Mittwoch, 31. Dezember 2014

Zeit und Raum


zeit ist
über die zeit hinaus denken macht eng 
zeit ist jetzt
unabhängig vom zeitdenken bewege ich mich in der weite des raumes
der raum ist die summe meiner möglichkeiten
jetzt.

ich wünsche all meinen lesern einen wunderbaren raum der möglichkeiten jeden moment in der zeit!
danke für eure wertschätzung!

angelika



Dienstag, 30. Dezember 2014

Schreiben für mich allein




heute morgen, bin ich früher aufgewacht als sonst. ich war müde und nicht ausgeschlafen, aber ich konnte mich nicht mehr umdrehen, wieder die augen schließen und weiterschlafen. ich bin aufgestanden und habe mein tagebuch, das seit monaten verwaist in der schublade liegt, herausgeholt und geschrieben. es ist ja nicht so, dass ich nicht schreibe, ich schreibe fast täglich, meinen blog und ich schreibe an dem buch, das nicht fertig wird, weil ich mit der form kämpfe, aber dieses schreiben ist etwas anderes, da schreibe ich auch aus mir heraus, aber auch für andere, die menschen nämlich, die mein geschriebenes lesen.

tagebuch schreiben, das bedeutet für mich schreiben, ganz allein für mich. virginia woolf sagte einmal sinngemäß, jeder mensch braucht ein zimmer für sich allein. dieses zimmer, diesen zutiefst privaten raum, betrete ich, wenn ich in mein tagebuch schreibe. hier kann ich ganz ich selbst sein, hier kann ich alles tun und lassen, was ich will, hier hat niemand, aber auch niemand zutritt. ich schlage eine leere seite auf und vor mir liegt ein unendlicher raum für meine gedanken und meine gefühle, die ich niemanden anvertrauen kann oder will. hier kann ich dampf ablassen, wenn ich verletzt und wütend bin, hier kann ich klein und groß sein, hier kann ich so frei, so kleinkariert, so ängstlich, so schwach, so stark, so mutig, so doof, so kindisch, so traurig, so froh sein, wie ich mich gerade fühle. dieser raum ist ein sicherer ort, ein ort an dem ich alles loswerden kann, was mich belastet. hier gibt es keine beschränkung, hier darf alles sein, hier darf ich sein. hier findet mein herz einen platz an dem es sich ausschütten kann ohne erwartungen von nichts und niemanden, nicht einmal von mir selbst. hier ist platz für meine tiefsten befindlichkeiten, die ich frei und unzensiert niederschreiben kann. heute morgen habe ich gespürt, wie sehr ich diesen platz vermisse und er mich. es ist gut, ihn wieder gefunden zu haben. wie konnte ich ihn nur so lange unbesucht lassen, dachte ich, als ich alles niedergeschrieben hatte, was mir nach dem aufstehen im kopf herumging.  es tut gut, zu wissen, dass ich dieses ritual jetzt wieder aufnehme, jeden morgen, um die beziehung zu mir selbst zu pflegen.

ich erinnere mich an die zeit, als ich sehr allein war. in dieser zeit war mein morgendliches tagbuchschreiben, das was mir kraft gab und mich durch schwere zeiten begleitete. ich konnte über meine sorgen sprechen und die antworten kamen. sie flossen aus der hand, mit der tinte auf das papier und nahmen gestalt an, sie gaben mir schutz und sie gaben mir die zuversicht, die ich brauchte um weiter zu gehen. das tagebuch half mir, als ich an wendepunkten meines lebens stand und immer war es geduldiger als ich. auch das ist es, was es so kostbar macht, seine geduld und seine gutmütige duldsamkeit. schreibend lernte ich den dingen ihre zeit zu geben.

etwas handschriftlich niederschreiben ist in einer zeit, die süchtig nach schnelligkeit ist, eine wunderbare übung der langsamkeit. wenn ich mit der hand schreibe, ist es wie eine meditation. es erdet mich und ich lasse fließen, was in mir ist, beobachte ohne zu bewerten, was ist. ich werde ruhiger und ich werde milder mir selbst gegenüber und das beste - ich baue morgen für morgen eine immer intimere und vertrautere beziehung zu mir selbst auf. das ist gut, denn oft genug komme ich mir abhanden in der schnelligkeit da draußen, den menschen, die mich beschäftigen, der familie, die mich in beschlag nimmt. jeder will und jeder erwartet und ich erfülle und achte darauf, dass es den anderen gut geht und wie schnell gehe ich mir dabei verloren und werde mir fremd, überladen von all dem fremden, das in mein eigenes dringt. das tagebuch rückt mich zu mir selbst wie nichts anderes. das ist heilsam und weil es das ist, empfehle ich es meinen klienten. jene, die meiner empfehlung folgen, lernen es zu schätzen, denn mit der zeit hilft es ihnen zu ihren tieferen schichten vorzudringen und sich so besser zu verstehen und anzunehmen.

tagbuch schreiben bringt nicht zuletzt klarheit und es hilft proritäten zu setzen. es entschleunigt das leben und nordet ein, da wo ich mich selbst nicht mehr einnorden kann. es zeigt mir, was wirklich in mir vorgeht, wenn alle masken abfallen, wenn alle rollen ungespielt bleiben und die worte ohne vorsicht in aller wahrhaftigkeit und völlig schamlos meinem innersten entgleiten dürfen. die seiten hören mir still und achtsam zu wie kein mensch es vermag, sie tragen einen gedanken immer wieder vor, sie helfen mir bis in den letzen winkel meines lebens vorzudringen, bis auch er meine ganze aufmerksamkeit hat. dann stelle ich fest, was ich ändern muss, was sich gut anfühlt und was sich nicht mehr gut anfühlt und vor allem, wofür es zeit ist, es in die tat umzusetzen. die seiten wissen wann ich feststecke und sie entwirren so manchen knoten in meinem leben. in der stille des schreibens mit der hand fließt das leben nicht mehr an mir vorbei, es fließt durch die seiten zu mir zurück bis ich wieder erkenne, was im lauten des alltags untergeht. es bewahrt mich davor im außen unterzugehen. es ist mein rettungsring im meer der fremdbestimmung, der mich herauszieht und im zweifel vor dem ertrinken rettet. all das und viel mehr lebt in diesem schreiben. und weil es darin lebt, werden die schreibenden lebendiger, je konsequenter sie dieses ritual vollführen. ich werde dieses ritual nicht mehr lassen, auch weil ich weiß, dass in den ersten minuten nach dem aufwachen der zeitraum des tages ist, indem die verteidigungsmechanismen des egos nicht aktiv sind und wir den impulsen, die aus dem unterbewusstsein hochsteigen, so nah sind wie in keiner anderen stunde des tages. wir menschen sind am wachsten in dieser zeit und damit aufmerksam für die botschaften aus der tiefe unseres unterbewusstseins die gehört werden wollen.




Sonntag, 28. Dezember 2014

Sehnsucht




soll ich oder soll ich nicht, frage ich mich gerade. soll ich mir die mühe machen und dieses alte jahr, das sich in wenigen tagen dem ende zuneigt, revue passieren lassen, noch einmal zurück in die gegenwart holen, was passiert ist? nein, ich will nicht. ich will auf das blicken, was nicht passiert ist.

das ist eine herausforderung und irgendwie gar nicht so einfach, denn dann muss ich auf meine wünsche schauen und auf meine bedürfnisse und zwar auf die, die sich nicht erfüllt haben, eben auf das, was nicht passiert ist und hätte passieren können, hätte ich so vieles andere nicht passieren lassen und meine wünsche und bedürfnisse aufmerksamer betrachtet, als ich es tat. davon abgesehen, das leben passiert, auch ohne mein zutun, mein wünschen und meine bedürfnisse. aber dennoch, es ist nicht so, es ist nicht nur so, denn bei allem, was passiert, ohne meinen einfluss, habe ich doch die möglichkeit mein leben zu gestalten und damit habe ich einfluss auf so manches, was passiert. habe ich ihn genutzt, habe ich das gestaltet, was ich gestalten will, habe ich getan, was wichtig ist und wertvoll für mich und die, die mich begleiten und die ich begleiten darf? ich habe vieles gestaltet und vieles einfach passieren lassen. vielleicht ist das gar nicht so schlecht oder sogar klug, denn wer bin ich denn, alles gestalten zu wollen nach meinem bilde, das ich mir mache, von meinem kleinen leben. das leben macht, was es will, das hat es mir allzuoft bewiesen und ich habe mich gefügt und versucht in allem das gute zu finden, auch wenn es mir nicht gefallen hat, immer mit dem gedanken, du kannst nicht bekommen, was du dir wünscht, aber das göttliche prinzip weiß, was du brauchst.

doch heute an diesem verschneiten sonntagmorgen, kurz bevor das jahr sich dem ende zuneigt, spüre ich eine große sehnsucht in mir, die ich nicht benennen kann. und wenn ich tief in mich hinein blicke, sind da zwei sehnsüchte in mir, der einen folge ich, indem ich tue, was ich liebe und der anderen, der namenlosen, folge ich nicht, weil ich sie eben noch nicht greifen kann. dennoch ist sie da, die namenlose, in mir und sie brennt wie eine kleine flamme, aus der ein helles feuer werden kann, irgendwann, wenn ich ihren namen kenne. das unbestimmte, das namenlose, das in dieser sehnsucht verborgen liegt, ist nicht passiert, und vielleicht ist es gott sei dank nicht passiert, sonst wäre vielleicht etwas passiert, was dieses alte jahr zu etwas anderem gemacht hätte, als es für mich war, nämlich ein gutes jahr.

also bleibe ich weiter eine schülerin und spreche eines der kraftvollsten mantren: "ich weiß es - noch - nicht." aber ich weiß, schon hinter der der nächsten wegbiegung kann sich der name meiner sehnsucht zu erkennen geben.

Samstag, 27. Dezember 2014

für das all ein sein




wir alle sind im innersten allein. wenn wir das nicht als schlecht bewerten, ist das der beginn der wichtigsten erkenntnis des lebens überhaupt und die basis von der aus wir lernen können, uns selbst unser bester mensch zu werden.

Sich selbst betrachten




sich selbst betrachten heißt, es mit schatten zu tun zu bekommen, und zwar mit den eigenen.
wer vor ihnen nicht davonläuft wird eine menge lernen.
nicht nur unsere ungeliebten, auch unsere ungelebten seiten und potentiale verstecken sich in den schatten. wenn sie nicht gesehen werden verkümmern sie in der tiefe unserer eigenen dunkelheit.
schattenarbeit heißt vor allem also auch: zu erkennen was in uns gelebt werden will.

Freitag, 26. Dezember 2014

Zwei Arten




es gibt zwei arten der bewegung, die innere und die äußere.
die innere ist die des menschen, der sich selbst sucht, 

die äußere ist die des menschen, der sich selbst in anderen sucht.

Donnerstag, 25. Dezember 2014

Dieser Moment in der Zeit




heute ist es gut, denke ich an diesem weihnachtsmorgen und bin dankbar für das gute, was ist und wünsche mir, so soll es bleiben. es ist um vieles besser als es einmal war. heute sind kein leid in meinem leben und kein unglück, das mich in den klauen hat wie einst. einst, dieses einst, all die jahre in denen leben nur angst war um das seelenheil des menschen, den ich am meisten liebe, und um das meine, das ich heute lieben kann, mehr als einst. ja, heute an diesem zweiten weihnachtstag ist es gut.

aber frieden ist nicht in mir, auch wenn ich mir diesen frieden so sehr wünsche, gleich nach dem wunsch, der, den ich am meisten liebe, möge für immer beschützt sein vor dem unguten, nach all den jahren des unglücks. das unglück, sagt der mensch, den ich am meisten liebe, habe ich gebraucht, wäre es nicht gewesen, wäre heute alles anders, nicht gut wäre es und ich ein anderer als der, der ich heute bin, und er lächelt mich an mit einer demut, von der ich selbst noch weit entfernt bin. ich denke, gut, dass er frieden gemacht hat, mit dem was war, und im selben moment bin ich traurig, dass er mir noch immer nicht gelingt, dieser frieden, den zu machen doch längst an der zeit wäre.

wäre es doch mein unglück gewesen, das ich allein hätte tragen müssen und nicht der mensch, den ich am meisten liebe, dann wäre mir der frieden näher. würde man mich fragen, was für mich das schlimmste an allem unguten im leben ist, so wäre die antwort: das schlimmste ist, den, den man am meisten liebt, leiden sehen zu müssen und diese ohnmacht nichts, aber auch nichts dagegen tun zu können. das vergisst du niemals im leben. dieses nicht vergessen können, die ohnmacht, die bilder der erinnerung nicht löschen zu können, den schmerz, den sie auslösen, wann immer sie auftauchen, nicht ignorieren zu können, trennt mich vom frieden, den ich machen will, in mir.

die machtlosigkeit gegen dieses neuronengewitter im kopf, das aus dem speicheraum der vergangenheit in den raum meines jetzt feuert, die erinnerung, die in jeder zelle sitzt und mit ihr der schmerz und die aus der erfahrung geborene alte angst, das wissen, dass das leben unberechenbar ist und grausam manchmal, und ich gegen die unberechenbarkeit kein schild vor mir her tragen kann, mich nicht schützen kann, mit nichts mich schützen kannt, außer dem gottvertrauen, dass ich den nächsten möglichen schlag auch überleben werde irgendwie - vielleicht ist diese erfahrung das gute für mich, in all dem unguten, das war.

jetzt ist es gut. es ist dann gut, wenn ich einfach hier sitze an diesem weihnachtsmorgen und nichts anderes tue, als ruhig ein und ausatmen. dann kann ich ihn spüren, meinen frieden, für diesen moment in der zeit.


Montag, 22. Dezember 2014

Sonntag, 21. Dezember 2014

Mutter II




Es gibt Tage, da leide ich noch immer unter den vernichtenden Worten meiner Mutter, die, seit ich denken kann, meine Selbstachtung in den Boden gestampft haben. Sie klingen mir in den Ohren, immer dann, wenn ich doch eigentlich glücklich sein könnte. Es ist mir bis heute nicht vollends gelungen mich dem Käfig der Erinnerungen zu entziehen. Ein Teil von mir glaubt ihr, und ein anderer weiß, dass sie Unrecht hatte. Meine Mutter konnte gut vergessen. Wenn ich ihr die Glaubenssätze wiederholte, die sie mir eingeimpft hatte, die mich klein und kleiner gemacht hatten, weigerte sie sich mich zu verstehen. Sie legte sich alles zurecht, wie es in ihr Bild von Leben passte. Meine Worte hatten für sie keinen Wert, sie blieb bei ihren Überzeugungen und so musste sie nichts, aber auch nichts einsehen, was ihre Realität hätte ins Wanken geraten lassen könnte. Manchmal bedauere ich, dass ich diese Gabe nicht besitze.

Ich glaube zu wissen was ich will, aber ich tue es nicht, ich glaube zu wissen, wer ich bin, aber ich bin es nicht, ich glaube zu wissen, wohin ich gehe, aber ich vertraue dem Weg nicht, ich bin mir in nichts sicher, das macht mich manchmal schwach. Ich stelle mir vor, wie es sein könnte, wenn ich endlich erwachsen wäre, ihr entwachsen wäre und ich frage mich, was ich dazu brauche, um diesem Schatten zu entkommen. Ich bin ein Unglücksrabe, der ein Adler hätte sein können, hätte man ihn in ein anderes Nest gelegt. Aber vielleicht habe ich genau diese Mutter, um die zu werden, die ich bin. 
Gottes Geschenk an uns sind Möglichkeiten. Aber ist es möglich unseren dunkelsten Schatten vollends zu integrieren, ihn anzuerkennen und so zu sein wie wir gedacht sind, ganz am Anfang? Ich blicke aus dem Fenster. Draußen herrscht das dichte Dunkel des Winters. Die Konturen der Bäume sind verhärtet, ihre Kronen sind zu kantigen Ecken verformt und ich denke: Mutter, wenn du wüsstest, wie schmerzhaft deine harten Kanten mein Leben in zwei Teile spalten, was wäre anders?

Kann man dankbar sein mit dem was ist und zugleich untröstlich?  Eine Träne rollt über meine Wange. Ich fange sie mit den Lippen auf. Sie schmeckt nach Salz. Du bist jetzt erwachsen, höre ich mein Leben sagen, du kannst dich lösen, von dem, was dich festhält, hab Geduld, dein Wollen wird wirken.

Dienstag, 16. Dezember 2014

Mutter




Ich zünde mir die erste Zigarette des Tages an. Der Rauch schmeckt bitter. Ich blicke aus dem Fenster. In der Nacht hat es geregnet. Im Westen wird der Himmel bereits wieder hell, während über den Häusern noch graue Wolken hängen. So viele Jahre sind vergangen in denen ich in den grauen Wolken verhangen war. Bei jedem Gedanken an meine Kindheit haben sie das Licht verdunkelt. Meine Mutter ist mir im Gedächtnis feindselig wie eine Hexe. Aber wenn ich an ihr Leben denke, das sie so nicht hatte leben wollen, wird sie zu einer traurigen Fee mit zerfransten Kleidern, die mit leeren Augen ihren Zauberstab ansieht und sich fragt, warum er ihr nicht geholfen hat. Wer von uns lebt wirklich nach seiner Natur, nach dem wozu er fähig ist und nach seinen Anlagen? Kinder sind kleine Wunder. Im Moment ihrer Geburt wissen sie, dass sie eines sind. Es ist wie ein Funke, der verlöscht, wenn sie in den verschmutzten Ozean der fremden Gedanken eintauchen. Ich brauchte mehr als ein halbes Leben um diesen Funken aus dem Meer zu fischen. 

Sonntag, 14. Dezember 2014

bloß nicht durchdrehen


Heute ist kein guter Tag



es gibt tage, da bin ich kurz davor den glauben an das, was ich tue, zu verlieren. es gibt sie nicht oft, aber immer wieder und, dem himmel sei dank, nicht oft genug, denn sonst würde ich aufhören zu tun, was ich tue. nun, vielleicht wäre das auch ganz unerheblich und ohne bedeutung für den rest meiner kleinen welt, aber für mich wäre das ein innerer zusammenbruch, denn ich müsste zugeben, dass ich in meinem tun keinen sinn mehr sehe. was dann übrig bliebe wäre ein tun, das allein für mich sinn macht und das zu finden ist nicht ganz so leicht, denn mein sinn ist mit dem sinn anderer nun mal verbunden, dagegen kann ich nicht viel machen, es sei denn ich wollte es. also was würde ich tun, wenn ich wollte? ich würde ganz ichbezogen meine tage mit schreiben und malen verbringen und schon mal hartz iv beantrragen, weil ich vom malen und schreiben nicht leben kann und mich einreihen in die arbeitsuchenden über fünfzig und irgendeinen job annehmen, der mich total unterfordert, aber zumindest seelisch nicht überbeansprucht. ich würde, wenn ich gerade so darüber nachdenke, vielleicht auf diesem wege leichter meinen inneren frieden finden und meine kleine welt könnte mich mal ... in guter erinnerung behalten. welch eine illusion, angelika! du weißt längst, dass du deinen inneren frieden durch nichts und niemanden im außen findest, sondern nur in dir selbst.

ich weiß, aber diese tage ...
diese tage kommen immer dann, wenn ich erlebe, wie viele menschen sich etwas vormachen, nur weil sie angst haben der wahrheit und zwar der eigenen, ins gesicht zu schauen. es ist wirklich kaum zu glauben, wie viele menschen sich beharrlich in die eigene seele lügen. sie tun das, auch wenn sie dabei dauerhaft leiden. sie tun das, auch wenn ihr körper ihnen signale gibt, indem er schmerzt oder sogar mit krankheiten alarm schlägt, damit sie endlich aufwachen, sie tun das, auch wenn sie längst aufgewacht sind und - das ist das erschreckende - sich trotz des erwachens wieder sand in die augen streuen, nur damit sie nicht anschauen müssen, was sie wach gemacht hat: die wahrheit nämlich über ihre eigene situation, ihren seelenzustand und über ihr leben. sie tun das, weil sie lieber weiter im dörnröschenschlaf verharren, denn dann, denken sie, könnte irgendwann doch noch der prinz kommen, der sie zärtlich und sanft erweckt und alles für sie gut macht. bei männern wäre das die gute fee, die einmal "bling bling" macht und alles ist gut, gut - ohne selbst etwas dafür tun zu müssen.

oh ja, es soll gut werden von alleine oder mit hilfe eines anderen, sozusagen gut "gemacht" werden, damit man selber nichts machen muss, schon gar nicht hingucken, denn dann müsste man vielleicht etwas machen und das ist ja so anstrengend und schmerzhaft könnte das auch werden und arbeit würde das bedeuten und zwar arbeit an sich selbst und man hat ja schon genug arbeit mit allem anderen, nö, das tun wir uns doch nicht auch noch an.

und dann sitzen sie da, diese menschen, und jammern und klagen und lügen sich die taschen voll, bis es oben herausquillt und fühlen sich nicht wirklich gut dabei, aber etwas verändern hieße etwas schaffen, losgehen und unbekanntes gebiet betreten. gott bewahre, davor hab ich eine heidenangst, sagen sie sich, denn dann könnten die illusionen über mein leben und über mich selbst einen ziemlichen knacks kriegen. brauch ich nicht. ich mache so weiter wie bisher, da weiß ich wenigstens was ich habe und da kenne ich mich aus und muss nichts anders machen, wo ich doch eh nicht weiß, wie das gehen soll.

"die menschen wollen eigentlich nicht geheilt werden. sie wollen nur linderung und trost, denn heilung ist schmerzhaft", sagte der psychoanalytiker anthony de mello, gott hab ihn selig, einmal, und ich kenne einige kollegen, die ob diesen satzes mit verhaltener resignation zustimmend nicken würden. de mello hat recht, es soll nicht mehr ganz so weh tun, es soll sich leichter anfühlen im schweren und es soll trost her, damit man sich einrichten kann im jammertal des eigenen seins und dann lässt es sich wieder eine weile aushalten, der ganze irrsinn, der frust, die unerfüllten bedürfnisse, der kummer, der streit, der schmerz, diese bodenlose leere, die mit allem gefüllt wird, nur nicht mit sich selbst und dem, was wirklich von bedeutung ist. bis zum nächsten mal, wenn die seele wieder schreit: ich halte das nicht mehr aus, mach was!

wenn wir ehrlich zu uns selbst sind, sehen wir unsere situation wie sie ist und nicht wie wir sie gerne hätten. aus einem apfel wird keine birne, so wie aus einer illusion keine wahrheit wird, wenn wir nur lange genug daran festhalten. die wahrheit lässt sich nicht verdrängen oder verwandeln, weil wir sie nicht haben wollen. solange wir nicht wahrhaftig sind, sind wir blind für uns selbst und für andere.

leider ist diese welt voller blinder. und ja, vielleicht bin ich auch auf einem auge blind, aber ich will sehen, ich bin bereit hinzuschauen und ich bin bereit etwas auszuhalten um sehen zu lernen. an guten tagen bin ich sogar überzeugt davon, dass wir alle die kraft besitzen, die wahrheit zu sehen und sie dann zu sagen, erst uns selbst und dann anderen. an guten tagen wohl gemerkt. heute ist kein guter tag.

Samstag, 13. Dezember 2014

ohne Freude




freu dich nicht, sagte die mutter, mit drohender gebärde, wenn sie sich freute.
bedenke, das bleibt nicht so, warnte die mutter sie.
sie dachte: ich werde mich nie mehr freuen.
die freude, die einladung für das schlimme, das dachte sie.
sie lebte damit, freudlos.

Donnerstag, 11. Dezember 2014

dankbar



dankbar sein ist eine wertschätzung des lebens.
sie ist ein schlüssel zur zufriedenheit.
sie ist ein ja zu dem, was nicht selbstverständlich ist, auch wenn wir es dafür halten.
jedes bewusste danke hinterlässt ein gefühl der freude.
dankbar sein ist augenblicksglück.

Mittwoch, 10. Dezember 2014

AUS DER PRAXIS - Hilfe für die Kinder depressiver Eltern


"Depression", Acryl auf Leinwand, Angelika Wende, 2014

Depressive Menschen haben meist auch eine Familie. Sie haben erwachsene Angehörige und sie haben Kinder und meistens leiden alle mit. Wer selbst Depressionen erlebt oder erlebt hat, oder wer mit einem depressiven Menschen lebt, weiß, dass sich der Schatten der Depression immer über das ganze Familiensystem legt. Erwachsene Angehörige können zu verstehen versuchen, was da mit dem Partner gerade passiert und wenn sie die Schwere der Situation zu sehr belastet, wie der depressive Partner auch, professionelle Hilfe suchen um mit der Situation besser umgehen zu können. Kinder können das nicht. Aber gerade sie leiden am Meisten. Sie sind hilflos und ohnmächtig dem ausgesetzt, was mit Mutter oder Vater in der Depression geschieht. Sie müssen dabei zusehen, wie der geliebte Elternteil unerreichbar und fremd wird, denn je nach Schwere einer Depression verändern Menschen ihr Wesen und ihr Verhalten. Das macht einem Kind Angst. Es wird in eine Krankheit hineingezogen mit der es nicht umgehen kann. Das Kind ist seelisch völlig überfordert und wird im Zweifel selbst krank, an der Seele oder körperlich.

Ein Beispiel: Eine Klientin berichtet, dass sie in den depressiven Phasen nicht nur den Kontakt zu sich selbst, sondern auch den Kontakt zu den eigenen Kindern verliert. Sie sagt, dass sie das wie von Außen beobachten kann und nichts dagegen tun kann, dass sie darunter zusätzlich leidet, aber trotz allen Wollens mit ihren Kindern nicht mehr klarkommt. Das geht soweit, dass sie sich wünscht, sie wären einfach nicht da, solange sie nicht gesund ist. Das mache ihr zusätzlich Scham- und Schuldgefühle und die Depression werde noch schlimmer. 

Aber wie erklärt man seinen Kindern, dass Mama jetzt so ist, wie sie ist und es nichts mit ihnen zu tun hat? Wie erklärt man einem Kind, dass die Mama nichts mehr spürt und sich selbst nicht mehr versteht? 
Kinder fühlen sich schuldig, wenn es der Mama schlecht geht, sie glauben etwas falsch gemacht zu haben, nicht lieb genug zu sein und sie denken, dass sie möglicherweise die Ursache dafür sind, dass Mama auf einmal so komisch ist. Wenn einem Kind Zuwendung und Unterstützung eines Elternteils fehlen und der gesunde Elternteil, der diesen Mangel ausgleichen könnte, zu sehr mit dem kranken Partner belastet ist, verändert sich die Mutter-Vater-Kind-Beziehung massiv. Das System krankt wie der seelisch Kranke und alle sind im Tiefsten allein.

Untersuchungen ergaben Folgendes: Das Verhalten depressiver Mütter äußert sich nicht nur in Defiziten wie weniger Interesse und wenig emotionaler Beteiligung, sie sind weniger einfühlsam, entwickeln vermehrt negative Gefühle und fühlen sich den Ansprüchen des Kindes und der Erziehung nicht mehr gewachsen. Es kommt zu erheblichen Problemen in der Aufmerksamkeits- und Zuwendungshaltung. Denkstörungen in der Depression können zudem starke Ängste und sogar offene Feindseligkeit gegenüber dem Kind aufkommen lassen. Häufig beschrieben wird eine affektive Übererregtheit und eine verringerte verbale Expressivität und Kommunikationsfähigkeit.

Was macht das mit dem Kind?
In emotionalen Belastungssituationen kommt es bei Kindern zu einer Überflutung durch sich von innen und außen aufdrängende Informationen, die es nicht begreifen und entschlüsseln kann. Das führt auf der psychischen Ebene zu Anspannung, Angst und Erschütterungen des kindlichen Selbstverständnisses. Die Risikoforschung ergab, dass Kinder, die in Familien aufwachsen, in denen ein Elternteil psychisch krank ist, ein hohes Risiko haben, selbst eine psychische Störung zu entwickeln. Das Risiko ist sogar um den Faktor zwei bis drei erhöht. Dabei weisen ein Drittel der untersuchten Kinder keine Beeinträchtigungen auf, ein weiteres Drittel lediglich vorübergehende Auffälligkeiten, beim restlichen Drittel zeigen sich fortdauernde seelische Störungen. Diese Auffälligkeiten betreffen vor allem die geistig-intellektuelle und die seelische Entwicklung der Kinder. Am häufigsten finden sich depressive, dissoziale und aggressive Störungen sowie Verhaltensstörungen. Das Risiko für eine seelische Störung wie die Depression ist etwa 3 bis 6 mal höher als bei gesunden Eltern. Sind beide Elternteile depressiv erkrankt, liegt die Erkrankungswahrscheinlichkeit der Kinder bei ca. siebzig Prozent. Was Alter und Geschlecht der Kinder angeht, so zeigen Kinder aller Altersstufen ein erhöhtes Risiko für psychische Störungen bei elterlicher Erkrankung. Je älter das Kind ist und je bewusster es erlebt, was geschieht, desto nachhaltiger sind die negativen Folgen für seine eigene seelische Gesundheit.
Diese Ergebnisse sind traurig und alarmierend. Deshalb ist es so wichtig, die Kinder in die Behandlung der depressiven Mutter oder des depressiven Vaters mit einzubeziehen und als nicht betroffener Elternteil die Sorge für die Kinder nicht allein zu tragen, (die meisten Menschen sind mit dem depressiven Partner sowieso schon extrem belastet), sondern sich hilfreiche Unterstützung, also professionelle Betreuungs- und Behandlungshilfe für die Kinder zu suchen.

Was hilft den Kindern?
Eine alters- und entwicklungsadäquate Aufklärung über die Erkrankung der Mutter oder des Vaters ist immens wichtig. Verleugnung oder Verzerrung der Realität helfen dem Kind nicht, es spürt ja, dass etwas nicht stimmt und vertraut seiner Wahrnehmung. Das Kind muss in seiner Wahrnehmung ernst genommen werden, es muss begreifen dürfen, was da mit dem geliebten Menschen geschieht. Es muss wissen, dass es keine Schuld daran hat und nicht für das Leiden des Elternteils in irgendeiner Weise verantwortlich ist. Des Weiteren ist eine tragende und sichere emotionale Bindung an die gesunde Bezugsperson im Familiensystem hilfreich, oder bei Alleinerziehenden, zu nahen Verwandten. 

Von großer Bedeutung ist das Erziehungsklima selbst. Ist es empathisch und liebevoll und hat es feste und klare Regeln und Strukturen, fühlt das Kind sich dennoch geborgen. Allerdings ist es schwer in belastenden Situationen ein stabiles, gesundes Familienklima zu schaffen. Das ist nur dann möglich, wenn trotz aller Belastungen eine gute Paarbeziehung besteht, die dem Kind vermittelt: Wir schaffen das, die Mama (oder der Papa) werden wieder gesund. Deshalb ist auch die Art, wie der gesunde Partner mit dem Kranken umgeht von großer Bedeutung. Ist er selbst überfordert und leidet er sichtbar mit, ist das zutiefst beängstigend für das Kind. Dann bricht im Zweifel, je nach Resilienz des Kindes, die innere kindliche Welt vollends zusammen. 

Immens wichtig ist letztlich auch die Einstellung des depressiven Elternteils zu sich selbst und seiner Depression, nämlich in welchem Maße er fähig ist die Krankheit zu akzeptieren, ohne in die totale Resignation zu verfallen. Hier gilt wie bei jeder psychischen Störung: Je bewusster die Einstellung zur Fähigkeit der Krankheitsbewältigung ist, desto besser ist ihr Umgang damit und desto besser greifen Hilfe-und Heilmaßnahmen.
  
Fazit: Eine Depression ist nicht nur für den Depressiven eine erdrückende Last, sie belastet ein ganzes System und deshalb braucht das ganze System Hilfe. Diese findet sich in allen therapeutischen Bereichen, als auch in der Kinder-und Jugendhilfe.


Ich danke meiner Klientin Claudia Krug von ganzem Herzen, für den Mut und die Größe, mir dieses berührende Gedicht zur Veröffentlichung zu überlassen. 

Traurigkeit…

spüre ich wenn ich meine Kinder weinen lasse wenn sie mich brauchen,
wenn sie ersaufen, in Ihrer Angst.

In Ihrer Klemme feststecken zwischen klein sein und allein sein,
zwischen nicht groß sein und nicht doof sein, ungut und ohne Mut,
zwischen ihrem hier und meinem dort
und dem Teil von mir, von dem ich nichts spüre, nur er ist fort.
Zwischen dem was ich ihnen nicht geben kann, weil ich es selbst nicht
habe, außer der Gabe sie leiden zu lassen und mich dafür zu hassen.

Weil ich selbst mir so fremd bin, ungut und ohne Mut
und mit einem Herz in der Klemme zwischen klein sein und allein sein.
Und ich weiß, groß sein ist doof sein
zwischen meinem hier und ihrem dort
und dem Teil von mir von dem auch meine Kinder nur spüren, er ist fort.

Und dort wo er ist, da kann ich nicht hin.
Doch ich suche ihn weiter dort wo er nicht sein kann,
mit dem Gefühl, das nicht vergisst wie schön er ist.
Weil mein Herz eben hofft, vielleicht komm ich noch dran.
Weil meine Kinder wissen wie sehr sie ihn vermissen.
 

Mamas schönen Teil den sie so dringend brauchen
um nicht zu ersaufen in ihrer Angst.
Und wir wissen er ist irgendwo dort
dieser Teil von dem wir nur spüren, er ist fort.


(c) Claudia Krug 2014

mehr von Claudia lest Ihr hier: http://endlichblog.blogspot.de/



Samstag, 6. Dezember 2014

AUS DER PRAXIS – Vom Sinn der Depression



Die schwarze Dame, AW

Carl Gustav Jung sagte einmal: „Die Depression gleicht einer Dame in Schwarz. Tritt sie auf, so weise sie nicht weg, sondern bitte sie als Gast zu Tisch und höre, was sie zu sagen hat." Ein schönes Bild, finde ich, wenn auch für einen unschönen Seelenzustand. Was Jung damit vorgibt ist ein wertvoller Impuls um mit der Depression Kontakt aufzunehmen, in Dialog zu treten mit einem Teil des eigenen Inneren. Er hat das selbst getan, denn auch der große Analytiker hatte in seinem Leben eine schwere Depression. 
Wie der Name schon sagt, besteht  bei der Depression (von lat. deprimere „niederdrücken“) ein Druck nach unten, besser ausgedrückt - nach innen, sie ist ein zutiefst introvertierter Zustand.  
Es gibt unzählige Arten von Depressionen. Depressionen sind so verschieden wie die Menschen, die sie erleiden.
Von einer endogenen Depression spricht man, wenn es weder eine körperliche, noch eine psychische Ursache für die Depression zu geben scheint. Deswegen nimmt man an, dass die Ursachen von innen heraus entstanden sind. So können hier zum Beispiel auch genetische Faktoren zum Ausbruch der Krankheit beitragen. Die endogene Depression verläuft in in Phasen, die Abstände variieren zwischen wenigen Tagen und einem Jahr oder mehr. Man hat herausgefunden, dass besonders Männer hierbei häufiger auf berufliche Probleme oder Besitzverlust, Frauen hingegen eher auf partnerschaftliche oder familiäre Probleme, reagieren, die dann einen neuen Schub auslösen. Innerhalb der endogenen Depression unterscheidet man zudem zwischen der unipolaren und der bipolaren Depression. Die endogene Depressionen kennzeichnet sich durch den phasenhaften Verlauf. Sie beginnt sehr langsam, der Betroffene spürt kaum Anzeichen.  Bei manchen Menschen kommen nach einigen Tagen, Wochen oder Monaten Symptome auf, die nach einiger Zeit wieder von selbst verschwinden. Sie kann im Laufe des Lebens nur einmal auftreten oder immer wieder in schweren Schüben.
Die unipolare Depression kann sich in der Melancholie zeigen. Sie ist die am häufigsten auftretende Erkrankung bei den Depressionen. Sie wird als einpolig bezeichnet, was bedeutet, dass die Betroffenen zwar depressive, aber keine manischen Phasen haben. Man nennt diese Art der Depression auch Major Depression. Sie tritt in einer schwierigen Lebenssituation auf in der eine Reaktion nach außen notwendig wäre,  die Betroffenen aber sind in ihre Handlungsfähigkeit gelähmt. Die Energie, die sie nicht nach Außen geben können richtet sich nach innen. Die so dringend benötigt konstruktive Kraft, die sie brauchen um ihre Aufgaben zu lösen, wandelt sich in eine destruktive Kraft gegen sich selbst. Anstelle eines Ausdrucks kommt es zur Niederdrückung.
Die Dysthymia, auch die neurotische Depression genannt, ist eine krankhafte Neigung zu melancholisch-traurigen Stimmungen. Als Unterform einer chronischen Depression ist sie nicht so schwer, dafür hält sie länger an. Die Betroffenen sind im Schnitt zwei Jahre depressiv, sie empfinden aber immer wieder auch gute Tage und Wochen. Meist versinken sie jedoch in einer dumpfen niedergeschlagenen Stimmung, sind müde und antriebslos, haben kein Selbstwertgefühl, fühlen sich als Versager und sind nicht fähig ihr Leben zu meistern. Sie haben eine ausgeprägte Angst, die sie handlungsunfähig macht und lähmt.
Egal um welche Form der Depression es sich handelt, man muss sie von mehreren Seiten beleuchten, um sie zu verstehen. Zu Beginn hat sie im allgemeinen immer eine innerpsychische Ursache, aber sie kann bei jahrelangem extremen sozialen oder seelischen Stress oder auch im Zuge einer posttraumatischen Belastungstörung auftreten. Auch durch eine tiefe Veränderung der Nervenzellen im Gehirn kommt es zur Depression. Für die Entstehung und Aufrechterhaltung einer Depression sind zwei Botenstoffe besonders wichtig: das Serotonin und das Noradrenalin. Serotonin und Noradrenalin sind deswegen von besonderem Interesse für die Depression, weil alle Antidepressiva auf diese beiden Botenstoffe Einfluss nehmen und ihre Symptome lindern. Daher ist man in der Depressionsforschung der Überzeugung, dass bei der Depression die Funktionsfähigkeit der Nervenzellen, die Serotonin und Noradrenalin produzieren, gestört oder massiv beeinträchtigt ist.
Aber welchen Sinn hat die Depression? 
Für einen Menschen, der in der Depression gefangen ist, ist das eine schwere Frage. Sein Leid ist nahezu unerträglich, das Gefühl der Sinnlosigkeit hat ihn fest im Griff, also wie könnte er in seinem Leid etwas Positives sehen oder gar einen Sinn? Wenn es ihm aber dennoch gelingt, die Dame in Schwarz an den Tisch zu bitten und ihr zuzuhören, könnte sie Folgendes zu sagen haben: „Wenn du erstarrst, wenn du zu nichts mehr fähig bist, kann das durchaus einen Sinn haben: Die Depression sorgt dafür, dass du keine unnötige Energie mehr verschwendest. Sie zwingt dich endlich innezuhalten, sie sorgt dafür, dass du zunächst keine Handlungsmöglichkeiten mehr sehen kannst.“
So gesehen ist die Depression, so paradox das klingt, eine gesunde Anpassungsleistung an schwere Bedingungen oder Lebenssituationen. Nicht zuletzt ist auch das Gefühl der Schwere, des Niedergedrücktseins, welches Menschen in der Depression empfinden, Ausdruck  einer realen Schwere im Leben, sprich - etwas lastet so schwer auf uns, dass es uns erdrückt. Symptome haben immer eine Bedeutung, sie verweisen auf Ursachen.

Schwierige Lebensumstände allein lösen noch keine Depression aus. 
Depressiv wird ein Mensch erst wenn er keine Möglichkeit mehr sieht, in einem konstruktiven Sinn Einfluss auf seine Lebenssituation zu nehmen. Dabei kommt es nicht auf die objektiven Möglichkeiten an, die dieser Mensch hat, sondern auch auf die Möglichkeiten, die er für sich selbst sieht. Sieht er keine Möglichkeiten mehr, so bleibt letztlich nur noch die Depression, als leidvoller Versuch, einen seelischen Konflikt oder eine traumatische Erfahrung zu bewältigen. Die Depression hat immer eine Signalfunktion. Sie erzählt uns Wesentliches über unser Verhältnis zu unserem Umfeld, unsere Lebensumstände, unsere Lebensqualität und den Zustand unserer Seele. Sie erzählt uns etwas über den Zustand in dem wir uns im Jetzt befinden. Sie zeigt uns unsere Grenzen auf und sie bewahrt uns davor, diese Grenzen weiter zu verletzen, indem wir über unsere Kräfte leben. Sie bremst auf radikale und schmervolle Weise das Weitergehen. So hat Depression, auch wenn wir das im tiefen Leid, das sie schafft, zuerst nicht begreifen können, eine Schutzfunktion: Sie zwingt uns innezuhalten und im Prozess der Depression neue Lösungen zu finden, um uns künftig besser zu behandeln.

Die Depression ist ein psychischer Zustand der, wenn er intensiv beleuchtet wird, dem Betroffenen auf seinem Weg zur Individuation helfen kann. 
Deshalb ist es von enstcheidender Bedeutung um die Depression zu verstehen, den depressiven Zustand zu beobachten, der bei aller anderen Symptomatik eine Regression erzeugt: Oft kommt es nämlich zu einer Reminiszenz an die Vergangenheit. C. G. Jung schreibt dazu in „Symbole der Transformation“ sinngemäß: "Es vollzieht sich eine Übertragung der Vergangenheit, hervorgerufen durch eine Depression in der Gegenwart. Dies ist ein unbewusstes kompensatorisches Phänomen, welches bewusst gemacht werden muss, um Heilung zu finden." Mit anderen Worten - eine Wahrheit über das eigene Leben oder das eigene Ich, die man bis zu diesem Moment verdrängt hat, der man sich durch Kompensation und Selbstlügen entzogen hat, kann gerade in Krise der Lebensmitte eine Depression auslösen.  

Um hören zu können, was die Dame in Schwarz zu sagen hat, brauchen depressive Menschen Mut und Kraft, die sie eigentlich nicht mehr haben. Das erscheint unmöglich, denn wenn ein Mensch in der Starre verharrt, hat er das Gefühl, dass nichts mehr geht. Die Depression aber drückt genau deshalb nach unten, damit wir genau dahin spüren – ins eigene Tiefgeschoss, dahin wo die Antworten liegen und zwar darauf, was in unserem Leben ungut ist, was zu verändern ist, was verändert werden muss, um wieder neuen Lebensmut zu finden. Wenn der Depressive bereit ist, sich der eigenen Wahrheit zu stellen und die Fassade, die längst gebröckelt ist, endgültig herunterzureißen, erkennt er, dass er mit seinen bisherigen Lösungsversuchen und Handlungsweisen keinen Erfolg hatte. Im Gegenteil, genau diese Handlungsweisen haben gegen ihn gearbeitet. Er braucht also neue konstruktivere und heilsamere um sein Leben positiver und sinnvoller zu gestalten.
Mit der Dame in Schwarz in einen Dialog zu treten, bedeutet zunächst einmal Mitgefühl mit sich selbst zu  entwickeln, sich nicht zu verurteilen und Verständnis für die depressive Reaktion zu haben und dann Antworten zu finden auf folgende Fragen: „Wie kann ich mich künftig besser schützen? Wie kann ich mein Leben in Zukunft so zu gestalten, dass meine Seele nicht überfordert ist? Wie kann ich besser für mich sorgen? Wovon muss ich mich verabschieden und welche Bedürfnisse habe ich, die ich verdränge oder mir nicht erlaube zu erfüllen? Wo gebe ich vor etwas zu sein, was ich nicht bin?

Wer allerdings in einer schweren depressiven Phase steckt, hat kaum eine Möglichkeit, sich selbst ohne professionelle Hilfe zu befreien.  
Auch leichtere depressive Verstimmungen können, solange sie akut sind, einen Menschen vollkommen lähmen. Selbsthilfe kann immer nur in einigermaßen depressionsfreien Phasen gelingen. Eine schwere Depression braucht unbedingt therapeutische Intervention.  In einer Studie wurden Depressive gefragt, was ihnen hilft, wenn sie in einer depressiven Phase stecken. Als hilfreich empfanden sie Folgendes: Gespräche mit verständnisvollen Menschen, sich Zeit geben sich über ihre Gefühle klar werden, nach den Ursachen der Depression zu forschen und genau das zu tun, was die Depression verlangt: Sich zurückziehen, weinen, alle Gefühle wertfrei zulassen, keinen Widerstand gegen die Depression zu leisten, aufschreiben was sie fühlen, viel schlafen und, in den weniger depressiven Phasen, Bewegung in der frischen Luft und sportliche Betätigung.

Es ist bei allem Leid sinnvoll sich immer wieder bewusst zu machen: „Ich bin nicht meine Depression, ich habe eine Depression: So beginnen wir uns von ihr zu disidentifizieren. Wir schaffen bewusst eine Distanz zu dieser Krankheit und helfen uns damit sie anzunehmen, als das, was sie wirklich ist: Ein Hilferuf der erschöpften Seele und eine Chance sie gesunden zu lassen.
Auch der Glaube: „Ich werde diese Krankheit überwinden“, ist von großer Bedeutung für die Heilung. Wer an sich selbst glaubt, fühlt sich der Depression nicht hilflos ausgeliefert. Er weiß, dass sie vorbeigeht.


Donnerstag, 4. Dezember 2014

AUS DER PRAXIS – Das Ende der Verdrängung, oder vom Mut dem eigenen Schatten zu begegenen


Foto: Alexander Szugger

Der Begriff „Schatten" bezeichnet in der Analytischen Psychologie Carl Gustav Jungs die Gesamtheit der individuell und kollektiv unbewussten Anteile des Ichs. In allen Kulturen wird der Schatten mit dem Dunklen assoziiert, mit dem Bösen im Menschen, das es zu bändigen gilt. Der Schatten ist ein Persönlichkeitsanteil, den wir vor uns selbst und anderen zu verbergen versuchen weil wir ihn ablehnen, oder weil wir ihn nicht erkennen können, da er tief im Unbewussten vergraben ist. Dennoch ist er da und weil er da ist, gehört er zu unserer psychischen Struktur wie alle anderen Teile unserer Persönlichkeit. 

Ohne den Schatten sind wir nicht ganz. Bleibt er im Dunkel fehlt er uns zur Ganzwerdung.  
Ein Schattenanteil, der nicht bewusst wahrgenommen wird, wirkt in unserem Leben und in unseren Beziehungen, er wirkt auf unser Handeln. Deshalb löst z. B. die Tatsache, dass andere etwas in uns sehen, was wir nicht sehen können, Gefühle der Scham aus, oder aber eine starke Abwehrhaltung. Es gibt Menschen, die so blind für den eigenen Schatten sind, dass sie alles Negative von sich zurückweisen und es auf andere projizieren, nur um dem eigenen Schatten nicht ins Gesicht schauen zu müssen. Ein Beispiel: Ein Mensch erlebt, dass sich nach und nach die engsten, ihm nahestehenden Menschen von ihm abwenden. Er sucht die Ursache bei den anderen. Er konstruiert Erklärungen, warum die anderen tun, was sie tun, alles um nicht in sein eigenes Dunkel blicken zu müssen. Schließlich behauptet er sogar seinen inneren Frieden gemacht zu haben, obgleich er immer einsamer zu werden droht. Dieser Mann ist nicht bereit die Lerngeschenke, die im das Leben präsentiert zu öffnen und hineinzusehen in die eigenen Abgründe, die unbewusst ins Außen wirken und andere von ihm weg treiben. Er verdrängt seinen Anteil am Geschehen, statt sich auf den Weg zu machen und herauszufinden, was da in ihm selbst ist, was dazu führt, dass sich Menschen von ihm abwenden. Er weigert sich, sich seinem Schatten zu stellen, obgleich seine unselige Wirkung sein Leben mehr und mehr verdunkelt. 

C.G. Jung unterscheidet das Ich vom Selbst. Das Ich vertritt die bewussten Anteile, das Selbst die gesamte Psyche, also auch die unbewussten, dunklen Anteile. Die Gleichung lautet demnach: Ich + Schatten = Selbst. 
Der Weg zum Selbst führt also nach Jung durch den Schatten. Nur wer sich seine Schatten bewusst macht ist bereit zur Selbsterkenntnis und damit bereit die Verantwortung für sich selbst und sein Leben zu übernehmen, und so schließlich ein stabiles Selbst aufzubauen.
 
Wie kommt es dazu, dass wir einen Schatten entwickeln?
Ein Schatten bildet sich immer wenn eine Eigenschaft oder ein Verhalten bereits in der frühen Kindheit bei der Umwelt auf Ablehnung stößt, oder durch eine negative Erfahrung, die für das Kind nicht zu bewältigen ist. Der Schmerz, den dies auslöst, wird abgespalten. Es kommt zur sogenannten Dissoziation. So sind im Schatten alle abgespaltenen Erfahrungen, abgewehrte Triebe, frühkindliche Prägungen und nicht gelebten Persönlichkeitsanteile verborgen und tief ins Unterbewusstsein eingeschlossen. Aber auch unsere Potentiale und kreativen Fähigkeiten ruhen im Schatten und das immer dann, wenn wir sie als Kind nicht leben durften, weil sie im Außen auf Ablehnung oder gar auf Verachtung stießen. Somit ist auch das verletzte innere Kind ein Schattenaspekt unserer Persönlichkeit.

In den Schatten hausen nicht nur unschöne Aspekte unserer Persönlichkeit, sondern auch unsere größten Gaben und Talente.
Energetisch gesehen ist er der Anteil unserer Lebensenergie, der blockiert ist. Blockierte Lebensenergie kann zu verkapselter Wut, diffuser Angst, zu Lähmung und zu Neurosen jeder Art führen. Wir stecken förmlich in einer Rüstung in der Lebensenergie festgehalten wird. So können emotionale Beweglichkeit und Ausdrucksfähigkeit nicht frei fließen. Selbstwerdung aber bedeutet auch, dass alle unsere Gefühle frei fließen dürfen, egal ob wir sie als positiv oder negativ bewerten. Jedes Gefühl ist ein Navigator, der uns die Richtung zeigt, und zwar zu dem Menschen hin, der wir im Ganzen sind.

Wenn Gefühle blockiert sind, ist der gesamte Organismus blockiert. Denn alles ist eins und eins wirkt auf das andere. Das ist das Prinzip lebendiger Ganzheit.
Immer dann wenn wir aufhören zu verdrängen und innere und äußere Konflikte nicht vermeiden, sondern sie als Chance begreifen, uns unserer selbst bewusster zu werden, wenn wir bereit sind, unter die Oberfläche des bewussten Ichs zu tauchen, führt uns der Weg hin zur Entdeckung des Schattens. Wenn es gelingt den Schattenanteil nicht nur zu erkennen, sondern ihn zu bejahen als Teil dessen, was wir eben auch sind, kann blockierte Energie wieder fließen.

Verdrängtes bleibt nur im Schatten, weil wir es dort festhalten, aus Angst nicht der zu sein, der wir gern wären, in den eigenen Augen und in den Augen anderer.
Das Leben will sich immer vervollständigen, es will ganz werden. Deshalb schickt es uns immer wieder Lektionen, solange bis wir sie annehmen und daraus lernen. Tun wir das nicht, kommen sie in einer Art history repeating von Lebenserfahrungen oder Begegnungen ähnlicher Stärke und Qualität wieder. Dann stöhnen wir: „Puh, das hatte ich doch schon mal, wieso hört das denn nicht auf?“ Es hört dann auf, wenn wir uns den Lektionen stellen und sie lernen und zwar bewusst und dann unser Verhalten und unsere Handlungsweisen verändern.

Es ist eine Regel, dass die Bewusstmachung des Selbst genau die Konflikte erzeugt, die man durch ihre Unterdrückung und Verdrängung und zu vermeiden versucht.
Erst wenn wir uns die eigene Fehlbarkeit, die eigene Hilflosigkeit, unsere Schwäche und unsere dunklen Anteile vor uns selbst eingestehen, entkommt das Ich der Verblendung, dem  Hochmut und der Selbstüberschätzung.  Nur so kommen wir zu einer demütigen Haltung, in der wir uns dem öffnen, was wir als Mensch auch sind – nämlich nicht so, wie wir gerne wären, sondern eben auch wie wir nicht gerne sind, nämlich unvollkommen. C. G. Jung nennt das den Individuationsprozess, die Selbstwerdung und nach Jung hört sie niemals auf. Aber auch wenn es kein endgültiges Ziel gibt, das Einlassen auf diesen Prozess schenkt uns, so unbequem er auch bisweilen sein mag, Selbsterkenntnis und damit Lebenssinn und Lebensfülle. Solange wir aber die Schatten verdrängen leben wir in der Rüstung und in der Projektion. Alles Verdrängte zeigt sich in Projektionen und schafft sich so im Außen den Feind, dem es sich in Wahrheit im eigenen Inneren stellen müsste – und zwar nicht um ihn, wie in der Projektion, abzulehnen, anzuprangern oder zu bekämpfen, sondern um ihn zu umarmen, als Teil des Selbst.

Viele Menschen verbringen ihr Leben in einem Nebel von Täuschung und Selbstbetrug. Aber die Art und Weise wie man lebt und der Mut sein Wesen verstehen zu wollen, gehören zu einem gelingenden Leben. Deshalb ist Selbsterkenntnis so wichtig. Wer sich selbst einigermaßen erkennt, bei dem klaffen Erleben, Selbstbild und Fremdbild nicht auseinander.  Selbsterkenntnis ist also wertvoll, nicht nur als Quelle innerer Freiheit, sondern auch im Zusammenleben mit Anderen. Die Anderen zu achten und zu verstehen setzt voraus, dass wir uns selbst verstehen und achten mit allem, was uns ausmacht und nicht nur mit unserer Schokoladenseite.  

Je unbewusster ein Mensch sich seiner selbst ist, desto blinder ist er für sich selbst und umso stärker sind die Projektionen, die er macht. Mit einem solchen Menschen lebt es sich schwer, denn er ist selbstgefällig, ungerecht und ignorant. Unfähig seine Schattenanteile bei sich zu lassen stülpt er sie anderen über und er verurteilt andere und zwar genau für das, was er in sich selbst an Unschönem nicht sehen will. Herman Hesse, der bei Josef Bernhard Lang, einem Schüler C.G. Jungs, wegen seiner Depressionen eine Analyse machte, fasst es in seinem, in dieser Zeit verfassten "Demian", in einem Satz zusammen: „Wenn wir einen Menschen hassen, so hassen wir in seinem Bilde etwas, was in uns selber sitzt. Was nicht in uns selber ist, das regt uns nicht auf.“  

Alles was uns bei anderen aufregt, ärgert oder beschäftigt, verrät uns viel über unseren Schatten. Je stärker die eigene emotionale Betroffenheit, desto sicherer handelt es sich um ein eigenes Thema, das nach Außen projiziert wird und je stärker die Abwehr ist, desto sicherer ist: Das hat etwas mit uns zu tun. Solange wir das nicht begreifen, werden wir alles, wofür wir die Verantwortung nicht übernehmen wollen, auf andere projizieren und dort bekämpfen. 

Immer wenn wir mit dem Finger auf andere zeigen, zeigen wir eigentlich auf uns selbst und ein ungelöstes Schattenthema. Die Psyche tritt mit nichts in Resonanz, mit dem sie kein Thema hat, das nicht in ihr selbst liegt. Oder mit anderen Worten: Unbewusstes erkennt Unbewusstes sofort.
Jedes Mal wenn wir uns über das Verhalten eines anderen Menschen aufregen, sollten wir tief durchatmen und unsere Gefühle ehrlich anschauen um herauszufinden, was wir da im Spiegel des Gegenübers präsentiert bekommen, das uns auf uns selbst zurückwirft und zwar auf das, was wir nicht entwickelt haben oder auf das, was wir beharrlich verdrängen und an uns selbst nicht akzeptieren wollen oder können oder auf das was uns Angst macht. Zugegeben, das ist nicht einfach, denn wenn wir uns entscheiden mit dieser Achtsamkeit und Bereitschaft zur Introspektion durchs Leben zu gehen, werden wir auch dem Schmerz begegnen, der in unserem Schatten verborgen sind. Wir werden unsere Wut spüren, unsere Trauer, unsere Sehnsüchte und unsere Wünsche und Triebe, die verrotten und uns innerlich vergiften, wenn wir sie nicht irgendwann aus dem dunklen Keller der Seele befreien.

Wenn es uns gelingt all das anzuschauen und vor uns selbst zuzulassen, werden wir dazu fähig, die in uns aufkommenden dunklen Gefühle zu spüren, sie anzunehmen und nicht anderen vor die Füße zu werfen, die sie uns angeblich machen
Sicher machen das auch die anderen mit uns, aber sie machen nur das mit uns, wozu wir Resonanz haben. Es trifft immer der Schatten auf einen anderen Schatten. Auch in Beziehungen ist das so. Deshalb gilt hier besonders: Wenn du ein guter Partner sein willst, dann schau erst in dich selbst hinein. Und noch ein hilfreicher Tipp wie die Schattenarbeit gelingt: Immer da, wo wir einen Unterschied feststellen zwischen unserer Selbstwahrnehmung und der Fremdwahrnehmung des Anderen, ist das ein untrügliches Zeichen dafür, dass es in unserem Schatten etwas zu erlösen gibt.