Mittwoch, 25. April 2012

A N G S T III





angst ist das gefühl das wir haben
wenn es um unsere existenz geht

angst ist das gefühl
das andere uns machen
wenn wir anders sind

angst ist das was sich einstellt
wenn wir glauben falsch zu sein

angst ist
wenn wir glauben zu verlieren
was uns wichtig erscheint

angst ist das was wir fühlen
wenn unsere wahrheit angegriffen wird

angst ist das was wir haben
wenn alles wankt worauf wir vertraut haben

angst ist unser ständiger begleiter
wenn wir schlimme erfahrungen nicht bewältigt haben

angst ist das was sich einstellt
wenn der mut klein ist

angst ist das was uns kraft gibt
wenn wir wissen
dass der mut hinter der angst steht und immer wieder hervortreten kann

angst ist ein gefühl das angenommen werden will
weil es niemals weggehen wird

angst zulassen und trotzdem handeln
ist das was uns hilft um mit ihr zu leben 

weiter gehen ...



am anfang

ein hinwenden
ein erfreuen
ein erkennen von gleichem

dann
ein verbinden

später
ein sich selbst erkennen im hinwenden
erschrecken manchmal

dann 
ein abwenden
ein alleinsein

irgendwann 
ein neues hinwenden
nicht aufgeben
sich selbst und einander verstehen
anders
weitergehen



Dienstag, 24. April 2012

verdammt ...



der mensch ist zur freiheit verdammt - gelesen gerade irgendwo.
nachgedacht
der mensch ist zur freiheit verdammt
er hat die wahl
jede wahl bedeutet
eine entscheidung
jede entscheidung
heißt verantwortung übernehmen
jede verantwortungsübernahme
macht unfrei
nachgedacht
der mensch ist zur freiheit verdammt ...

Montag, 23. April 2012

allein


ich
eine mir vertraut bekannte unbekannte
du 
ein mir vertrauter unbekannter
zwischen uns vertraut unbekanntes

grenzen

nichtverstehendes verstehen wollen
ein abgleichen 
nichts weiter

erkennen
ich, du, jeder
ist allein.

Samstag, 21. April 2012

In eigener malerischer Sache



Angelika Wende ist keine staatlich lizenzierte Künstlerin. Sie hat keinen Abschluss einer Kunsthochschule oder ähnliches vorzuweisen. Doch sie hat etwas das vielen "Meisterschülern" fehlt: innere Notwendigkeit. Der Trieb, die Ereignisse der Welt malerisch zu verarbeiten, ist tief in ihr verwurzelt.
 
Ihr Werk konfrontiert den Betrachter mit einer ungeschönten aber auch zugleich unumstößlich notwendigen Bildwelt. Diese lockt durch ihre Intensität. Wir sehen Figuren. Einzelne, im Paar, im Drei-Mensch-Verhältnis. Gemalt in einem Stil, der sich von der Individualität des abgebildeten Subjekts entfernt und als Stilmittel die Reduktion der Form zu nutzen weiß.

In dieser Reduktion wird von dem konkreten Menschen, von der konkreten Situation, auf das Allgemeine abstrahiert. Als Heroen der Malerei begegnen uns die ewig immer wiederkehrenden Konfliktpfeiler menschlicher Existenz. Der Betrachter sieht sich mit einem ernüchterten Weltbild konfrontiert.

Der Verlust der paradiesischen Unschuld durchzieht das Werk, ebenso wie die Sehnsucht nach eben diesem. Wir sehen die Bereitschaft den Finger in die Wunde zu legen. An manchen Stellen sogar eine gewisse Lust den Finger noch tiefer in die Wunde zu stecken als vielleicht nötig.

Ein Durst nach Erfahrung und intensivem Leben wird uns zuteil. Weit davon entfernt dekorativ oder gefällig zu sein, widmet sich Wende intensiv der Entwicklung der Psychologie durch die Malerei. Ein Modigliani verwandter Stil macht sich die Wirklichkeit untertan.

Angelika Wende hat einen Standpunkt, Ihre Sicht der Dinge. Wo Modigliani lasziv-ursprünglich arbeitet und die Naivität der Darstellung durch Details, wie lediglich angedeutete Augen bricht, invertiert Wende dieses Vorgehen.

Sie bricht die Naivität als erstes, die Hoffnung liegt bei ihr im Detail und treibt daraus eine Blüte, die bei einem ersten, oberflächlichen Blick einer Blume des Bösen gleicht, aber deren wahres Selbst die Liebe ist.

Christian Felder

ja sagen

sie dachte an die worte der mutter.
"sag niemals aus erschöpfung ja." 
worte, die die mutter gesagt hatte, als sie im sterben lag, vor langer zeit.

und sie dachte an all die jas, die sie gesagt hatte, dort wo sie nein gemeint hatte, gesagt, weil sie erschöpft gewesen war.

sie war erschöpft vom ja sagen.

Freitag, 20. April 2012

klage


ich treffe den mann auf der vernissage. 
ich begrüße ihn.

meine frau ist heute gestorben, klagt er.
um vier ist sie eingeschlafen, in meinen armen. 
die alten augen des mannes schwimmen in tränen.

die frau ist tot. die frau, die er jahrelang gepflegt hat, die frau über deren dasein sich der mann beklagt hat.
 immer wieder.
die kranke frau, die ihm sein leben schwer gemacht hat, sein leben, das er jahrelang beklagt hat, von dem er sagte, er wolle es nicht mehr leben - so wie es sei. 
immer wieder.

es tut mir sehr leid, sage ich.
wofür soll ich jetzt noch leben, klagt der mann.

Donnerstag, 19. April 2012

bedürfnis





nichts ist wichtiger als mit sich selbst innerlich in kontakt zu bleiben.

nichts ist SELBST zerstörerischer als sich über die maßen mit menschen und dingen zu befassen, die nicht den eigenen inneren bedürfnissen entsprechen und nicht dem wachstum dienen.

nur wer seine wahren bedürfnisse kennt und sie sich entfalten lässt, ruht in sich selbst.

zu viel ablenkung vom außen schafft unruhe, disbalance und leiden.

Mittwoch, 18. April 2012

was wenn?

aus dem weißen kittel heraus sah er sie an, ein mildes bedauern im gesicht:
ihnen bleibt vielleicht nicht mehr viel zeit.
was werden sie tun?

ich werde genau das tun, was ich jetzt tue.
mit der selben liebe, der selben wut, der selben angst, der selben verzweiflung, dem selben trotzdem

sie lächelte in sein mildes bedauern: ja, genau das werde ich tun. 

A N G S T II

wenn alles vertraute unvertraut wird
wenn alles sich auflöst
dann kommt angst
weil wir glauben den halt zu verlieren

wenn alles erfahrene uns die brüchigkeit des moments bewiesen hat
wenn wir wissen, dass nichts stabil bleibt
dann kommt angst
weil wir den glauben an beständigkeit verlieren

wenn der raum den die gedanken absuchen unüberschaubar wird
wenn es keinen sicheren fixpunkt mehr gibt
dann kommt angst
weil wir wissen, dass wir niemals sicher sein können

wenn wir erkennen dass angst uns vor nichts schützt
wenn wir trotzdem weiter gehen
dann kommt mut
weil wir wissen, dass er das einzig wirksame mittel gegen die angst ist.
 

Montag, 16. April 2012

A N G S T ist

Angst ist Ausdruck innerer Konflikte
Angst ist Signal für konkrete Bedrohungen
Angst ist der Raum, den wir auf Gefahren absuchen
Angst haben wir um alle Wesen, die wir lieben

Angst wird nicht kleiner, wenn wir sie ignorieren
Angst hat ein Gesicht
Angst ist Erinnerung, Gegenwart und Zukunft 
Angst hasst Lügen
Angst zeigt uns Wahrheit

Angst haben nicht nur Angsthasen

Angst ist die dunkle Farbe allen Lebens
Angst bringt Licht ins Dunkel

Angst ist der Motor von Kreativität und Veränderung
Angst will ernst genommen werden
Angst ist nicht gut und nicht schlecht

Angst ist die Möglichkeit zur inneren Freiheit

Sonntag, 15. April 2012

anhalten



hin und her. und immer wieder der versuch, nicht zu schwanken, was unmöglich war. hin und her, wider sich selbst und für das andere und ein gefühl zwischen stühlen zu sitzen. das eigene und die forderungen des anderen. der mann, ein unbewusstes fordern das zeit und nähe bedeutete, ein sich einlassen auf das andere. das andere, das sich in das eigene mischte, es überflutete, eine melange zweier farben. kontrast. 

klarheit ein unmögliches geworden, vermengtes ist unklar und das immer. 

es zu wissen änderte nichts an den versuchen es zu versuchen. versuchtes durch versuchung. was versuchen, fragte sie sich, dachte an all das längst versuchte und das jeweils andere, das sie nur immer wieder auf sich selbst zurückgeworfen hatte.

eine innere unruhe breitete sich in ihr aus, schleichend, kaum merklich, weil alles neu war und vielleicht anders dieses mal und die versuche wert.

sich einlassen, eine möglichkeit. ausbruch aus der eigenen welt, die wenig veränderung brauchte. einschluss, sagte der mann. sie nickte und wusste, dass es so nicht war. was war, war innen. innen war voll und wollte heraus aus ihr. sich ausdrücken. heimat.

fremd das andere, das immer voller machte auf eine verstörende weise. der innere raum eng geworden durch überflutung des fremden. eigenes nach unten gedrückt. unterdrückung.

neue versuche. die schwäche zunehmend wie das gewohntsein des anderen, das sich nicht verdrängen ließ, nicht aufhörte zu wollen von ihr, die wenig wollte, nur die sein, die sie war und dann gewesen. selbstverlust.

der körper, wunde haut geworden, mahnte sie. sie wusste darum. anhalten schien ihr ein aufgeben. ein kurzes ausruhen. dann weiter das unmögliche versucht. wider besseres wissen. 

widerholtes versuchtes und immer neu gescheitert. sinnlos.
ein karussell, das sich drehte. sie zu schwach auszusteigen. kraftlos. 
ein anhalten nur noch durch äussere einwirkung möglich. machtlos?





Samstag, 14. April 2012

verloren ...




ich habe mitgespielt in einem spiel, das nie das meine war und verloren. 
warum hast du mitgespielt?, fragte er.
weil es alle tun, antwortete sie.
und, was hast du verloren?, fragte er.
mich, antwortete sie.

Dienstag, 10. April 2012

M U T

du musst keine angst haben
vergiss die angst
sei mutig, sagte der mann.

mut ist nicht die abwesenheit von angst
mut ist, sich der angst bewusst zu sein und sich ihr zu stellen
das ist mut, sagte die frau.

Sonntag, 8. April 2012

EINREDEN




sie hörte die stimmen
all die stimmen die ihr einredeten

wer sie sei
wer sie sein sollte
wie sie leben sollte 
wie sie denken sollte 
wie sie fühlen sollte
was sie aus sich machen sollte 
was sie sein könnte wenn sie es sein wollte 
was sie erreichen konnte wenn sie es wollte
was sie glauben sollte und was sie nicht glauben sollte
was sie lassen sollte und nicht lassen sollte 

und sie atmete es ein lang und tief das einreden
und hielt es fest eine weile

und sie atmete es aus all das eingeredete

und es war still
so still
dass sie ihre eigene stimme hörte

Samstag, 7. April 2012

Keine Wahl


es ist eine wiederholung, dachte anna, als sie aufwachte an diesem morgen, nach einem zerfetzten schlaf. in ihrem kopf schlugen trübe gedanken gegen andere, die hell sein wollten. sie verbot sie sich. wie lange schon, fragte sich anna, als sie das espressopulver in die alte kanne gab, deren dichtungsring jedes mal herausfiel, wenn sie sie aufschraubte. eine wiederholung, ein film mit anderen protagonisten und den gleichen gefühlen beim sehen. die hauptrolle anna.

alles irgendwie kaputt, dachte sie. es kümmerte sie nicht. sie hätte weinen können wie all die tage zuvor und all die tage weit vor diesem zuvor an denen sie viele morgengrauen in tränen aufgelöst hatte. anna weinte nicht. nicht weil es nichts besser machte oder änderte, weinen machte leichter innen, das wusste sie, aber irgendwie war da ein inneres starres, das sie nicht weinen ließ oder vielleicht war das weinen auch nicht passend jetzt. sie dachte nicht weiter darüber nach.

draussen regnete es. anna hörte die stimmen der vögel. die welt um sie herum noch im schlaf. anna allein in dieser welt. das war vertraut. das war lange zeit so gewesen und dann für kurze zeit anders und weniger vertraut das, was anders war. das nicht allein sein, das ihr vorgekommen war wie eine unterbrechung des gewohnten. so war es gefühlt von anna und so war es gekommen.

anna dachte an den mann, der sie hatte lieben wollen bis in die ewigkeit und der fort war. ob sie ihn vermisste, wusste sie nicht. sie hatte keine wahl gehabt. von anfang an waren die dinge ungut gewesen und dann so ungut geworden, dass sie sie krank gemacht hatten. inneres das aussen krank macht, sich herausschält um sichtbar zu machen, was falsch ist. sie hatte es gespürt, die ganze zeit und versucht zu ignorieren, was ihr gelungen war manchmal, wenn das augenblicksglück größer war als das innere wissen.

alles hat seine zeit, dachte anna. der espresso machte ein blubberndes geräusch. vertraut. vertrautes ist beruhigend. es sind die kleinen dinge, die vertrautes ausmachen, dachte anna. daran hielt sich sich fest im kippen. sie goß milch in die tasse und den espresso hinein, trank einen schluck und zündete sich eine zigarette an. trinken um nicht zu ertrinken.

bitte, zeig mir den nächsten schritt! die worte kamen leise aus ihrem mund, glitten über ihre lippen zwischen kaffeegeschmack und zigarettenrauch. bitter. bitter, wie der grund für das was zu ende war. bitten gegen das bittere, dachte anna und wie oft sie gott gebeten hatte ihr zu zeigen was richtig war und doch das falsche getan. vielleicht hatte sie einfach nicht verstanden. aber was machte es schon aus, ob sie verstand, das verstehen war kopfsache, am gefühlten änderte es nichts. verstehen und fühlen, wie welten, die einander fremd sind, wenn nicht im einklang. sie versuchte zu sehr zu verstehen und verstand immer weniger.

sie hatte alles versucht, alles was in ihrer macht lag. sie hatte den mann gebeten, sie hatte ihn gewarnt, ihn sogar angschrieen um ihn verstehen zu machen. sie hatte die welle kommen sehen, die sich langsam aufgebaut hatte über die zeit. er hatte sie nicht gesehen. sie nicht und alles nicht und sich selbst nicht. von der zukunft geredet, immer wieder und gemeint, sie sei die ihre und nichts verstanden.

anna hatte gesagt, das die zukunft niemals die ihre sei, wenn der mann das vergangene nicht bereinigen würde. die welle war übergeschwappt, hatte sie mit sich in die tiefe gerissen. und auch da hatte der mann nicht verstanden und weiter gemacht wie zuvor. anna hatte ihn wieder gewarnt, eindringlicher als je zuvor, aber das eindringliche war nicht zu ihm vorgedrungen.

alles wird gut, hatte der mann gesagt und es geglaubt, weil das sagen leichter war, als das handeln für das besserwerden. sie, machtlos gegen das leicht gesagte, hatte sich abgewandt um nicht mit ihm zu ertrinken. anna trank die tasse leer, wandte sich den weißen leinwänden zu, die auf dem tisch lagen, tauchte den pinsel in die weiße farbe und begann sie zu grundieren.

Freitag, 6. April 2012

Aus der Praxis: Ungesunde Beziehungskonstrukte und Lösungsmöglichkeiten




jede beziehung zwischen menschen, jede familie ist ein system. 
es ist ein irrglaube, dass, wenn ein familienmitglied das system verlässt, es die möglichkeit hat, davon unabhängig zu werden und sein eigenes leben neu zu gestalten, wenn einer oder mehrere im system das nicht zulassen wollen.

die neugestaltung des unabhängigen lebens mag zwar auf der oberfläche sichtbar sein, im tiefsten grund aber ist dies eine illusion, denn die emotionalen bande und die gemeinsam gelebte zeit wirken auch nach einer zersplitterung des systems wie ein kitt. ein lösen und damit ein neues autonomes leben scheinen unmöglich oder sind zumindest schwer lebbar, wenn einer im system das nicht erlaubt. so kann der eine, ohne das einverstandensein oder die akzeptanz des anderen, keine befriedigende zukunft für sich selbst gestalten. gelingen das loslassen und eine konstruktive umgehensweise miteinander nicht, ist die gegen - und wechselseitige beeinflussung dieses system ein lebenslanges.

getrennte familienkonstrukte entwickeln sich oft zum drama.
dies geschieht, wenn ein teil des systems sich nicht damit abfinden will, dass das alte vergangen ist und krampfhaft daran festhält, obwohl es zerbrochen ist, und dem anderen den bruch und seine gescheiterten lebenskonstruktionen "nachträgt".

wenn der oder die verlassene das verlassenwordensein nicht akzeptieren kann, wächst nichts, außer im zweifel blumen des bösen. 
wer in trauer, wut, verzweiflung, rachegelüsten und groll verhaftet bleibt, vergiftet die bereits verbrannte erde des systems,  auf der mit einsicht, akzeptanz und gutem willen etwas neues wachsen könnte, nämlich ein achtungsvoller umgang miteinander.

groll baut baut eine wand zwischen dem, der das familiensystem verlassen hat und denen die darin verbleiben.
letztere fühlen sich meist als opfer und handeln aus diesem gefühl heraus auch wie opfer.  wer sich in zerbrochenen beziehungskonstrukten als opfer fühlt, ist nicht bereit seinen teil am scheitern des systems zu erkennen und damit anzuerkennen. jede opferhaltung führt zu einer spiralförmigen dynamik der vergeltung, die sich in den vielfältigsten symptomen zeigt. vergeltung aber führt dazu, dass das ganze system mit der zeit auf der ganzheitlichen ebene erkrankt - also körper, geist und seele der einzelnen beteiligten.

rache schaufelt immer zwei gräber, oder mehrere.
die opferhaltung hat interessanterweise zwei komponenten: zum einen die der ohnmacht, also das gefühl verletzt worden zu sein und nichts ändern zu können, was in die depression führen kann und schließlich zur dauerhaften vernichtung von "gesundem leben", zum anderen schafft das opferverhalten macht. wer sich als opfer fühlt, sieht keine verantwortung für das, was ihm geschieht und übergibt dem, der ihm (vermeintlich) etwas angetan hat, die schuld für seinen zustand. das wiederum verschafft dem opfer auf sehr subtile weise macht.

wer dem anderen die schuld für sein leid und seine verletzungen gibt, entledigt sich der eigenverantwortung, er sieht seinen teil am scheitern nicht ein, er macht den anderen zum täter und macht ihm in der folge ein schlechtes gewissen und damit schuldgefühle. nichts macht menschen manipulierbarer als schuldgefühle. schuld schreit aus opferseite immer nach vergeltung, also nach ausgleich, auf täterseite nach entschuldigung, sprich entlastung von schuld. daher bindet schuld opfer und täter aneinander, oft bis der tod sie scheidet. ein wahrer ausgleich kann so nicht stattfinden.

das opfer signalisiert bewusst oder unbewusst: du hast deine schuld abzutragen, damit du erlöst wirst. damit holt sich das opfer nach der erlebten ohnmachtserfahrung die macht zurück. schuldgefühle machen ausbeutbar - nicht nur emotional. das opfer ist überzeugt davon fordern zu dürfen, egal was, und tut es. der schuldige meint geben zu müssen, um sich aus der schuld zu befreien, und tut es. ein fass ohne boden. das opfer hat somit im zweifel eine lebenslange macht über den täter, denn es allein entscheidet, wann genug gebüßt ist. damit ist der, der das system verlassen hat in seinem neuen leben unfrei. er ist lebenslang an das system gebunden, das er eigentlich verlassen wollte. 

ein circulos virtuosus indem alle beteiligten auf fatale weise in der unguten energie der vergangenheit hängen bleiben, die ja ursächlich zum scheitern geführt hat, ein kreislauf, der abhängig macht, der die gegenwart vergiftet und damit die zukunft. der zähe leim eben.

wie löst man solche für alle beteiligten zerstörerischen beziehungskonstrukte auf?
in den meisten fällen gibt es im system den, wie die pychologie es nennt, "indexklienten". dies ist derjenige, der das problem bewusst oder unbewusst durch sein destruktives verhalten aufrecht erhält, es so manifestiert und beständig, wie ein zersetzendes gift, in das system einfließen lässt.

da die interaktion zwischen den beteiligten personen der wesentliche faktor für das fortbestehen des problems ist, ist sie auch die lösung für das problem.
in dem sinne, dass erkannt wird, dass das fortbestehen des problems und nicht sein ursprung das gegenwärtige problem ist. mit anderen worten: die zersplitterung des familienkonstruktes ist zwar der ursprung - der destruktive umgang mit der zersplitterung aber ist das problem, also kann man nur hier mit der lösung beginnen.

der umgang mit dem problem beeinflusst das verhalten der beteiligten massiv.
egal wie emotional schwierig die situation ist, das verhalten des indexklienten, der nicht bereit oder nicht fähig ist sein verhalten zu ändern, der keine einsicht zeigt und nicht den willen hat das system zu "er  lösen", muss unterbrochen werden. aber wie?

ändere ein glied in der kette und die kette ändert sich.
will das entscheidene glied ( der indexklient) sich nicht verändern, bleibt nur eines: die veränderung muss von einem anderen mitglied des systems vollzogen werden um es gesunden zu lassen.

zunächst macht es sinn, sich klar zu machen, dass das oder die vermeintlichen opfer keine passiven opfer sind sondern akteure und dass der schuldige kein täter ist, sondern ebenfalls ein akteur. so hat jeder akteur die möglichkeit seine rolle im drama zu verändern.

ändere dich selbst, denn du kannst andere nicht verändern. 
gemeint ist in diesem fall: wenn wir als teil eines ungesunden beziehungskonstruktes eigenes verhalten massiv verändern, verändert sich damit automatisch das verhalten der anderen, denn sie müssen auf ein neues verhalten neu reagieren, weil plötzlich die alten muster nicht mehr greifen, sondern ins leere laufen.

mit anderen worten: handelt der zum täter abgestempelte nicht mehr in der ihm zugeschriebenen rolle - versucht er nicht mehr geduldig alles zu ertragen oder seine schuld abzuzahlen und setzt eindeutig grenzen, muss sich das opfer auch anders verhalten, da seine emotionalen erpressungsversuche nun gegen die wand laufen. im besten falle wird es auf sich selbst zurückgeworfen und muss endlich beginnen sich mit seiner rolle im system auseinanderzusetzen.

jede beziehung basiert auf aktion und reaktion. dies ist wechselseitig und somit wechselseitig beeinflussbar.
um das system zu verändern macht es sinn sich zu fragen:
1. wer im system ist für das aufrechterhalten des problems ursächlich verantwortlich, also welches verhalten ist am bedeutsamsten negativ?
2. wen muss man beeinflussen um dieses aufrechterhaltene zu unterbrechen und zu verändern, um das problem zu lösen?
3. welche aspekte der interaktion sind am bedeutsamsten für das aufrechterhalten des problems?
4. wie kann der für die aufrechterhaltung des problems verantwortliche akteur dazu gebracht werden sein verhalten zu verändern, auch wenn er widerstand leistet?
5. wer will eine konstruktive veränderung?
6. wer weigert sich?
7. mit welchem verhalten füttert man das problem?
8. mit welchem neuen verhalten füttert man es nicht weiter?

der lösungsansatz:
man kann nur mit dem oder den beteiligten arbeiten, die die veränderung WOLLEN.
es ist absolut sinnlos und kräftezehrend den versuch zu machen den widerstand des blockierten indexklienten aufzuweichen oder zu brechen, was sowieso nicht gelingt, da der widerstand oft unbewusst aufrecht erhalten wird.

die lösung: man muss von aussen einen bruch (ein durchbrechen des circulos virtuosos) hervorufen.
das bedeutet: man sollte das verhalten des indexklienten nicht mehr füttern.
ein beispiel: der "schuldige" kann jederzeit, wenn er es will, (er ist akteur) aus der täterrolle aussteigen. das tut er zum beispiel, indem er die befreiung aus dem system auch tatsächlich lebt. das bedeutet abgrenzung - emotionale und tatsächlich gelebte abgrenzung. das bedeutet klare zeichen zu setzen, im sinne von: das ist jetzt mein leben. dazu gehört, ganz bewusst nicht mehr auf die forderungen nach ausgleich einzusteigen und eigene bedürfnisse anzumelden und auch aktiv etwas dafür zu tun.

er muss aufhören aus einem gefühl von schuld und dem sinnlosen streben nach wiedergutmachung dinge zu tun, die ihm eigentlich widersprechen und die er eigentlich nicht will, sondern nur tut, weil die stete konditionierung des schuldgefühls in ihm wirkt. dazu gehört auch die vermeintliche schuld zu hinterfragen und sie nicht einseitig, also rein emotional zu deuten. dazu gehört das bewusstsein, dass "schuld" - ersetzt durch "verantwortung" - ihre destruktive macht verliert.

das bedeutet:  aufhören den "wiedergutmacher, den "retter" oder den "erleichterer" zu spielen.
auf diese weise kommt es nie zu einer rettung sondern lediglich zu einer unterstützung des "opferverhaltens". ist das "opfer" auf sich selbst zurückgeworfen und macht es wiederholt die erfahrung, dass seine strategien keine wirkung zeigen,  muss es wohl oder übel beginnen umzudenken, wenn es "überleben" will und das system nicht völlig zerstören will. das heißt es lernt im besten falle die eigenverantwortung zu übernehmen und im sinne der heilung des systems, zu kooperieren. meist sind menschen, die in der opferhaltung steckenbleiben dazu leider nicht fähig. ist das der fall, ist professionelle hilfe von außen nötig - und zwar hilfe, die den unterstützt, der an der heilung des systems arbeiten will.

Donnerstag, 5. April 2012

S I N N


alt werden, älter werden. ich such mir was aus. das letztere klingt besser. ich werde älter, sagt also der kalender heute am 5. april 2012. ich habe geburtstag und es ist einer, den man als frau nicht unbedingt erwähnen möchte. also bitte, frag mich heute keiner: wie alt wirst du denn?


ignoriere diesen tag, habe ich mir vorgenommen. aber heute nacht, um punkt zwölf, hat mich mein lieblingsmensch angerufen, wie jedes jahr, seit er sein eigenes leben lebt und nicht mehr bei mir lebt. mein lieblingsmensch ist immer der erste, der mir gratuliert.  er sagte zu mir: mama, mach endlich, was du willst, lebe und frage dich nicht, ob es irgendjemanden etwas nützt was du tust, tus für dich, aber machs endlich und hör auf dich ständig um die anderen zu kümmern.

es tat gut, das zu hören von meinem lieblingsmenschen, weil er weiß, wovon er redet, weil er lebt, was er sagt und es mir sagt, damit ich es endlich auch tue. der preis, den er zahlt ist hoch, aber trotzdem - er tut, was er liebt und nimmt vieles dafür in kauf und er glaubt an sich selbst, trotz aller schläge, die ihm das leben verpasst hat.


sich selbst leben, der zu sein, der man ist, das ist das schönste geschenk, das ein sohn seiner mutter machen kann, nicht nur zum geburtstag.  das leben, was sie predigt, nämlich die eigene kreativtät auszuleben, ihr gestalt zu geben, gegen alle widerstände und alle inneren und äußeren zweifler. und ich dachte - wunderbar, das ist mir gelungen, bei allem predigen, das mir selbst nicht viel hilft, dass es ihm gelungen ist. also hatte es einen sinn.


alles hat einen sinn. würde ich etwas anderes glauben, wäre ich schon längst am leben verzweifelt.

und auch wenn es in wirklichkeit keinen sinn hat, wenn all die dinge, die uns begegnen, die erfahrungen, die wir machen und manchmal machen müssen, gegen unser wollen, keinen sinn machen sollten - indem ich den dingen einen sinn zuschreibe, haben sie ihn für mich.

mit jedem jahr das vergangen ist, hat mir mein glaube an einen sinn kraft gegeben.
nichts ist sinnlos und so werde ich weiter denken und leben und weiter "predigen", egal was andere dazu sagen oder denken.
ich kann nicht anders.

Mittwoch, 4. April 2012

S C H W E I G E N

seit stunden saß sie da
schweigend
ließ den blick durchs zimmer gleiten
an erinnerungen haften
für momente

ein ablösen
dann
weiterschweifen
sich im kreis drehendes
sich windendes auf umwegen
zurück 
ins innerste
wo alles war 
und nichts
fassbar

Montag, 2. April 2012

Gedankensplitter 36

  -->




Schmerz, Wut oder Angst blockieren uns, 
wenn es uns nicht gelingt, sie als Potential zu nutzen.

Jeder Schmerz, 
den wir annehmen,
jedes Gefühl der Wut, 
das wir uns gestatten,
jedes Gefühl von Angst, 
das wir anerkennen,
verwandeln sich in Intensität.
Das macht uns freier.

Sonntag, 1. April 2012

glaube, hoffnung, liebe ...


nass gemacht, wie ein hund, der sich nicht wehren kann, so fühle ich mich, sagte sie. plötzlich wirst du übergossen mit etwas, nach dem du nicht gefragt hast. ist es glück bist du dankbar und überwältigt vor freude, du schwebst über den wolken eine weile. und dann ist da auf einmal das andere, wofür du nicht dankbar bist, weil es ungut ist, ein unglück im schlimmsten falle. dann verblasst das gute, an das du dich zu erinnern versuchst, um auszuhalten was ist. das unglück überflutet dich, fasst dich wie eine welle, reißt dich im sog nach unten. und du fragst dich, warum schon wieder, weil du so viel anderes unglück erlebt hast. du denkst, das darf nicht sein, nicht schon wieder, weil es doch irgendwann einmal gut sein muss. du verstehst nicht, wie das leben von einem moment auf den anderen so dunkel sein kann, wieder.  
es macht müde, sagte sie, das sich wiederholende ungute.

er nickte schwach mit dem kopf. seine hilflosigkeit zog die stärke von ihm ab auf die sie sich verlassen wollte und nicht konnte. er hatte wenig erfahrung mit dem unglück, das trennte sie voneinander.

er machte den versuch sie zu trösten, benutzte dieses: aber es geht vorbei, es wird wieder gut. es perlte wie wassertropfen an ihr ab, gefühlte, vorgestellte wassertropfen. sie vermischten sich mit tränen. ihre wangen brannten.

nichts wird gut, sagte sie, besser vielleicht, aber nie wieder gut.

du darfst die hoffnung nicht verlieren, sagte er.
sie sah die tränen in seinen augen, die er zurückzuhalten versuchte.

was ist die hoffnung anderes als ein eingeständnis der eigenen ohmacht? sie hilft mir nichts, deine hoffnung. ich habe ihr schon immer misstraut. sie macht nichts besser. sie ist schwache antwort auf das unglück. eine lösung ist sie nicht. sie macht mich klein. ich kenne sie gut, ich habe sie erprobt. sie hat nicht geholfen.

dann versuch es mit dem glauben, schlug er vor.

ja, sagte sie, der ist wohl stärker. aber wer den glauben nicht aufgibt, alles tut, um ihn am leben zu halten, immer wieder neu glaubt und immer wieder erfährt, dass auch er kein schutzschild gegen das unglück ist, woran soll der glauben?

die tränen lösten sich aus seinen augen und malten kleine rinnsaale auf sein gesicht: versuch es mit der liebe.