zu bearbeiten, das keine Erinnerungen hat. Dies kann dazu führen, dass ein Mensch sich auf die Vergangenheit fixiert und dabei den Kontakt mit dem Hier und Jetzt verliert. Er gräbt in einer nicht abrufbaren Vergangenheit anstatt belastende Themen der gegenwärtigen Lebenssituation zu erkennen, sie anzugehen und zu lösen.



Sonntag, 10. Februar 2019

Alleinsein




Foto: A. Wende
ALLEINSEIN

In Levithans Wörterbuch der Liebenden“ schreibt der Ich-Erzähler, dass er, wenn er allein sei, diese Augenblicke erlebe, in denen er denkt: „Das ist es“.
Er brauche nur die Möglichkeit, zu tun und lassen, was immer er will, er sei dann er selbst.
Alleinsein ist Zuflucht und Falle zugleich.
Zuflucht?
Der Wunsch nach dem Alleinsein entsteht oft dadurch, dass man unter Menschen seine Bedürfnisse nicht in der Art befriedigt findet, wie man es sich ersehnt.
Falle?
Wenn das Alleinsein in die Isolation führt. Wenn vom Außen nichts mehr erwartet und nichts mehr genommen werden will. Wenn das Ich zum geschlossenen Mikrokosmos geworden, Wände errichtet aus Bitterkeit.
Enttäuschung von den Menschen, oder von sich selbst?


Freitag, 8. Februar 2019

Die Quelle der Liebe


 
Foto: Lucas Wende

Ein Zeichen des Mangels an Selbstliebe ist, dass wir nicht nur uns selbst gegenüber kritisch, abwertend und verurteilend sind, sondern auch andere ständig abwerten, angreifen, bewerten und verurteilen. Viele Menschen behandeln sich selbst und ihren Nächsten auf diese Weise. 

"Der Mensch panzert sich, weil er es in der Materialschlacht nicht aushält", schrieb der Dramatiker Heiner Müller.  Er trifft es auf den Punkt. Überforderung, Reizüberflutung, Existenzkampf, Druck, Stress, Funktionieren müssen, haben müssen, mithalten müssen, bezahlen müssen ... das ist unser Leben. Ein Kampf ums Überleben. Und dieser Kampf macht viele Menschen hart. Wohin wir blicken, wohin wir fühlen, spürbar liebevoller Umgang der Menschen mit sich selbst und anderen findet sich selten. Wir panzern uns zu, ob dieser Enttäuschung, wir sehen nur das Ungute. Je mehr wir unseren Focus auf das Ungute richten, desto intensiver nehmen wir es wahr und desto tiefer verinnerlichen wir es und halten es für die alleinige Wahrheit. Und am Ende ist es die böse Welt da draußen, vor der wir uns schützen müssen und schließlich emotional verabschieden. Wir panzern uns zu. Ja, es ist unschön was in dieser "Materialschacht" vor sich geht. Ja, und ich sage hier nicht, wir sollen wegschauen. Es macht keinen Sinn gegen etwas anzukämpfen, was unserem Einflussbereich nicht unterliegt. Aber müssen wir ein Teil dieser "Materialschlacht" sein oder es werden? Üben wir Gewaltlosigkeit in Gedanken und Handlungen oder wollen wir inneren und äußeren Krieg führen?


Wer seinen Verstand einschaltet und sein Herz befragt wird feststellen: Es muss etwas Attraktiveres geben als solch eine destruktive und freudlose Haltung uns selbst, der Welt und anderen gegenüber.  Die Welt können wir nicht ändern, die anderen können wir nicht ändern, das funktioniert nicht. Aber wir können ändern, was wir an uns selbst nicht mögen. Wir können uns den liebevollen Umgang schenken, die wir uns wünschen. Und nein, das ist keine hohle Phrase, kein Konzept, keine Illusion, kein Ding der Unmöglichkeit. Auch dann nicht, wenn wir als Kinder nicht geliebt wurden, auch dann nicht, wenn dieser Mangel in uns schmerzt. Auch dann nicht, wenn sich keine liebenden Augen auf uns gelegt haben. 


"Die Selbstliebe ist die Quelle, der Ursprung und das Prinzip aller unserer Leidenschaften; sie allein entsteht mit dem Menschen und verlässt ihn nie, solange er lebt", schreibt Jean-Jacques Rousseau. Er hat Recht: Die Quelle der Liebe ist die Selbstliebe, die uns in die Wiege gelegt wurde. Wir sind Liebe. Reine Liebe. Mit dieser Liebe kommen wir ins Leben. Wir sind die Quelle selbst. Liebe ist der göttliche Funke mit dem wir inkarnieren. Warum sonst sehnen wir uns so sehr danach? Weil wir uns unbewusst an dieses Gefühl erinnern, egal was man uns angetan hat. Unsere Sehnsucht nach Liebe ist die Sehnsucht nach der Rückkehr zu unserer ureigenen Quelle. Zu dieser Quelle können wir zurückfinden, wenn wir dazu bereit sind. 


Uns selbst lieben ist eine Aufgabe, der wir uns bewusst annehmen. Selbstliebe ist eine Entscheidung, die wir treffen und nach der wir unser Handeln ausrichten. Auch wenn der Verstand tausend Gründe und psychologische Erklärungen sucht, warum es nicht gehen soll. Glaub nicht alles was du denkst! Kauf deinen Gedanken nicht alles ab, schon gar nicht, was dir nicht gut tut. Gib deinem Verstand nicht die Macht über dein Fühlen und Sehnen, wo er dir nicht hilfreich ist.


Versuche es mit dem Herzen. Wende dich deinem Herzen zu. Das Herz, das lieben will. Gütig, achtsam und mitfühlend mit uns selbst zu sein, ist der erste Schritt zur Selbstwertschätzung. Wir praktizieren bedingungslos Selbstmitgefühl. Wir geben allen Gefühlen Raum. Wir üben Dankbarkeit für die Kostbarkeit unseres Lebens und das unserer Liebsten. Wir erlernen die achtsame Haltung der Gegenwärtigkeit. Und das bedeutet nicht, dass wir unsere Erfahrungen der Vergangenheit ignorieren, oder uns keine Zukunftsvisionen machen. Gegenwärtigkeit bedeutet, unsere Erfahrungen, inklusive unserer frühen Beziehungserfahrungen mit den Eltern, bewusst anzuschauen und zu reflektieren, um sie für unser Jetzt nutzbar zu machen. So stellt sich mit der Zeit Heilung ein. 


Natürlich geht das nicht von heute auf morgen und ja, es bedarf der Bereitschaft, der Anstrengung und der Übung. Aber auf diesem Weg werden wir lernen uns selbst zu lieben. Dann löst sich der Panzer. Wir sind bereit unseren Focus dahin zu legen wo das Gute ist in unserem kleinen Universum und über unser kleines Universum hinaus. 

Namaste


 

Mittwoch, 6. Februar 2019

Starke Menschen

Kein Lotus ohne Schlamm

Was ist ein starker Mensch? Was macht mentale Stärke aus und was macht uns stark?

Mentale Stärke ist ein nicht ganz einfach zu definierbares psychologisches Konzept. Ein starker Mensch wird in der Psychologie als „resistente Persönlichkeit“ bezeichnet.  
Das Konzept entstand in den 80igern in der Sozialpsychologie. Bei einer resistenten Persönlichkeit spielt es keine Rolle ob dieser Mensch introvertiert oder extrovertiert ist, was sie ausmacht ist die  mentale Widerstandsfähigkeit, sprich die  Fähigkeit, trotz aller Widrigkeiten, trotz Scheitern und Schicksalsschlägen aufzustehen und weiter zu machen. Auch Selbstvertrauen, emotionale Intelligenz, Mut, Belastbarkeit, Selbstdisziplin und Zähigkeit werden starken Menschen zugeschrieben. Bewusstheit, Kreativität, Neugier, Engagement, Achtsamkeit, eine klare Wahrnehmungsfähigkeit, Willenskraft, Entschlossenheit und Handlungsfähigkeit machen starke Persönlichkeiten aus. Dazu gehört auch die Fähigkeit mit Emotionen und Situationen angemessen umzugehen.

Starke Persönlichkeiten sind flexibel.  Sie besitzen ein hohes Maß an Akzeptanz gegenüber den Unwägbarkeiten des Lebens. Sie haben die Bereitschaft und die Gabe Widrigkeiten, Scheitern und Verlusterfahrungen in persönliches Wachstum zu wandeln. Wenn diese Menschen vor einem Problem stehen, sagen sie nicht: Ich bin Opfer der Umstände, die Anderen sind schuld, das Leben ist ungerecht. Sie sagen sich: Ich habe die Wahl wie ich mit dem was ist, umgehen will. Sie suchen nach Möglichkeiten und Lösungen. Sie handeln nach dem Motto: Gibt dir das Leben Zitronen, mach Limonade draus. 

“Erinnert euch immer daran, dass die Hindernisse auf eurem Weg keine Hindernisse sind. Sie sind der Weg.” Diese Worte schrieb, kurz vor ihrem frühen Tod, Jane Catherine Lotter in ihrer selbstgeschriebenen Grabrede. Die amerikanische Schriftstellerin starb mit 47 Jahren.
Ein starker Mensch lebt nach dem Gelassenheits-Mantra. Er ändert das, worauf er Einfluss hat, er akzeptiert was er nicht kontrollieren kann und vor allem, er kann zwischen beidem unterscheiden.

Starke Menschen wissen: Wichtig ist, mit dem umzugehen, was gerade ist. Das bedeutet sie hängen nicht in der Vergangenheit fest, sie beklagen oder glorifizieren sie nicht. Sie nehmen sie als das, was sie ist: ein Teil ihrer Biografie. Das bedeutet nicht, dass diese Menschen Ungutes und Schmerzhaftes nach dem Motto: „Vorbei und vergessen“ wegwischen. Die Vergangenheit wird aber nicht zur Erklärung oder Rechtfertigung für alles benutzt was schief läuft. 

Starke Menschen investieren ihre Energie nicht in Dinge, die sie nicht mehr ändern können, sondern bewusst in das Hier und Jetzt. Mental starke Menschen sind bereit die Verantwortung für sich selbst, ihr Denken, Fühlen und ihr Handeln zu übernehmen. Sie sind selbstreflektiert und scheuen sich nicht Fehler zuzugeben. Sie wissen: Aus Fehlern lernt man. Fehler sind nichts Ungutes, wenn wir sie korrigieren, soweit es uns möglich ist. Ein mental starker Mensch ist lernfähig. Er macht dieselben Fehler nicht wieder.

Starke Persönlichkeiten haben die Bereitschaft Widrigkeiten und emotionale Schmerzen auszuhalten, sie zu akzeptieren und zu überwinden. Sie flüchten sich nicht in Kompensationen, Süchte oder andere Abwehrmechanismen. Sie schauen hin, auch wenn es weh tut. Starke Menschen lieben geistige Klarheit, daher sind sie auch für Süchte nicht anfällig. Sie sind sich bewusst, dass es Attraktiveres gibt als sich mit sinnlosen Dingen zu beschäftigen oder sich das Hirn zuzudröhnen um einer kurzfristigen Triebbefriedigung zu folgen. Das hat nichts mit Askese zu tun oder mit Verzicht, Abstinenz von Alkohol und Drogen ist die Bedingung für die Fähigkeit das Leben überhaupt zu spüren und ihm nachgehen zu können. Abstinenz von jeglichem selbstzerstörerischen Verhalten schafft den Raum sich zu entfalten und sein Leben zu gestalten. Süchte hingegen halten mit ihrer zerstörerischen Macht davon ab. Jede Art Sucht führt letztlich dazu, dass das Leben stagniert und sich am Ende alles auflöst, was Leben ausmacht. Die Einsicht, dass ein lebenswertes Leben mit der Sucht nicht realisierbar ist, ist nichts Neues, aber mental starke Menschen haben dies verinnerlicht und leben danach. 

Wenn jemand geistige Stärke besitzt hat er ein WOZU. 
Er weiß um die Sinnhaftigkeit seines Daseins und gestaltet sich seinen persönlichen Sinn. Er ist sich der Bodenlosigkeit der menschlichen Existenz bewusst und dennoch kann er sich selbst halten und nur deshalb kann er auch die halten, die ihm anvertraut sind. 

Wer stark ist kann loslassen, wenn er erkennt, dass er alles getan hat, was er tun konnte. 
Wenn wir diese Tatsache akzeptieren, können wir besser mit Dingen klarkommen, die nicht in unserem Einflussbereich liegen.
Stärke bedeutet auch die eigenen Grenzen zu erkennen und sie zu respektieren und sich nicht für etwas oder jemanden aufzuopfern oder aufzugeben, wenn es vergeblich ist. 

Starke Persönlichkeiten haben Werte, nach denen sie ihr Leben ausrichten und wo diese Werte keine Resonanz finden, ziehen sie sich irgendwann zurück.  Sie verschwenden keine kostbare Lebenszeit mit Menschen, die ihre Werte nicht teilen, die unaufrichtig oder berechnend sind. Sie ziehen es vor allein zu sein, anstatt schlecht begleitet. Und sie können gut allein sein.

Mental starke Menschen haben etwas, das sie von Innen hält, auch wenn alles andere wegfällt. Dazu gehören Werte, Ideale, Visionen, haltgebende Gewohnheiten und Rituale. Es gibt Dinge die sie tun und Dinge die sie nicht tun und dabei sind sie konsequent und diszipliniert. Das hat nichts mit Sturheit zu tun. Mental starke Menschen mögen weder Sturheit noch Starre. Auch wenn sie an Ihren Werten und inneren Wahrheiten festhalten, haben sie den Mut Risiken einzugehen, wenn sie an etwas glauben oder ein Ziel verfolgen, das ihnen am Herzen liegt. Sie wissen was sie wollen und wen sie wollen.
 
Mental starke Menschen haben Ausdauer. Sie sind Langstreckenläufer. „Ich bin eine einsame Läuferin. Aber eine Langstreckenläuferin“, sagte die Bildhauerin Louise Bourgeois, anlässlich ihrer Ausstellung 2005 in der Kunsthalle Wien nach Jahren des Kunstmachens in denen sie endlich Anerkennung fand.
Weit davon entfernt, sich etwas einzubilden wissen starke Persönlichkeiten genauso um ihre Stärken wie um ihre Schwächen und Schatten. Sie gestehen sie sich selbst und anderen zu, solange diese nicht als Entschuldigungen für Verantwortungslosigkeit oder unmoralissches Handeln herhalten müssen. Ein starker Mensch hat ein offenes Herz für andere, er ist empathisch, aber er ist fähig einen psychologischen Filter anzuwenden. 

Ein Mensch mit einer starken Persönlichkeit hat seine Schwierigkeiten mit Menschen, die andere respektlos behandeln und keine Wertschätzung gegenüber Menschen und Dingen besitzen. Er hasst Lügen, Betrug und Verrat. Er wird andere nicht bewusst verletzen und nie einen anderen zu seinem eigenen Vorteil ausnutzen oder benutzen. Ein starker Mensch ist unabhängig von dem, was andere über ihn denken. Er ist wahrhaftig, auch wenn er damit anderen missfallen mag. 

Starke Menschen sind keine großen Helden, nicht mehr und nicht weniger als wir alle Helden unseres Lebens sind. Im Gegenteil, stark werden Menschen, die viel erlebt und gelitten haben und dennoch nicht bitter geworden sind. Sie lieben das Leben und wissen um seine Kostbarkeit. Sie haben sensible Herzen und liebevolle Seelen, die die Zeit geprüft hat und sie sagen trotzdem ja zum Leben. Viele von ihnen sind still. Sie müssen sich nicht laut gebärden um wahrgenommen zu werden, man spürt sie, wenn man in ihrer Nähe ist. 

Namaste



 

Dienstag, 5. Februar 2019

Endlichkeit



Foto: A.W.


"Das Gewahrsein, das ich nicht unendlich bin, ändert vieles. Es kann noch zehn, noch zwanzig Jahre geben", sagte sie. "Ich will so nicht weiter leben, aber ich weiß nicht wie ich leben will. Ich habe eine starke Sehnsucht nach Liebe. Ich habe sie gefunden, aber geblieben ist sie nicht. Sie kam und sie ging. Eine trostlose Sammlung von Abschieden. Und jetzt ist da die Angst. Angst für immer allein zu bleiben, im Alter einsam zu sein, alleine sterben zu müssen".

"Angst gebärt Starre", antwortete ich. "Angst macht das Denken.
Nicht bitter werden. Bitter wie die, die keine Sehnsucht mehr haben, weil sie sich angepasst haben, ihre Träume begraben haben. Ja, es kann noch zehn, noch zwanzig Jahre geben. Vielleicht ist es so, vielleicht ist es nicht so. Aber sie sind sicher schlecht, wenn sie sie mit schlechten Gedanken versauen".