Am
gefährlichsten
sind
die
Leute
mit
dem
bisschen
Grips,
die
sich
berufen
fühlen,
die
Maßstäbe
zu
stiften
und
anzulegen.
Soweit
es
bei
ihnen
langt -
länger
darf
es
bei
niemandem
langen.
Donnerstag, 31. Oktober 2013
Mittwoch, 30. Oktober 2013
Der Flügelschlag eines Schmetterlings - Neue Werke von Cyrus Overbeck
Es
war einmal ..., so beginnen Märchen.
Das
Wunderbare an den Märchen ist, dass wir – ob als Kind oder als Erwachsener –
Geborgenheit in ihnen finden und das seltsamerweise, obwohl jedes Märchen immer
auch etwas Grausames und zutiefst Dunkles in sich trägt. Märchen
beherrschen die Kunst, die Polaritäten und Gegensätze unserer menschlichen
Existenz zusammenzufügen, sie eins werden zu lassen, untrennbar miteinander verbunden
und einander bedingend. Intuitiv verstehen wir im Märchen die elementaren
Gesetzmäßigkeiten des Lebens. Wir fürchten uns nicht, weil uns alles
selbstverständlich erscheint und weil wir wissen, dass jeder Märchenheld, jede
Figur, egal ob Hexe, Magier, böse oder gute Fee, ihre ureigene Funktion
erfüllt. Im Märchen begreifen wir das Ganze. Wir lauschen fasziniert, und
unserer Innerstes weiß: Ja so ist es, bis
dass der Tod sie scheidet oder ... und
wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute. Märchen sind
tröstlich, denn am Ende siegt
die Kraft der Liebe und das schenkt uns Zuversicht.
Vielleicht wäre Cyrus Overbeck Märchenerzähler geworden,
wäre er nicht ein Maler. Seine Werke tragen dieses Märchenhafte in sich. Sie erzählen
von Licht und Schatten, von Gut und Böse, von Schönheit und Vergänglichkeit,
von Freude und Leid, von Liebe und Tod, von Vanitas, Eros und Thanatos – und
immer ist alles eins.
Wie der Magier im Märchen jongliert er mit den großen Themen
der menschlichen Existenz, eulenspiegelhaft und mit der Leichtigkeit des
Schlages zarter Schmetterlingsflügel, sich der Gefahr der Verletzung bewusst, die
beginnt, sobald der schützende Kokon schmerzhaft durchbrochen wird und das
eintritt, was Leben ist. Der Magier kennt die Gesetze der Dualität, er weiß,
dass sein Geist Materie erschaffen kann, er arbeitet mit Affirmationen, Allegorien
und Symbolen, er ordnet sich den kosmischen Gesetzen unter und ist permanent
auf der Suche nach Vervollkommnung. Er tut seine magische Arbeit mit dem
Bewusstsein: Es geht um die Kunst, die irdische Existenz sinnvoll zu gestalten
und die ureigenen Potenziale zu entfalten. Er weiß um die Macht der bedingungslosen
Liebe, und er weiß auch, die Liebe
bewahrt nicht vor Leid, uns selbst nicht und die, die wir lieben nicht, und dennoch
ist sie die stärkste Kraft.
Getragen von der Sehnsucht nach
Geborgenheit und Liebe ist Overbecks Schaffensdrang ungebrochen. In jedem Bild, in jeder Plastik seines neuen Œuvres folgen
wir der Textur des magischen roten Fadens, der sich durch das Gesamtwerk zieht
und in der Zwei- und Dreidimensionalität immer wieder neu Gestalt annimmt: eine
vibrierende duale Schwingung von überbordender Lebenslust und tiefer
Melancholie, geboren aus dem Bewusstsein, jeder ist allein und aus der
Erkenntnis, dass allein die Liebe uns heilen kann. Die zutiefst menschliche
Sehnsucht nach dem Einssein mit allem, um das Gefühl des Getrenntseins zu
überwinden, manifestiert sich Zeichen gleich auf Leinwänden, in Holzschnitten, in
bezaubernden, kleinen Farbradierungen und in barock anmutenden skulpturalen
Kompositionen, deren eindringliche Energie auf den Betrachter wirkt und ihn
dort abholt, wo der moderne Mensch steht – erschöpft und leer von der Sattheit
seiner Welt, müde und depressiv von der Leistungsgesellschaft, die ihm gnadenlose
Selbstausbeutung abfordert, innerlich verlassen auf der Suche nach dem, was ihn
von innen hält.
Der
moderne Mensch liest keine Märchen mehr, er findet kaum mehr Geborgenheit,
weder in den alten Mythen, noch in sich selbst. Er leidet still an seiner
unstillbaren Sehnsucht nach Liebe. In seiner Welt herrscht das Verbot der
Leidenschaft und des Eros. Damit verträgt sich das Leistungsprinzip einer vom Habenwollen beherrschten Gesellschaft
nicht. Der Zugang zur Liebe und der damit einhergehenden Verletzung ist ihm
versperrt. Eros ist zur bloßen Erotik, zum Konsumgut, zur selbstbezogenen
Genussoption verkommen, zu einer seelenlosen Begierde, die Geborgenheit per se ausschließt.
Cyrus
Overbeck spürt die Vibrationen des Zeitgeistes, und er leidet daran. Mit seinen
Werken hält er dem Betrachter die Agonie seines Daseins vor wie einen Spiegel,
in dem dieser sich in der individuellen und kollektiven Blutleere erkennen kann,
um zu reflektieren und nachzuspüren, was ist und was sein könnte. Vielleicht
trägt der künstlerische Gärprozess in der Einsamkeit des Ateliers dazu bei,
vielleicht ist es die tief in der Biografie des Sohnes einer Deutschen und
eines Persers verwurzelte melancholische Verstimmung, vielleicht ist es die mit
einer viel zu dünnen Membran umkleidete Empathie, die diesen Großen unter den
Gegenwartskünstlern spüren und kreieren lässt, was uns alle angeht und berührt.
Overbecks neue Arbeiten
sind Allegorien archetypischer Seelenlandschaften. Damit erfüllt er eine
klassische Aufgabe, die Kunst einnehmen kann. Die
hochkomplexe Bildsprache ist übervoll von existenziellen Fragen und zutiefst
menschlichen Sehnsüchten, die nach Antworten, Ausdruck und Erfüllung streben.
Variationsreich, experimentierfreudig und getragen von einer nach Schönheit
strebenden meisterlich beherrschten Formsprache zeigt sie sich auf den Tableaus
expressiver großformatiger Ölgemälde, in zarten poetischen Radierungen und in den
in Bronze gegossenen Skulpturen. Im Spannungsverhältnis aus Nähe und Distanz,
aus Anziehung und Abstoßung schauen wir die Plastiken, die wie skulpturale
Collagen aus Versatzstücken von Kunst- und Popkultur anmuten. Formale Anleihen
aus der Kunstgeschichte werden übernommen, zitiert und mit archetypischen Symbolen
kombiniert, die neue Allegorien schaffen und existenzielle Fragen aufwerfen.
Der Torso, um
dessen Hals das Statussymbol der Fliege gezurrt ist, die Schärpe, die souverän
um die perfekte Männerhüfte gebunden ist, so hinterfragt Overbeck das überhöhte
Schönheitsideal unserer Zeit und bricht es. Er setzt ihm den Totenschädel als Metapher
für Vanitas und Vergänglichkeit auf. Das erinnert an die klassische
Vanitas-Kunst, an die, den Augenreiz kitzelnden, überbordenden Stillleben mit
ihren prallen Früchten, Figuren und Blumen, die auf den ersten Blick verlockend
erscheinen und auf den zweiten Blick vom Verfall gekennzeichnet sind. Leise
klingt Andreas Gryphius Gedicht „Es ist alles
eitel“ an. Eitel, das einer leblosen Bakelitpuppe ähnelnde Rosenköpfchen,
eitel, die ins Gebet versunkene Madonna mit den alternden Händen und den Narben
der Trauer im schönen Gesicht, eitel, der weibliche Akt, dem silberne Rosen aus
dem schlanken Hals wachsen – eitel im Sinne von Vanitas, dem leeren Schein, der Nichtigkeit und der Vergeblichkeit
alles Irdischen.
Eitel strebt jede
einzelne Figur dem ultimativen Vanitas-Symbol entgegen, dem mit Sterlingsilber
galvanisierten Overbeckschen Totenschädel. Könnten wir sie sprechen hören, so
klänge es im Chor: „Das Leben ist nur
dort, wo der Tod ist, mit dem Geborenwerden beginnt das Sterben, Eros und Thanatos
sind untrennbar eins, der ewige Zyklus des Lebens ist schön und grausig
zugleich.“ Eine ungemütliche Wahrheit, die uns da anspringt. Provokant,
lakonisch, ohne jede Dogmatik und mit Vorliebe auf dekorative Weise bestückt Overbeck
seine Protagonisten mit Rosen, dem Symbol für die Liebe im Sinne des platonischen
Eros, der den Charakter einer kosmischen Kraft in sich trägt, die den
Fortbestand allen Lebens ermöglicht. Von dieser kosmischen Kraft, die sich
nicht mit der erotischen Begierde begnügt, sondern weitaus mehr zu erfassen
sucht, nämlich das Gewahrsein, dass die Sehnsucht nach Liebe letztlich nicht
einem Individuum als solchem gilt, sondern etwas Höherem, das in jedem Menschen,
in allem Lebendigen verkörpert ist, erzählen Overbecks Werke.
Für manch
einen mag das klingen wie ein Märchen. Und die sind nicht mehr zeitgemäß. Diese
Gesellschaft schafft alles ab, was dem Begehren des Abwesenden gilt, nicht in
Suchmaschinen gefunden und nicht sofort konsumiert werden kann. Wie also seelische
Schönheit, die von den Sinnesobjekten zu den geistigen Idealen und Ideen führt
und schlussendlich zu Agape, der allumfassenden göttlichen Liebe, die mit der
Liebe zu uns selbst als Geschöpf des Schöpfers beginnt, überhaupt begreifen?
Wie Geborgenheit finden in der Leere einer seelenlosen äußeren Fülle? Der Weg
zur Erkenntnis ist schmerzvoll. Das ist die Weisheit, die in allen Märchen
verborgen liegt. Der Weg zum zufriedenen Konsumenten ist leicht, denn jede Form
von Negativität wird im positivistischen Zeitgeistdenken ausgeblendet. Das ist
das Märchen der Moderne.
Der Weg des
Helden im Märchen unserer Ahnen aber führt über die Transformation. Davon
sprechen die zarten Flügel der Schmetterlinge, die Overbeck in seinen Gemälden,
Holzschnitten und Farbradierungen um Frauenbildnisse, Tiere, Naturimpressionen
und Segelschiffe zu magischen Ornamenten arrangiert. Schmetterlinge sind seit
jeher mystisch aufgeladene Zeichen der Transzendenz. Nur im schmerzhaften Erleben
des Ausgestoßenwerdens aus der schützenden Hülle der äußeren Begrenzungen scheinen
sie uns zuzuflüstern, ist Geburt, ist Wachstum und Wandlung, ist Werden und ja,
auch Vergehen. Mit diesen tiefgründigen Arbeiten bricht Cyrus Overbeck eine
Lanze für das Leben, wie es ist, und nicht, wie wir es gern hätten, auch wenn
ihn das manchmal sehr einsam macht.
Schmetterlinge fliegen einsam, aber sie fliegen dem
Licht entgegen ... und der Flügelschlag
eines Schmetterlings in Brasilien kann einen Tornado in Texas auslösen. Das ist
kein Märchen und doch ist es Magie.
Von Herzen und in tiefer Hochachtung vor Deinem Werk
Angelika Wende
Nachtrag
Märchen beginnen
mit:
Es war einmal ...
... ein Wissenschaftler, der
beobachtete einen Schmetterling und sah, wie sehr er sich abmühte, durch
die enge Öffnung seines Kokons zu schlüpfen. Seit vielen Stunden kämpfte der
kleine Kerl, um sich daraus zu befreien. Der Wissenschaftler bekam Mitleid
mit dem Schmetterling. Er nahm ein kleines Messer und weitete vorsichtig die
kleine Öffnung des Kokons, damit sich der Schmetterling leichter befreien
konnte. Und so geschah es: Der Schmetterling
entschlüpfte plötzlich sehr schnell und sehr leicht.
Doch als der Wissenschaftler ihn
erblickte, erschrak er. Die farbenprächtigen Flügel des Schmetterlings waren
ganz kurz, und so sehr er sich auch bemühte, er konnte nur flattern, aber es
gelang ihm nicht zu fliegen.
Völlig aufgelöst nahm der
Wissenschaftler den verzweifelt flatternden, kleinen Kerl behutsam in seine
Hände und lief zu seinem Freund, einen Biologen. „Sag, warum sind
seine Flügel so kurz, und warum kann der kleine Schmetterling nicht
fliegen?“
Der Biologe fragte den
Wissenschaftler, was denn geschehen sei. Da weinte der Wissenschaftler und gab
zu, dass er dem Schmetterling geholfen hatte aus dem Kokon zu schlüpfen. „Mein
armer, trauriger Freund,“ erwiderte der Biologe, „das war das Schlimmste, was
du dem kleinen Falter hast antun können. Durch die enge Öffnung ist er gezwungen, sich
mit eigener Kraft durchzuquetschen. Erst dadurch kommen seine Flügel aus
dem kleinen Körper heraus.
Du hättest ihm dabei zusehen
können, wie er sich mit seiner ganzen eigenen Kraft aus dem Kokon
kämpft, dann ganz erschöpft zur Erde fällt, sich langsam reckt und streckt und
sich entfaltet zum Schönsten alles Schönen, um seine Flügel auszubreiten und zu
fliegen. Weil du ihm aber geholfen hast, um
ihm den Schmerz zu ersparen, hast du ihm die Kraft seiner Flügel genommen.“
(Verfasser unbekannt)
drunter
unter
der oberfläche des "alles ist gut scheins"
sitzt nicht selten eine
geschwulst aus angst, kummer und verwirrung,
die unablässig an der seele
nagt.
Dienstag, 29. Oktober 2013
Aus der Praxis - Die seltsame Welt des menschlichen Gedächtnisses oder warum Erinnerungen sich nicht löschen lassen
„Das Gedächtnis des
Herzens merzt die schlechten Erinnerungen aus und erhöht die guten. Dank dieses
Kunststücks gelingt es uns, mit der Vergangenheit zu leben“, schreibt der
Schriftsteller Gabriel Garcia Marquez - und irrt damit gewaltig. Wenig
tröstlich für alle, denen dieses Kunststück nicht gelingt. Es ist zwar schön die
Illusion des Vergessenkönnens als Option zu haben, wenn uns die schlechten Erinnerungen wieder einmal
beuteln, nur, und das wissen wir im Grunde unseres Herzens, die Realität verschwindet
nicht dadurch, dass wir sie nicht wahr haben wollen.
Tatsache ist: Das Gedächtnis des Herzens, zuhause im limbischen System unseres Gehirns, merkt
sich Fehlschläge und negative Erfahrungen besser als das Schöne und Gute.
"Erinnern heißt
leben", schreibt der Schriftsteller Saul Bellow und trifft es damit auf
den Punkt: Wir sind Erinnerung. Erlerntes, Erlebtes und Erfahrenes - der
Speicher im Kopf, das Meisterstück der menschlichen Evolution - macht uns zu dem
Menschen, der wir werden und sind.
Neue Erkenntnisse der
Hirnforschung zeigen, dass alle Erlebnisse, alle Erfahrungen, alles Gefühlte eine Spur in Form
von raum-zeitlichen Aktivierungsmustern in den neuronalen Netzwerken
hinterlassen. Wir müssen uns Erinnerung wie einen Film mit zeitlichem Verlauf vorstellen und nicht wie bislang angenommen, wie ein statisches Foto. Was wir in Raum und
Zeit erleben wird demnach nicht als wertfreier Schnappschuss oder wertfreie
Aufzeichnung der Wirklichkeit kodiert, sondern es wird mit den Bedeutungen und den Gefühlen des
Augenblicks aufgenommen und verinnerlicht.
"Das so komplex Gespeicherte entscheidet dann darüber, was wir aus dem Strom der täglichen Ereignisse herausgreifen und behalten", konstatiert Daniel L. Schacter, Harvard-Professor für Psychologie und Neurowissenschaft, und belegt dies in seinem Werk „Wir sind Erinnerung“.
"Das so komplex Gespeicherte entscheidet dann darüber, was wir aus dem Strom der täglichen Ereignisse herausgreifen und behalten", konstatiert Daniel L. Schacter, Harvard-Professor für Psychologie und Neurowissenschaft, und belegt dies in seinem Werk „Wir sind Erinnerung“.
Mehr noch, Gedächtnisinhalte
können sich sogar ohne Erinnerungbewusstsein manifestieren, was bedeutet,
dass Menschen sogar von einem früheren Erlebnis beeinflusst werden können, an das sie sich
nicht mehr bewusst erinnern. Dieses sogenannte implizierte, sprich unbewusste Gedächtnis, ein Fund neuester Forschungen, hat die Ansicht vom Wesen des Gedächtnisses grundlegend verändert.
Jeder bewusst und
jeder unbewusst erlebte Moment wird als Episode in der Hirnrinde
als ein Erregungmuster eingelagert.
Besonders gut lernt unser episodisches Gedächtnis, wenn ein Erlebnis eine negative Qualtität hat. „Während alles Positive abperlt, bleibt das Negative sofort kleben“, so der Neurobiologe Rick Hanson. Das liegt daran, dass es für unser früheres evolutionäres Überleben wichtiger war unangenehme Erfahrungen zu vermeiden, als angenehme zu machen. Unser Computer da oben speichert das Unangenehme als oberste Prorität. Das erklärt, warum für viele von uns der Speicher im Kopf eine Erinnerungshölle sein kann, der wir kaum entfliehen können, auch nicht mit positivem Denken und schon gar nicht mit mentaler Schönfärberei. Eingebranntes bleibt eingebrannt und lässt sich, glaubt man den Hirnforschern, nicht aus unseren Köpfen wegkratzen wie alte Fettkrusten auf dem Herd. Damit steht auch die Annahme der kognitiven Verhaltenspsychologie – man müsse nur viele neue positive Erfahrungen machen um die alten negativen zu lösche, oder das Refraiming, die Neubewertung alter Erfahrungen, angesichts der neuesten Forschungsergebnisse, auf wackeligem Fundament.
Besonders gut lernt unser episodisches Gedächtnis, wenn ein Erlebnis eine negative Qualtität hat. „Während alles Positive abperlt, bleibt das Negative sofort kleben“, so der Neurobiologe Rick Hanson. Das liegt daran, dass es für unser früheres evolutionäres Überleben wichtiger war unangenehme Erfahrungen zu vermeiden, als angenehme zu machen. Unser Computer da oben speichert das Unangenehme als oberste Prorität. Das erklärt, warum für viele von uns der Speicher im Kopf eine Erinnerungshölle sein kann, der wir kaum entfliehen können, auch nicht mit positivem Denken und schon gar nicht mit mentaler Schönfärberei. Eingebranntes bleibt eingebrannt und lässt sich, glaubt man den Hirnforschern, nicht aus unseren Köpfen wegkratzen wie alte Fettkrusten auf dem Herd. Damit steht auch die Annahme der kognitiven Verhaltenspsychologie – man müsse nur viele neue positive Erfahrungen machen um die alten negativen zu lösche, oder das Refraiming, die Neubewertung alter Erfahrungen, angesichts der neuesten Forschungsergebnisse, auf wackeligem Fundament.
Noch ein Grund warum das
Vergessen nicht gelingen kann: Wenn wir etwas Neues erleben, reaktiviert das Gehirn
immer zuerst vergleichbare Erfahrungen aus dem Gedächtnis.
Alle Erfahrungen werden in der zeitlichen Gegenwartsform gemacht, gespeichert und auch so erinnert. Dieses erinnerte Wissen enthält exakt die Informationen unserer Reaktionen, die wir einst abgespeichert haben. Ein aktuelles Erlebnis und das reaktivierte Wissen werden sofort reflexartig gedanklich verglichen. Dabei aktiviert die temporofrontale Rindenregion Areale im Schläfen- und Scheitellappen biografische Erinnerungen, die dann im Jetzt repräsentiert werden.
Alle Erfahrungen werden in der zeitlichen Gegenwartsform gemacht, gespeichert und auch so erinnert. Dieses erinnerte Wissen enthält exakt die Informationen unserer Reaktionen, die wir einst abgespeichert haben. Ein aktuelles Erlebnis und das reaktivierte Wissen werden sofort reflexartig gedanklich verglichen. Dabei aktiviert die temporofrontale Rindenregion Areale im Schläfen- und Scheitellappen biografische Erinnerungen, die dann im Jetzt repräsentiert werden.
Indem wir also gespeichertes Wissen
reaktivieren, erleben wir Altes wieder, heißt - wir reagieren auf die neue
Situation unbewusst mit den einst gefühlten Gefühlen und Gedanken und wir handeln
danach, also ähnlich wie bei der zuerst gemachten Erfahrung. Fatalerweise eben auch,
wenn das erinnerte Wissen nicht mit der gerade erlebten Realität übereinstimmt.
Genau das macht das im Jetzt sein, im Moment sein und den Moment als das, was er ist wahrzunehmen
ohne zu bewerten, so schwer. Da oben läuft ein altes Kopfkino ab und das immer wieder, unbeeindruckt davon, ob wir das wollen oder nicht.
Auch wenn wir im
Jetzt sind, stecken wir in unseren Erinnerungsräumen, voll mit Dingen, die aus
unserer Erfahrung stammen und die uns geprägt haben - vorzugsweise im dem ersten Drittel unseres Lebens.
Und da gibt es bestimmte sensible und äußerst kritische Zeitfenster, in denen sich Erfahrungen unauslöschbar zementieren. Bei Kleinkindern sind die sensorischen Systeme besonders aufnahmebereit und die kognitiven Fähigkeiten wenig ausgeprägt. Sie saugen alles auf wie ein Schwamm. So prägt sich durch individuelle Lern- und Erfahrungsprozesse das Gedanken- und Gefühlsgut ein, das später unser Sein in der Welt bestimmt. Das ist ein traurige Wahrheit für alle mit denen es das Leben nicht gut gemeint hat, oder die traumatische Erfahrungen machen mussten. Aber all das erklärt auch, warum wir denken wie wir denken, fühlen wie wir fühlen und handeln wie wir handeln.
Das könnte uns milder stimmen, wenn sich der Schlund der Erinnerungshölle wieder einmal vor uns auftut oder wenn wir zum hundertsten Mal Situationen, Menschen und uns selbst mit den gleichen Reaktionsmustern entgegentreten, die wir schon immer benutzt haben. Wir könnten milde zu uns selbst sein, es uns selbst verzeihen, wenn wir nicht so sind, wie wir sein möchten und uns sagen: "Ja ich bin Erinnerung, ich denke, fühle und handle aus meiner Biografie heraus. Alle Menschen tun das. Und weil es alle tun, sind auch die anderen wie sie sind, auch wenn sie so nicht sein wollen. Und wenn wir dies im nächsten Schritt akzeptieren gelingt es uns auch milder zu anderen zu sein und nicht zu verurteilen, was uns bei dem oder der nicht in den Kram passt.
Und da gibt es bestimmte sensible und äußerst kritische Zeitfenster, in denen sich Erfahrungen unauslöschbar zementieren. Bei Kleinkindern sind die sensorischen Systeme besonders aufnahmebereit und die kognitiven Fähigkeiten wenig ausgeprägt. Sie saugen alles auf wie ein Schwamm. So prägt sich durch individuelle Lern- und Erfahrungsprozesse das Gedanken- und Gefühlsgut ein, das später unser Sein in der Welt bestimmt. Das ist ein traurige Wahrheit für alle mit denen es das Leben nicht gut gemeint hat, oder die traumatische Erfahrungen machen mussten. Aber all das erklärt auch, warum wir denken wie wir denken, fühlen wie wir fühlen und handeln wie wir handeln.
Das könnte uns milder stimmen, wenn sich der Schlund der Erinnerungshölle wieder einmal vor uns auftut oder wenn wir zum hundertsten Mal Situationen, Menschen und uns selbst mit den gleichen Reaktionsmustern entgegentreten, die wir schon immer benutzt haben. Wir könnten milde zu uns selbst sein, es uns selbst verzeihen, wenn wir nicht so sind, wie wir sein möchten und uns sagen: "Ja ich bin Erinnerung, ich denke, fühle und handle aus meiner Biografie heraus. Alle Menschen tun das. Und weil es alle tun, sind auch die anderen wie sie sind, auch wenn sie so nicht sein wollen. Und wenn wir dies im nächsten Schritt akzeptieren gelingt es uns auch milder zu anderen zu sein und nicht zu verurteilen, was uns bei dem oder der nicht in den Kram passt.
Soll das jetzt heißen wir sind Gefangene der Erinnerung, nicht fähig uns zu verändern, nicht fähig das Gute in unser Leben zu lassen und neue glücklichere Erfahrungen zu machen?
Nein, heißt es nicht. Denn es gibt Möglichkeiten mit der Erinnerung anders umzugehen, als sich ihr ohnmächtig zu ergeben oder zu sagen: Ich kann nicht anders. Es gibt den Weg der Achtsamkeit und es gibt den Weg der Selbstbeobachtung und der braucht wiederum Achtsamkeit für uns selbst.
"Wir können unseren Geist benutzen, um unser Gehirn zu verändern, und dadurch wiederum unseren Geist verbessern", auch das sagt der Neurobiologe Rick Hanson.
So ist es, ich erlebe es in der Arbeit mit Menschen immer wieder.
"Wir können unseren Geist benutzen, um unser Gehirn zu verändern, und dadurch wiederum unseren Geist verbessern", auch das sagt der Neurobiologe Rick Hanson.
So ist es, ich erlebe es in der Arbeit mit Menschen immer wieder.
Wenn wir beginnen achtsam zu sein, wenn wir beginnen uns selbst zu beobachten, beginnen wir uns zu verändern. Das bedeutet eine neue Qualität tritt in unser Leben - Bewusstheit.
Und das ist mehr als im Jetzt sein, es bedeutet beobachtend im Jetzt zu sein. Uns selbst zuzuschauen bei dem was wir tun und es reflektieren. Achtsam mit uns selbst sein ist heilsam. Dazu müssen wir nicht unbedingt meditieren, auch wenn das ein hilfreicher Weg ist, um auf Dauer zu gesunden. Achtsamkeit ist immer und überall anzuwenden, sogar dann, wenn wir wieder einmal im Stress sind. Schon das bewusste Wahrnehmen dessen, was gerade ist, egal welche Qualität es hat, heißt Achtsamkeit üben, heißt bewusst mitzubekomme was gerade geschieht und zwar in uns selbst.
Der Beobachter verändert das Beobachtete.
Wer wird sich weiter das Leben schwer machen, wenn er sich selbst bei der Hatz im dysfunktionalen Hamsterrad seiner Erinnerungsmuster beobachtet? Irgendwann wird auch der Veränderungsresistenteste begreifen: Das tut mir nicht gut. Und dann achtsamer mit sich selbst umgehen.
Veränderung ist ein Prozess und er beginnt da, wo wir beginnen bewusst wahrzunehmen, was wir verändern sollten, um mit uns selbst milder und fürsorglicher umzugehen, trotz und mit der Erinnerung.
Es ist gut, sich jeden Moment, daran zu erinnern.
Es ist gut, sich jeden Moment, daran zu erinnern.
Montag, 28. Oktober 2013
Aus der Praxis - Gut für uns sorgen
in wahrheit wissen wir es alle: es ist wichtig, dass wir gut für uns sorgen. wichtig um gesund zu bleiben - körperlich, geistig und seelisch.
wenn ich das menschen sage, die zu mir in die praxis kommen, schauen sie mich meist verwundert an. "gut für mich sorgen? was soll das heißen, ich sorge doch gut für mich. ich arbeite den ganzen tag, ich kümmere mich ums geld verdienen, ich kümmere mich um mein berufliches weiterkommen, ich kümmere mich um meine familie, den partner, die kinder. ich sorge doch ständig dafür, das alles gut läuft. also ich weiß wirklich nicht, was sie meinen?" kommt dann.
dann sage ich: schauen sie bitte einmal genau hin, was sie da eben aufgezählt haben. was hat all das damit zu tun, dass sie gut für sich selbst sorgen?
sorgen sie gut für sich selbst, wenn sie ganzen tag für andere arbeiten?
sorgen sie gut für sich selbst, wenn sie alles tun, damit es dem partner, den kindern, dem chef, der firma und und und ... gut geht? sorgen sie gut für sich selbst, wenn sie alles geben, damit alles läuft?
das tun sie nicht. sie tun all das, damit es den anderen gut geht, aber all das hat mit guter sorge für sich selbst absolut nichts zu tun.
"aber", kommt dann der einwand, "wenn ich gut für die anderen sorge, geht es mir doch auch gut."
dann schweige ich eine weile und frage dann mit leiser stimme: ist das wirklich wahr?
darauf folgt erst einmal schweigen. dann ratlosigkeit, oder tränen oder ein noch längeres schweigen.
und irgendwann kommt die frage: "wie meinen sie das denn, gut für mich sorgen?"
dann kann es los gehen. dann beginnt die suche nach dem, was es ist, dieses: gut für sich selbst sorgen, sich selbst gutes tun, sich zeit nehmen, zeit zur ruhe zu kommen, zeit dinge zu tun, die man nur mit sich selbst tun kann, zeit dinge zum leben zu erwecken, die man so lange schon tun will und nicht tut, zeit über den alkohol nachzudenken, von dem man zuviel trinkt, weil er einen am abend runter kommen lässt, zeit über das ungesunde essen nachzudenken, das man aufgrund des ewigen zeitmangels in der mittagspause in sich hineinschlingt, zeit über die vielen jas nachzudenken, die man sagt, obwohl man ein nein meint, zeit über die überforderung nachzudenken, die man sich antut, weil man emint, man sei dafür zuständig, dass alles funktioniert. dann ist es zeit für fragen wie:
was tut mir selbst gut?
was will ich wirklich und was glaube ich wollen zu müssen?
was will ich nicht mehr?
und es ist zeit für die entscheidene frage: warum glaube ich, dass es wichtiger ist für alle anderen zu sorgen, obwohl ich spüre, dass mir das auf dauer nicht gut tut?
oh ja, das sind viele fragen. aber all diese fragen haben ein ziel: den weg dahin zu finden, wo das beginnt, was das wichtigste ist, das wir in diesem leben für uns selbst tun können. und das ist - gut für uns zu sorgen, damit es uns gut geht, uns selbst, dem wichtigsten menschen in unserem leben, der der bleibt, wenn alles andere wegfällt.
wenn ich das menschen sage, die zu mir in die praxis kommen, schauen sie mich meist verwundert an. "gut für mich sorgen? was soll das heißen, ich sorge doch gut für mich. ich arbeite den ganzen tag, ich kümmere mich ums geld verdienen, ich kümmere mich um mein berufliches weiterkommen, ich kümmere mich um meine familie, den partner, die kinder. ich sorge doch ständig dafür, das alles gut läuft. also ich weiß wirklich nicht, was sie meinen?" kommt dann.
dann sage ich: schauen sie bitte einmal genau hin, was sie da eben aufgezählt haben. was hat all das damit zu tun, dass sie gut für sich selbst sorgen?
sorgen sie gut für sich selbst, wenn sie ganzen tag für andere arbeiten?
sorgen sie gut für sich selbst, wenn sie alles tun, damit es dem partner, den kindern, dem chef, der firma und und und ... gut geht? sorgen sie gut für sich selbst, wenn sie alles geben, damit alles läuft?
das tun sie nicht. sie tun all das, damit es den anderen gut geht, aber all das hat mit guter sorge für sich selbst absolut nichts zu tun.
"aber", kommt dann der einwand, "wenn ich gut für die anderen sorge, geht es mir doch auch gut."
dann schweige ich eine weile und frage dann mit leiser stimme: ist das wirklich wahr?
darauf folgt erst einmal schweigen. dann ratlosigkeit, oder tränen oder ein noch längeres schweigen.
und irgendwann kommt die frage: "wie meinen sie das denn, gut für mich sorgen?"
dann kann es los gehen. dann beginnt die suche nach dem, was es ist, dieses: gut für sich selbst sorgen, sich selbst gutes tun, sich zeit nehmen, zeit zur ruhe zu kommen, zeit dinge zu tun, die man nur mit sich selbst tun kann, zeit dinge zum leben zu erwecken, die man so lange schon tun will und nicht tut, zeit über den alkohol nachzudenken, von dem man zuviel trinkt, weil er einen am abend runter kommen lässt, zeit über das ungesunde essen nachzudenken, das man aufgrund des ewigen zeitmangels in der mittagspause in sich hineinschlingt, zeit über die vielen jas nachzudenken, die man sagt, obwohl man ein nein meint, zeit über die überforderung nachzudenken, die man sich antut, weil man emint, man sei dafür zuständig, dass alles funktioniert. dann ist es zeit für fragen wie:
was tut mir selbst gut?
was will ich wirklich und was glaube ich wollen zu müssen?
was will ich nicht mehr?
und es ist zeit für die entscheidene frage: warum glaube ich, dass es wichtiger ist für alle anderen zu sorgen, obwohl ich spüre, dass mir das auf dauer nicht gut tut?
oh ja, das sind viele fragen. aber all diese fragen haben ein ziel: den weg dahin zu finden, wo das beginnt, was das wichtigste ist, das wir in diesem leben für uns selbst tun können. und das ist - gut für uns zu sorgen, damit es uns gut geht, uns selbst, dem wichtigsten menschen in unserem leben, der der bleibt, wenn alles andere wegfällt.
Ruhe
nur wenn wir unseren geist allem äußeren verschließen, kommen wir zur ruhe.
in der ruhe erfahren wir alles, was wir wissen müssen.
in der ruhe finden wir antworten.
ruhe ist der schlüssel um zu erkennen, was wir für uns selbst erkennen müssen.
Sonntag, 27. Oktober 2013
Mittwoch, 23. Oktober 2013
Dienstag, 22. Oktober 2013
Vom Ego zum Selbst - oder ein nahezu unmögliches Unterfangen
"Das Selbst ist das größte Rätsel. Immer schaue ich in mein eigenes Gesicht, um das Geheimnis meines Bewusstseins aufzuspüren.“
Wer vom Ego spricht, spricht vom Ich. Ein Neugeborenes hat noch kein Ego. Es hat ein Selbst, einen Wesenskern, aber noch keine bewusste Vorstellung davon, wer es ist. Kleinkinder sprechen deshalb von sich selbst in der dritten Person. Sie können auch noch nicht zwischen sich und anderen unterscheiden, sie sind symbiotisch mit der Mutter verschmolzen: in den Augen des Kindes sind die Mutter und es selbst eins, es kennt keine Trennung. Erst im Laufe seiner Entwicklung, geprägt durch die Konditionierungen und Erfahrungen seiner Erziehung, sowie den Einflüssen der Umwelt, entwickelt das Kind ein Bild von sich selbst - es entwickelt ein Ego. Das ist der Moment wo es lernt "ich" zu sagen. Mit anderen Worten: Das Ego ist die erworbene, anerzogene Identität des Menschen und im Grunde ist es die unechte Persönlichkeit, eben nicht seine wahre Natur. Die wahre Natur des Menschen ist sein Wesenskern.
Das vom Außen formierte Ich ist zuständig für das Fühlen, Denken und Handeln eines Menschen, es macht, dass der Mensch sich getrennt vom Außen, also als ICH wahrnimmt und - sich gleichzeitig mit der Umwelt identisch weiß. Um den vielen verschiedenen Anforderungen des Außen, sprich der Umwelt, entsprechen zu können, agiert der Mensch in wechselnden Rollen, die durch Vorbild, Prägung und Erfahrung gelernt sind.
Tja,
"Jeder Mensch wird als Original geboren und fast jeder stirbt als Kopie."
Aldinger
Max Beckmann.
Im
Zentrum unseres Bewusstseins finden wir das ICH oder das Ego. Die
Psychologie macht hierbei keine Unterscheidung.
Das Ego ist der Ich-Gedanke.
Das Ego kann mit dem bewussten Verstand gleichgesetzt werden. Dazu gehören alle
Gedanken, die wir im Jetzt denken und unsere gegenwärtigen Gefühle. Alle
Gedanken und Gefühle, die uns derzeit nicht bewusst sind, gehören zu unserem
persönlichen Unbewussten. Dies beinhaltet beide Arten von Erinnerungen:
diejenigen, welche wir uns leicht vergegenwärtigen können und jene, die aus
irgendwelchen Gründen unterdrückt sind. Mit anderen Worten: Das Ego ist unser Selbstbild, also das Konzept, das wir von uns haben, das wovon wir denken, das bin ich. Wer vom Ego spricht, spricht vom Ich. Ein Neugeborenes hat noch kein Ego. Es hat ein Selbst, einen Wesenskern, aber noch keine bewusste Vorstellung davon, wer es ist. Kleinkinder sprechen deshalb von sich selbst in der dritten Person. Sie können auch noch nicht zwischen sich und anderen unterscheiden, sie sind symbiotisch mit der Mutter verschmolzen: in den Augen des Kindes sind die Mutter und es selbst eins, es kennt keine Trennung. Erst im Laufe seiner Entwicklung, geprägt durch die Konditionierungen und Erfahrungen seiner Erziehung, sowie den Einflüssen der Umwelt, entwickelt das Kind ein Bild von sich selbst - es entwickelt ein Ego. Das ist der Moment wo es lernt "ich" zu sagen. Mit anderen Worten: Das Ego ist die erworbene, anerzogene Identität des Menschen und im Grunde ist es die unechte Persönlichkeit, eben nicht seine wahre Natur. Die wahre Natur des Menschen ist sein Wesenskern.
Das vom Außen formierte Ich ist zuständig für das Fühlen, Denken und Handeln eines Menschen, es macht, dass der Mensch sich getrennt vom Außen, also als ICH wahrnimmt und - sich gleichzeitig mit der Umwelt identisch weiß. Um den vielen verschiedenen Anforderungen des Außen, sprich der Umwelt, entsprechen zu können, agiert der Mensch in wechselnden Rollen, die durch Vorbild, Prägung und Erfahrung gelernt sind.
Ein
anderer Ausdruck für das Ich ist, nach C. G. Jung, die kollektive Persönlichkeit - der vom kollektiven Denken geprägte Mensch. Das
Gegenteil einer kollektiven, sich an die jeweiligen Erfordernisse des
äußeren Kontextes anpassende Persönlichkeit, ist der Individualist, ein
Mensch, der seine Individualität lebt. Dieser Mensch ist weitgehend
unabhängig von den Umständen. Er spielt keine Rollen mehr, er hat sein Ego weitgehendst identifiziert. Er weiß weitgehend, was ihm über sich selbst zu denken beigebracht wurde und was er selbst denkt und fühlt. Er hat sich mit sich Selbst und den verborgenen und durch Konditionierung verschüttten Teilen seiner Persönlichkeit auseinandergesetzt und hat Zugriff auf viele Teile seines Wesens. Das allerdings bedeutet jahrelange Arbeit an sich selbst. C. G. Jung nennt dies den Prozess der Individuation, was ihm Grunde nichts anderes bedeutet als das Selbst, den Wesenskern freizulegen, der vom Ich-Bild/ Ego überschattet und überlagert ist.
Den wenigsten Menschen gelingt dieses Unterfangen, denn die Tiefen des Unterbewussten sind so tief, das man niemals vollkommen an sie herankommt. Man spricht bei diesen Persönlichkeiten auch von Authentizität, was nichts anderes bedeutet als das Fühlen, Denken und Handeln einer Person übereinstimmen.
Den wenigsten Menschen gelingt dieses Unterfangen, denn die Tiefen des Unterbewussten sind so tief, das man niemals vollkommen an sie herankommt. Man spricht bei diesen Persönlichkeiten auch von Authentizität, was nichts anderes bedeutet als das Fühlen, Denken und Handeln einer Person übereinstimmen.
Der
Normalfall ist: Was wir Menschen nicht als ideal an uns empfinden, was
wir als Makel oder Mangel empfinden, verstecken und verdrängen wir. Das
Verdrängte haust in den Tiefen unseres Unbewussten, das sind die sogenannten Schatten, die wir unbewusst auf andere oder ins Außen
projizieren. So weit, so gut. Wer aber nun vom Ego zum Selbst finden
will, der beginnt sich dieser inneren Schattenwelt zu stellen und macht es wie
der unerschrockene Jüngling aus dem Märchen, der auszieht das Fürchten
zu lernen. Mutig stellt er sich den Tiefen und Untiefen seines Selbst,
das sich aus diesen Schatten formiert. Wer dort hinzuschauen bereit ist,
wird über sein kleines Ego hinaus sehr viel mehr über sich selbst und die dort
schlummernden Kräfte und Energien erfahren, als ein Mensch der in den
oberen Bewusstseinstufen hängen bleibt. Und wenn er ein ganz Kluger ist,
wird er versuchen diese Schatten zu akzeptieren und zu integrieren und
sie nicht mehr abzuspalten oder ins Außen zu projizieren und er wird
zum Dank für seine Schattenarbeit wesentlich mehr über sich erfahren als
die, die das nicht tun, mit Sicherheit auch mehr, als ihm lieb ist. Daher sprachen
die christlichen Mystiker auch vom "Sterben, bevor man stirbt". Oder,
um Goethe zu zitieren, der das auch wusste: Wer dies nicht kennt, dies
"Stirb und werde", der ist nur ein trüber Geist auf dieser Erde ...",
oder so. Mein Ego ist gerade zu faul es nachzuschauen.
Die Egoüberwindung gelingt nur durch mutige und schonungslose "Selbst-Arbeit".
In
dieser, sich selbst gegenüber absolute Ehrlichkeit bedingenden
Selbstschau, geschieht es im besten Falle, dass in der Begegnung mit dem
Unheimlichen, Numinosen das sich im Selbst versteckt, der Glaube an
etwas Größeres, Umfassenderes geboren wird. Das nenne ich das Göttliche
in uns oder die Achtung vor dem, was größer ist als wir. So
weit so gut. Also, so einfach ist es nicht, mit dem Tod des Egos, wie
uns so manche Heiler, Gurus oder Internet-Coaches weiß machen wollen. Denn das
Selbst, diese Mitte der Persönlichkeit ist von höchster Intensität und
sehr vielschichtig. Diese Mitte hat der Psychoanalytiker Carl Gustav
Jung als Ursprung und Erfüllung des Ich bezeichnet. Zitat: "Wie das
Unbewusste, so ist das Selbst das a priori Vorhandene, aus dem das Ich
hervorgeht. Es präformiert sozusagen das Ich."
Menschen, die nicht auf der Oberfläche des Lebens
umherspazieren wollen, die den Mut aufbringen, sich im Zweifel auch mal so richtig vor sich selbst
fürchten wollen, begeben sich, um den trüben Geist zu erhellen, auf die
Suche nach dem vielschichtigen Selbst, welches das Ich präformiert. Und
dann beginnt ein langer, langer Weg, der nicht einmal garantiert, dass
man irgendwo ankommt, schon gar nicht dort, wo man ohne der
Vermessenheit, sprich dem Hochmut, anheim zu fallen, sagen kann: Ich
weiß, wer ich bin, in meiner ganzen Totalität, in meinem ganzen Sein. Es geht nicht!, behaupte ich. Aber ich behaupte auch – der Versuch lohnt
sich! Weil mehr wissen ist besser als nichts wissen, vor allem über sich
selbst.
Warum geht das nicht?
Es
übersteigt unser Vorstellungsvermögen, uns klarzumachen, was wir als
Selbst sind, denn dazu müsste der Teil das Ganze
begreifen können. Es besteht auch wenig Hoffnung, dass wir jemals auch
nur
eine annähernde Bewusstheit des Selbst erreichen, denn soviel wir uns
auch
bewusst machen mögen, immer ist da noch eine unbestimmbare
Menge von Unbewusstem.
"Es ist immer da, es ist jenes zentrale, archetypische Strukturelement der Psyche, das als Anordner und Lenker der seelischen Ereignisse von allem Anfang an in uns wirkt. Sein Ziel und der Drang, dieses Ziel zu verwirklichen, bestehen auch ohne Teilnahme des Bewusstseins", schreibt C.G. Jung. Mit anderen Worten: Das Unbewusste ist unergründlich. Wird aber die Verankerung im Selbst bewusst gemacht, also aus der Projektion auf äußere Objekte zurückgezogen, wird es als autonome Wirklichkeit verstanden und das bedeutet: Man weiß, dass man sein eigenes Ja und Nein ist, sein Hell und sein Dunkel, appollinisch und dionysisch bestimmt. Mehr aber erst einmal nicht.
"Es ist immer da, es ist jenes zentrale, archetypische Strukturelement der Psyche, das als Anordner und Lenker der seelischen Ereignisse von allem Anfang an in uns wirkt. Sein Ziel und der Drang, dieses Ziel zu verwirklichen, bestehen auch ohne Teilnahme des Bewusstseins", schreibt C.G. Jung. Mit anderen Worten: Das Unbewusste ist unergründlich. Wird aber die Verankerung im Selbst bewusst gemacht, also aus der Projektion auf äußere Objekte zurückgezogen, wird es als autonome Wirklichkeit verstanden und das bedeutet: Man weiß, dass man sein eigenes Ja und Nein ist, sein Hell und sein Dunkel, appollinisch und dionysisch bestimmt. Mehr aber erst einmal nicht.
Mit
diesem Gewahrsein erscheint das Selbst als eine Vereinigung der
Gegensätze, dann stellt es eine Einheit dar, in der alle Gegensätze der
Psyche aufgehoben sind, sprich es gibt keine Trennung mehr. Man spricht dann von Ganzheit. Apropos Ganzheit: Symbole des Selbst als die
alles vereinigende Ganzheit treten in allen Kulturen zu allen Zeiten
auf: als Yin und Yang zum Beispiel. Es sind die Bilder in denen sich
Gott manifestiert, weshalb man vom Selbst als einem "Archetyp des
Gottesbildes" sprechen kann, als "Spiegelbild Gottes in der menschlichen
Seele".
Die Beziehung zwischen Ich/Ego und Selbst wird in der Psychologie als "Ich-Selbst-Achse" bezeichnet. Nur
wenn sie uns bewusst geworden ist und lebendig erhalten wird, ist die
Wechselwirkung zwischen Ich und Selbst, ist die Dynamik dieser Achse
wirksam, dann verleiht sie dem Menschen innere Sicherheit und das Gefühl
von Geborgenheit, die den Anderen nicht mehr "braucht". Doch
dummerweise ist es immer das Ich, das sich bespiegelt um sich selbst zu
finden. By the way, die meisten Menschen sehen nur in einen einzigen Spiegel –
in den eigenen verklärten, der sie dann mit
Blindheit schlägt für das, was sie auch sind. Sie bleiben im Ego
stecken.
Ein
wesentlicher Bestandteil im Prozess der Selbstfindung aber ist der
Spiegel. Große Maler wie Dürer und Rembrandt und Max Beckmann
verwendeten den Spiegel um mit der Fixierung des eigenen Abbilds auf der
Leinwand Zustandsbeschreibungen und Lebensprotokolle anzufertigen. Die
Leinwand als Instrument der Identitätssuche, mit dem Ziel, das Ich als
ein Selbst erfahrbar zu machen. Sie fühlten, wussten, dass wir alles
, jedes Ding, jede Befindlichkeit, jedes Gefühl immer in der Spiegelung
haben, dass alles Wahrgenommene durch den Filter und im Abgleich mit der
inneren eigenen Wahrheit, ob gefühlt oder gedacht, empfunden wird.
Kompliziert.
Ich weiß wieder einmal, dass ich nichts weiß. Na ja, sagen wir nicht viel.
Ich
weiß aber, dass das Selbst eine Paradoxie ist, das These und Antithese
und zugleich Synthese darstellt. Und ich weiß, dass, wenn überhaupt, nur das Paradoxe es
vermag die unendliche Fülle des eigen in-der-Welt -seins annähernd zu fassen. Und
ich weiß, dass die Eindeutigkeit und das Widerspruchslose einseitig
sind und daher niemals geeignet, das Unerfassbare zu fühlen oder gar auszudrücken. Und
ich weiß, dass, wenn mir jemand erzählt, er habe sich selbst gefunden
und sein Ego sterben lassen, nichts anderes zu mir spricht als ein
ziemlich fettes Ego, das über den Selbstbetrug noch nicht
hinausgefunden hat.
Tja,
Aldinger
Montag, 21. Oktober 2013
Sonntag, 20. Oktober 2013
alles liegt in der erfahrung des erfahrenden und seiner bewertung des erfahrenen ...
... und niemals erfahren zwei das gleiche
und niemals teilen wir das erfahrene
und immer sind wir damit allein.