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Kein Lotus ohne Schlamm |
Was ist ein starker Mensch? Was
macht mentale Stärke aus und was macht uns stark?
Mentale
Stärke ist ein nicht ganz einfach zu definierbares psychologisches Konzept. Ein
starker Mensch wird in der Psychologie als „resistente Persönlichkeit“
bezeichnet.
Das
Konzept entstand in den 80igern in der Sozialpsychologie. Bei einer resistenten
Persönlichkeit spielt es keine Rolle ob dieser Mensch introvertiert oder
extrovertiert ist, was sie ausmacht ist die mentale Widerstandsfähigkeit,
sprich die Fähigkeit, trotz aller Widrigkeiten, trotz Scheitern und
Schicksalsschlägen aufzustehen und weiter zu machen. Auch Selbstvertrauen,
emotionale Intelligenz, Mut, Belastbarkeit, Selbstdisziplin und Zähigkeit werden
starken Menschen zugeschrieben. Bewusstheit, Kreativität, Neugier, Engagement,
Achtsamkeit, eine klare Wahrnehmungsfähigkeit, Willenskraft, Entschlossenheit
und Handlungsfähigkeit machen starke Persönlichkeiten aus. Dazu gehört auch die
Fähigkeit mit Emotionen und Situationen angemessen umzugehen.
Starke
Persönlichkeiten sind flexibel. Sie besitzen ein hohes Maß an
Akzeptanz gegenüber den Unwägbarkeiten des Lebens. Sie haben die Bereitschaft
und die Gabe Widrigkeiten, Scheitern und Verlusterfahrungen in persönliches
Wachstum zu wandeln. Wenn diese Menschen vor einem Problem stehen, sagen sie
nicht: Ich bin Opfer der Umstände, die Anderen sind schuld, das Leben ist
ungerecht. Sie sagen sich: Ich habe die Wahl wie ich mit dem was ist, umgehen
will. Sie suchen nach Möglichkeiten und Lösungen. Sie handeln nach dem Motto:
Gibt dir das Leben Zitronen, mach Limonade draus.
“Erinnert
euch immer daran, dass die Hindernisse auf eurem Weg keine Hindernisse sind.
Sie sind der Weg.” Diese Worte schrieb, kurz vor ihrem frühen Tod, Jane
Catherine Lotter in ihrer selbstgeschriebenen Grabrede. Die amerikanische
Schriftstellerin starb mit 47 Jahren.
Ein
starker Mensch lebt nach dem Gelassenheits-Mantra. Er ändert das, worauf er
Einfluss hat, er akzeptiert was er nicht kontrollieren kann und vor allem, er
kann zwischen beidem unterscheiden.
Starke Menschen
wissen: Wichtig ist, mit dem umzugehen, was gerade ist. Das bedeutet sie hängen nicht in der
Vergangenheit fest, sie beklagen oder glorifizieren sie nicht. Sie nehmen sie
als das, was sie ist: ein Teil ihrer Biografie. Das bedeutet nicht, dass diese
Menschen Ungutes und Schmerzhaftes nach dem Motto: „Vorbei und vergessen“
wegwischen. Die Vergangenheit wird aber nicht zur Erklärung oder Rechtfertigung
für alles benutzt was schief läuft.
Starke Menschen
investieren ihre Energie nicht in Dinge, die sie nicht mehr ändern können,
sondern bewusst in das Hier und Jetzt.
Mental starke Menschen sind bereit die Verantwortung für sich selbst, ihr
Denken, Fühlen und ihr Handeln zu übernehmen. Sie sind selbstreflektiert und
scheuen sich nicht Fehler zuzugeben. Sie wissen: Aus Fehlern lernt man. Fehler
sind nichts Ungutes, wenn wir sie korrigieren, soweit es uns möglich ist. Ein
mental starker Mensch ist lernfähig. Er macht dieselben Fehler nicht wieder.
Starke
Persönlichkeiten haben die Bereitschaft Widrigkeiten und emotionale Schmerzen
auszuhalten, sie zu akzeptieren und zu überwinden. Sie flüchten sich nicht in
Kompensationen, Süchte oder andere Abwehrmechanismen. Sie schauen hin, auch
wenn es weh tut. Starke Menschen lieben geistige Klarheit, daher sind sie auch
für Süchte nicht anfällig. Sie sind sich bewusst, dass es Attraktiveres gibt
als sich mit sinnlosen Dingen zu beschäftigen oder sich das Hirn zuzudröhnen um
einer kurzfristigen Triebbefriedigung zu folgen. Das hat nichts mit Askese zu
tun oder mit Verzicht, Abstinenz von Alkohol und Drogen ist die Bedingung für
die Fähigkeit das Leben überhaupt zu spüren und ihm nachgehen zu können.
Abstinenz von jeglichem selbstzerstörerischen Verhalten schafft den Raum sich
zu entfalten und sein Leben zu gestalten. Süchte hingegen halten mit ihrer
zerstörerischen Macht davon ab. Jede Art Sucht führt letztlich dazu, dass das
Leben stagniert und sich am Ende alles auflöst, was Leben ausmacht. Die
Einsicht, dass ein lebenswertes Leben mit der Sucht nicht realisierbar ist, ist
nichts Neues, aber mental starke Menschen haben dies verinnerlicht und leben
danach.
Wenn
jemand geistige Stärke besitzt hat er ein WOZU.
Er
weiß um die Sinnhaftigkeit seines Daseins und gestaltet sich seinen
persönlichen Sinn. Er ist sich der Bodenlosigkeit der menschlichen Existenz
bewusst und dennoch kann er sich selbst halten und nur deshalb kann er auch die
halten, die ihm anvertraut sind.
Wer
stark ist kann loslassen, wenn er erkennt, dass er alles getan hat, was er tun
konnte.
Wenn
wir diese Tatsache akzeptieren, können wir besser mit Dingen klarkommen, die nicht
in unserem Einflussbereich liegen.
Stärke
bedeutet auch die eigenen Grenzen zu erkennen und sie zu respektieren und sich
nicht für etwas oder jemanden aufzuopfern oder aufzugeben, wenn es vergeblich
ist.
Starke
Persönlichkeiten haben Werte, nach denen sie ihr Leben ausrichten und wo diese
Werte keine Resonanz finden, ziehen sie sich irgendwann zurück. Sie
verschwenden keine kostbare Lebenszeit mit Menschen, die ihre Werte nicht
teilen, die unaufrichtig oder berechnend sind. Sie ziehen es vor allein zu
sein, anstatt schlecht begleitet. Und sie können gut allein sein.
Mental
starke Menschen haben etwas, das sie von Innen hält, auch wenn alles andere
wegfällt. Dazu gehören Werte, Ideale, Visionen, haltgebende
Gewohnheiten und Rituale. Es gibt Dinge die sie tun und Dinge die sie nicht tun
und dabei sind sie konsequent und diszipliniert. Das hat nichts mit Sturheit zu
tun. Mental starke Menschen mögen weder Sturheit noch Starre. Auch wenn sie an
Ihren Werten und inneren Wahrheiten festhalten, haben sie den Mut Risiken
einzugehen, wenn sie an etwas glauben oder ein Ziel verfolgen, das ihnen am
Herzen liegt. Sie wissen was sie wollen und wen sie wollen.
Mental
starke Menschen haben Ausdauer. Sie sind Langstreckenläufer. „Ich
bin eine einsame Läuferin. Aber eine Langstreckenläuferin“, sagte die
Bildhauerin Louise Bourgeois, anlässlich ihrer Ausstellung 2005 in der
Kunsthalle Wien nach Jahren des Kunstmachens in denen sie endlich Anerkennung
fand.
Weit
davon entfernt, sich etwas einzubilden wissen starke Persönlichkeiten genauso
um ihre Stärken wie um ihre Schwächen und Schatten. Sie gestehen sie sich
selbst und anderen zu, solange diese nicht als Entschuldigungen für
Verantwortungslosigkeit oder unmoralissches Handeln herhalten müssen. Ein
starker Mensch hat ein offenes Herz für andere, er ist empathisch, aber er ist
fähig einen psychologischen Filter anzuwenden.
Ein
Mensch mit einer starken Persönlichkeit hat seine Schwierigkeiten mit Menschen,
die andere respektlos behandeln und keine Wertschätzung gegenüber Menschen und
Dingen besitzen. Er hasst Lügen, Betrug und Verrat. Er
wird andere nicht bewusst verletzen und nie einen anderen zu seinem eigenen
Vorteil ausnutzen oder benutzen. Ein starker Mensch ist unabhängig von
dem, was andere über ihn denken. Er ist wahrhaftig, auch wenn er damit anderen
missfallen mag.
Starke
Menschen sind keine großen Helden, nicht
mehr und nicht weniger als wir alle Helden unseres Lebens sind. Im
Gegenteil, stark werden Menschen, die viel erlebt und gelitten haben und dennoch
nicht bitter geworden sind. Sie lieben das Leben und wissen um seine
Kostbarkeit. Sie haben sensible Herzen und liebevolle Seelen, die die Zeit
geprüft hat und sie sagen trotzdem ja zum Leben. Viele von ihnen sind still. Sie
müssen sich nicht laut gebärden um wahrgenommen zu werden, man spürt sie, wenn
man in ihrer Nähe ist.